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Finanzkollaps droht: Kommunen können Anforderungen nicht mehr erfüllen
Viele deutsche Städte begrüßen ihre Besucher schon auf den ersten Metern mit offensichtlichen Mängeln. Kaum wird die Bundesstraße zur städtischen, wird der Verfall deutlich – Schlaglöcher, Tempolimit auf maroden Brücken und Straßen, teils sind sie ganz gesperrt, und verfallende Lärmschutzwände runden zusätzlich das jämmerliche Bild ab. An der saisonalen Bepflanzung im öffentlichen Raum sind die wenigen noch wohlhabenden Orte indes sofort erkennbar. Baufällige Sportstätten, Frauenhäuser, Schulen – viele öffentliche Gebäude lassen den akuten Geldbedarf der Kommunen schon äußerlich erkennen. Sogar Einsturzgefahr an Einrichtungen für Kinder sind keine Einzelfälle mehr.
Ob Frankfurt, Neukirchen oder Dortmund – unabhängig von Größe und Kassenstand des Ortes müssen Schulen dort mittlerweile wegen akuter Baufälligkeit ganz oder in Teilen schließen. 215,7 Milliarden Euro müssten die Kommunen investieren, um ihre Infrastruktur wieder einigermaßen herzurichten. Es geht dabei um die Anzahl der Einrichtungen genauso wie um deren Zustand.
Die Zahl stammt von der aktuellen Umfrage der Förderbank KfW („KfW-Kommunalpanel“) bei den Kämmereien der Gemeinden. Selbst wenn Länder und Gemeinden bald knapp 40 Milliarden Euro mehr aus der Steuerkasse erwarten dürfen, sei das aber längst kein Grund, ihre tiefe strukturelle Krise als behoben anzusehen, sagen sie. Die Bundesebene hält dagegen – mehr Geld sei nicht drin.
Brandbrief als Hilferuf
Die Gemeinden reklamieren nicht weniger als ein Grundproblem des Staates, der sie ausbluten lasse. Im föderalen System sind sie das letzte Glied der Kette. Ihnen schieben Bund wie Länder mehr Aufgaben zu, ohne die Finanzierung auszugleichen. Die Folge ist eine Dauerkrise selbst für gut wirtschaftende Orte. Investitionen sind kaum noch möglich, Mangelverwaltung und Verfall zeichnen dem Bürger vor der Haustür das Bild des vermeintlich handlungsunfähigen Staates. Längst beschäftigen sich Heerscharen an Wissenschaftlern mit den Folgen dieser strukturellen Krise für die Demokratie.
Ein aktueller Brandbrief an Bundeskanzler Friedrich Merz ist nur ein Funke in einem Feuer aus Hilferufen – sie alle drehen sich um strukturelle Probleme, die Landes- und Bundesebene auf Städte und Gemeinden abwälzen. Kommunale Verantwortliche, die Brandbriefe nach Berlin schicken, sind nicht neu, dass Oberbürgermeister der Landeshauptstädte sich wie Ende Oktober direkt an den Bundeskanzler wenden, indes schon.
Den 13 Städten, allen voran Stuttgart und dessen Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU), geht es klar über die Lippen: „Wir können nicht mehr.“ Mehr Aufgaben ohne finanziellen Ausgleich, das gehe nicht, so der Tenor. Wer bestelle, müsse zahlen. Mit dem Deutschlandticket verringere der Bund sogar aktiv die Einnahmen der Gemeinden, während Sozialausgaben immer weiter in wahnwitzige Höhen schießen und die ohnehin leeren Kassen in den Finanzkollaps treiben.
Eine der Hauptbelastungen der letzten Jahre ist das Ausmaß der Zuwanderung, welche Städte bis hin zu kleinsten Gemeinden zu bewältigen haben. Sie haben Unterkünfte zu stellen und Sozialkosten zu tragen. Im September wies das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) nach, wie wichtig nachhaltige und belastungsfähige Infrastrukturen in den Gemeinden bei der Frage gelingender Zuwanderung sind. Es komme auf „Anstrengungen der Zivilgesellschaft in ruhigeren Phasen“ an, so ein offizielles Fazit der Umfragenreihe. Solch „ruhigere Zeiten“ klingen für viele Bürgermeister und Kommunalpolitiker wie der reinste Hohn. Es gebe sie schon lange nicht mehr, sagen sie. Die aktuelle Asylpolitik, infolge derer weniger Zuwanderung erfolge, wirke sich „immerhin etwas, aber nicht viel“ aus, so Christian Schuchardt, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages am 30. Oktober. Kosten der Zuwanderung würden aus Sicht der Gemeinden kaum sinken, die Aufgaben seien nicht in Monaten gelöst.
Demographie als Geldproblem
Schuchardt identifiziert grundsätzlich ein „noch nie da gewesenes Rekorddefizit in den Städten und Gemeinden“. Vor allem bei den Sozialkosten brauchen sie demnach Entlastung. Staatliche Aufgaben müssten grundlegend neu geordnet werden und Entbürokratisierung sei neben Digitalisierung wichtig, um die kommunale Not zu lindern. Die werde durch die aufgehende Schere zwischen Einnahmen und Aufgaben bestimmt.
Ein langfristiges Problem vieler Gemeinden ist in der aktuellen Krise nur selten mitgerechnet. Es betrifft primär die stetig steigenden sozialen Ausgaben und parallel zu der ungerechten Lastenteilung ist es gleichermaßen die Demographie, also die Altersentwicklung der Gesellschaft. Sie lässt zwar die größeren Kommunen über 50.000 Einwohner nach neusten Umfragen noch relativ kalt und wird dort nicht zu den vorrangigen Problemen gerechnet, doch für die kleinen Kommunen ist sie oft eine Mammutaufgabe. Dezentrale oder sozioökonomisch ungünstig sich entwickelnde Gemeinden hätten es künftig noch schwerer, Bildung, Gesundheit und Pflege zu organisieren, sagen Experten.
Überproportionale Zusatzausgaben durch die Demographie sah das ifo-Institut (Dresdner Niederlassung) schon 2018 für Kommunen – vor allem solche zwischen 30.000 und 100.000 Einwohner. Wo nicht investiert werde, drohten demnach weitere Kosten und Probleme.