Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Im Auftrag der „Zeit“ ist Michael Thumann seit Jahren in der Russischen Föderation und deren Nachbarstaaten unterwegs – In seinem aktuellen Buch widmet er zwei zentrale Kapitel der Region Ostpreußen
Der „Zeit“-Korrespondent in Moskau, Michael Thumann, nimmt den Leser in seinem neusten Buch „Eisiges Schweigen flussabwärts. Eine Reise von Moskau nach Berlin“ mit in das heutige Russland. Er zeigt ein realistisches Bild von Putins derzeitigem Reich. Die Reise hat auch etwas mit Deutschlands Geschichte zu tun.
Europas Teilung ist Thumanns Thema. Er legt einen sehr persönlichen Reisebericht vor, in dem er die erneute Teilung Europas vor Ort erkundet. Er beschreibt in eindringlichen Reportagen und Augenzeugenberichten zunächst das gefährliche Leben der ausländischen Journalisten in Russland, zwischen drohender Verhaftung oder staatlicher Geiselnahme. Dann beschreibt er seinen Weg aus Moskau heraus über die schwer bewachten Außengrenzen der Russischen Föderation, erst nach Osten Richtung Zentralasien, nach Süden Richtung Georgien, dann nach Westen über die baltischen Staaten und Polen nach Deutschland.
Am Anfang seines Buches stellt der Korrespondent, der seit 1996 in Russland lebt und damit das Land besser kennt als die meisten ausländischen Journalisten, eine These auf, indem er behauptet, dass Präsident Putin Russland so weit von Europa entfernt habe wie noch nie ein russischer Herrscher vor ihm. „Putin bringt sein Land in Abhängigkeit von China, er schmiedet Militärbündnisse mit Nordkorea oder dem Iran, er forciert Russlands Orientierung nach Osten“. In allen Kriegen hatte Russland bislang Verbündete in Europa, sogar Stalin hatte sie, in dem jetzigen Krieg Putins gegen die Ukraine stehen nur noch Asiaten an seiner Seite.
Nur noch Asiaten an Putins Seite
Thumann hatte zu Beginn der 1990er Jahre seine journalistische Tätigkeit in der ehemaligen Sowjetunion als Jungjournalist des Vereins für deutsche Kulturbeziehungen mit dem Ausland (VDA) bei Zeitungen der Deutschen Minderheiten begonnen. Das spürt man auch in seinem aktuellen Buch, denn viele der Themen haben etwas mit der gemeinsamen deutsch-russischen Geschichte zu tun, bis hin zum Titel „Eisiges Schweigen flussabwärts“, ein Satz, der ihm in den Sinn kam, als er auf der Luisenbrücke bei Tilsit Russland nach stundenlanger Kontrolle gen Litauen verließ.
Zwei Kapitel widmet Thumann dem Königsberger Gebiet, eines davon dem Kantjahr 2024, zu dem er dorthin gereist war. Das einstige Ostpreußen steht im Zentrum seines Buches. Nicht nur den russischen Teil hat er besucht, auf der Rückfahrt kam er auch durch den polnischen Teil, entlang der Grenze zur Russischen Föderation.
Hier bemerkt Thumann, dass seit 2022 viele Polen die innerostpreußische Grenze, in dem viele nie heimisch geworden waren, verlassen haben. In Waltersdorf [Pęciszewo] im Kreis Heiligenbeil fand der Autor so in einem verlassenen polnischen Dorf eine fast komplett ukrainische neue Siedlung, und das in Sichtweite der russischen Grenztruppen.
Thumann besucht russische und ukrainische Flüchtlinge in den Nachbarstaaten, er kommt auf seinem Weg von Ost nach West mit Menschen aus ganz Osteuropa zusammen und schildert ihre Ängste vor Russlands neuer Kriegslust. Aber er vergisst dabei auch die deutsche Geschichte nicht.
Im Osten der Ukraine hatte Thumann noch im Januar 2022 die einstige Frontstadt Nju-Jork, die im 19. Jahrhundert von deutschen Mennoniten gegründet worden war, besucht. Vor der Stadt war 2014 die Front zum Stehen gekommen, auch nach dem Angriff von 2022 hielt die Front zweieinhalb Jahre lang, bevor die Russen die letzten Überreste der Mennonitensiedlung niedergewalzt und die zerstörte Stadt eingenommen haben. Jetzt hat die Stadt wieder ihren sowjetischen Namen Nowgorodskoje, die Stalin ihr einst verliehen hatte, zurückerhalten.
Thumanns Buch ist ein mitreißendes, äußerst interessantes zeitgeschichtliches Zeugnis von der Suche nach Sicherheiten im Osten Europas, die es nicht mehr gibt.
Michael Thumann: „Eisiges Schweigen flussabwärts. Eine Reise von Moskau nach Berlin“, C.H. Beck Verlag, München 2025, gebunden, 284 Seiten, 26 Euro