24.04.2024

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Erste polnische Teilung 1772

Als die Provinz Westpreußen entstand

Vor einem Vierteljahrtausend gelang Friedrich dem Großen der Brückenschlag von Brandenburg nach (Ost-)Preußen

Manuel Ruoff
10.09.2022

Die erste Teilung Polens im Jahre 1772 war für Preußen so bedeutend, dass manche erst an ihr und nicht schon am Sieg im Siebenjährigen Krieg den Beginn seines Großmachtstatus festmachen. Für das Opfer, die erste Polnische Republik, bedeutete diese den Anfang vom Ende.

Die Teilung hatte externe, aber auch interne Ursachen. Fangen wir mit den externen Gründen an. Die erste Polnische Republik hatte seit dem Siebenjährigen Krieg das Schicksal, gleich drei Großmächte zu Nachbarn zu haben. Da waren Preußen im Westen, Österreich im Süden und Russland im Osten. Begünstigt, wenn nicht ermöglicht wurden die polnischen Teilungen auch dadurch, dass die Westmächte zu jener Zeit mit Rivalitäten beschäftigt waren, zu denen es im Zuge des Auf- und Ausbaus ihrer Weltreiche in Übersee kam.

Der Stärke der genannten drei Nachbarn stand die eigene Schwäche Polens gegenüber. Während Preußen, Österreich und Russland absolutistisch regiert wurden, war die Polnische Republik rückständig im feudalistischen Vorabsolutismus verharrt. Den für den Absolutismus so typischen Ausbau effizienter Staatsstrukturen, mit denen der Monarch sein Land beherrschte, gab es in Polen nicht. Daher auch das Wort von der polnischen Anarchie. Im Gegensatz zu den absolutistischen Nachbarstaaten war der Monarch schwach und der Adel stark. Festzumachen ist diese Schwäche der Zentralgewalt vor allem am Einstimmigkeitsprinzip („Liberum Veto“) im Sejm (Reichstag) und an dessen Wahl des Monarchen. Durch Einflussnahme auf einzelne Sejm-Mitglieder konnte das Ausland also nicht nur auf die Bestimmung des nächsten Königs Einfluss nehmen, sondern diesen auch per Liberum Veto im Reichstag nach Belieben ausbremsen lassen. Polens Rückständigkeit gegenüber seinen europäischen Nachbarn war so frappierend, dass Aufklärer wie Voltaire Polens Teilung sogar begrüßten: Zu Recht gehe ein mehr oder weniger verrottetes Staatswesen an aufgeklärte Herrscher über.

Anachronistisches Regime in Polen

Diese Schwäche allein führte aber noch nicht zur Teilung, solange Polen seinen Nachbarn als Pufferstaat gute Dienste leistete. Diese Eigenschaft setzte jedoch Unabhängigkeit voraus und letztere drohte Polen im 18. Jahrhundert zusehends an Russland zu verlieren. Nicht umsonst begann die Vorgeschichte der polnischen Teilungen mit dem Großen Nordischen Krieg (1700–1721), als dessen Folge Russland Schweden als Großmacht ablöst.

Zur nun wachsenden Einflussnahme Russlands auf Polen hat auch Preußen sein Scherflein beigetragen. Am 5. Oktober 1763 starb der polnische König August III., der in Personalunion als Kurfürst auch Sachsen regiert hatte. Die Wahl eines neuen Königs stand an. Zarin Katharina die Große unterstützte ihren Liebhaber Stanisław August Poniatowski, das von Frankreich unterstützte Österreich hingegen dessen Gegenkandidaten Jan Klemens Branicki. Friedrich der Große hatte nun die Wahl, mit welchem der Gegner des Siebenjährigen Krieges (1756–1763) er ein Bündnis einging. Angesichts der größeren militärischen Potenz Russlands und der Tatsache, dass Maria Theresia die Hoffnung auf eine Rückgewinnung Schlesiens noch nicht aufgegeben hatte, entschied er sich mit dem Traktat vom 11. April 1764 für die Zarin. Der preußische König stimmte der Kandidatur Poniatowskis zu. Beide Herrscher garantierten die sogenannten Kardinalrechte, sprich das Vetorecht jedes Sejm-Mitgliedes, das Recht des Sejms, den König zu wählen, sowie die Minderheitenrechte der Nicht-Katholiken (Dissidenten). Des Weiteren verpflichteten sich beide zu militärischem Beistand im Falle eines Angriffs Österreichs oder einer anderen Macht. Im Falle eines österreichischen Einmarsches in Polen sollte auch Preußen einmarschieren und Russland unterstützen.

