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Bericht zur Agnes-Miegel-Tagung am 18. März
Die 1. Vorsitzende der Agnes-Miegel-Gesellschaft, Dr. Marianne Kopp, begrüßte die Teilnehmer im vollbesetzten Saal des Hauses Kassel in Bad Nenndorf. Zum ersten Thema „Die Heimkehr – Eine Erzählung von Agnes Miegel aus der Zeit der Christianisierung im Alpenraum“ gab sie eine Einführung. Hauptperson der 1934 im Prosa-Band „Gang in die Dämmerung“ erschienenen Erzählung ist der irische Mönch Vater Cuthbert. Er lebt im 7. Jahrhundert als Pfarrer und Missionar in einem Alpental. Miegel erzählt den letzten Lebenstag des fast 80-jährigen Mannes auf dem Weg von seiner Kapelle hinab in das von der Maisonne erwachende Tal. Seine Heimkehr im Tode meint einen höheren Sinn von Heimat als die unvergessliche geographische Heimat Irland. Die anschließende Lesung der Erzählung durch Sabine Crone war beeindruckend und offenbarte die Schönheit der Sprache der Dichterin mit ihren farbenfrohen Naturbeschreibungen und bildhaften Figuren.
In der Gedenkansprache am Grab von Agnes Miegel auf dem Bad Nenndorfer Friedhof anlässlich ihres 144. Geburtstages erinnerte Kopp an das Leben der Dichterin, das von mehreren schweren Weltkatastrophen geprägt war. Miegel durchlitt und überlebte die Pandemie der Spanischen Grippe und zwei Weltkriege. In den Briefen von 1914, aus denen Kopp vorlas, ist die Dichterin erschüttert über den Kriegsschauplatz Ostpreußen. Die Rednerin schlug den Bogen zur Coronapandemie und dem Krieg in der Ukraine in der Gegenwart. In Miegels persönlicher Einstellung und ihrem dichterischen Werk ist nichts von Kriegsverherrlichung zu finden. Ihr großes Anliegen drückte die Dichterin mit einem Zitat aus der antiken griechischen Tragödie „Antigone“ des Sophokles aus: „Nicht mitzuhassen, mitzulieben bin ich da!“ Das Gedenken an der Grabstätte klang aus mit dem gemeinsamen Gesang des Ostpreußenliedes und des Friedensliedes „Zogen einst fünf wilde Schwäne“.
Der Nachmittag brachte den glanzvollen Tagungshöhepunkt mit der hohen Kunst der Ballade, die Agnes Miegel so berühmt gemacht hat. Annemete von Vogel sprach feierlich und feinfühlig „Die Mär vom Ritter Manuel“: Ein König und sein Gefolge lassen zu, dass der am Hof weilende fremde Magier den Ritter Manuel dazu bewegt, sein Haupt in eine Zauberschale einzutauchen. Danach glaubt er, zwanzig Jahre in einem fernen Land gewesen und dort Gatte einer Königstochter geworden zu sein. Diesen Traum kann Manuel nicht vergessen und stirbt. Nach langer Zeit erscheint am Hof eine Gesandtschaft der Königstochter aus Manuels Traumwelt. Der König erstarrt und ruft verzweifelt „Erbarmer aller Welt, sprich, was ist Schein?“ So verzauberte die Rezitatorin die „Miegel-Gemeinde“, die danach einen gedankenreichen, erhellenden Vortrag der Literaturwissenschaftlerin Kopp aufmerksam aufnahm: Den Stoff für die Ballade fand Miegel schon 1893 als 13-Jährige in einer „Orientalischen Erzählung“ in einem Englischlehrbuch. Sie hatte ihn so verinnerlicht, dass sie ihn zwölf Jahre später in Versen gestaltete. Die Ballade erschien zuerst 1907 im Band „Balladen und Lieder“. Kopp veranschaulichte die Motive der Ballade: das Element des Wassers, Dunkelheit und Nacht, Tod. Ein Lichtschimmer ist der Page am Ende der Ballade. Er bietet die Deutung als Märchen an. Nach den wissenschaftlichen Informationen förderte die zweite ausdrucksstarke Rezitation durch den Sprecherzieher Lienhard Hinz das Verständnis der Dichtung.
„... mitzulieben bin ich da!“
Der Bildervortrag „Agnes Miegel in Königsberg – Lebensorte im heutigen Kaliningrad“ von Jörn Pekrul am Ende der Tagung ließ die Verbindung zur Heimat der Dichterin aufleben. Er zeigte die noch heute vorhandenen Wohnhäuser und deutschen Sehenswürdigkeiten, die Miegel gekannt hatte. Von 1934 bis 1945 wohnte sie in der Hornstraße 7, der heutigen Uliza Sershanta Koloskowa. Auf Pekruls Foto war die Bronzetafel für Agnes Miegel des Bildhauers Siegfried Zimmermann aus dem Jahr 1992 noch zu sehen. Die Dichterin erlebte ihre Stadt in etwa so, wie Pekrul sie mit historischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Neuroßgartens, des Schlosses und Postamts, der Altstädtischen Kirche, des Kaiser-Wilhelm-Platzes, der Schloßbrücke, des Nordbahnhofs und mit einer Farbaufnahme des Hafens mit Speicher und Schloßturm zeigte. Mit vielen weiteren Bildern aus der Gegenwart wies er sich als kundiger Stadtführer von Königsberg aus und begleitete seine Ausführungen sogar mit Rezitationen von Gedichten. Mit dieser Tagung bleibt Bad Nenndorf als Agnes-Miegel-Stadt in Erinnerung.