Vasall unter Russland

Derart militärisch abgesichert, marschierten am 7. Mai 1764 rund 20.000 Russen in Polen ein, wo aus den Zeiten des Siebenjährigen Krieges ohnehin noch ein russisches Korps stand. Angesichts dieser militärischen Präsenz Russlands und großzügiger russischer „Wahlgelder“ wählte der Sejm am 6./7. September 1764 den russischen Kandidaten zum König.

Poniatowski, der sich nun Stanislaus II. August nannte, erwies sich jedoch nicht als die von der Zarin erhoffte Marionette. Vielmehr versuchte der vielseitig gebildete und intelligente Verehrer George Washingtons, Polen ein guter König zu sein und es mit Reformen wie der Einschränkung des Einstimmigkeitsprinzips im Sejm voranzubringen. Eine derartige Aufholjagd des zurückgebliebenen Nachbarn war jedoch nicht das, was die Zarin wollte. Und so intervenierte sie 1767 militärisch, wobei nicht-katholische Adlige und katholische Reformgegner sie unterstützten und ihre Intervention ein Stück weit legitimieren halfen. Angesichts der russischen militärischen Präsenz sah sich der Sejm gezwungen, am 5. März 1768 einem bilateralen „Ewigen Vertrag“ zuzustimmen. Darin verpflichtete sich die polnische Seite, die Reformen zurückzunehmen sowie das Einstimmigkeitsprinzip und die Rechte der religiösen Minderheiten zu achten.

Aus Protest gegen den Ewigen Vertrag bildete sich am 29. Februar 1768 auf der Festung von Bar in Podolien eine Konföderation, die sich die Vertreibung der Russen aus Polen und die uneingeschränkte Herrschaft der katholischen Kirche zum Ziele setzte. Diese Oppositionsgruppe begann einen teilweise asymmetrischen Krieg gegen die Russen und suchte Verbündete unter Russlands traditionellen Gegnern. Sie fand sie in den Osmanen. Gerne nutzte die Hohe Pforte die Gelegenheit, mit polnischer Unterstützung gegen den russischen Erzrivalen Krieg zu führen. Als russische Truppen polnische Oppositionelle bis auf osmanischen Boden verfolgten, nahm der Sultan das zum Anlass, der Zarin am 25. September 1768 den Krieg zu erklären.

Europäische Gleichgewichtspolitik

Im Kampfe gegen Osmanen und polnische Oppositionelle erwiesen sich die russischen Streitkräfte nun als derart erfolgreich, dass eine ernsthafte Bedrohung des Gleichgewichtes drohte. Bevor Polen nun gänzlich russisch wurde, sollten die beiden deutschen Nachbarn, so Friedrichs Vorschlag an die Österreicher, durch Annexion polnischen Territoriums wenigstens einen Teil des Landes dem russischen Zugriff entziehen. Dem Alten Fritz ging es dabei außer um Gleichgewichtspolitik auch um den Gewinn einer Landbrücke zwischen Brandenburg und (Ost-)Preußen. Österreich reagierte ambivalent und widersprüchlich. Maria Theresias Gedanken kreisten um eine Rückgewinnung Schlesiens – und einer Teilung der „katholischen Schwester Österreichs“ stand die Katholikin ablehnend gegenüber. Ihr Sohn und Mitregent Joseph II. hingegen schuf jedoch gleich Fakten im Sinne von Friedrichs Vorschlag. Er ließ 1769 die 1412 von Ungarn an Polen verpfändete Grafschaft Zips besetzen, diese am 27. Juli 1770 ohne Gegenleistung „reincorporieren“ und anschließend österreichische Truppen in Richtung Lemberg und Krakau marschieren. Nun konnte auch Friedrich entsprechend dem Traktat mit Elisabeth vom 11. April 1764 in Polen einmarschieren.

Die Zarin zierte sich anfänglich, auf Friedrichs Teilungsvorschlag einzugehen, hoffte sie doch, ein ungeteiltes Polen unter ihren Einfluss bringen zu können. Mit der Drohung konfrontiert, ohne preußischen Beistand Osmanischem Reich und Österreich gegenüberzustehen, war sie jedoch schließlich bereit, den von Preußen geforderten Preis für dessen Wohlwollen zu zahlen. Am 5. August 1772 beschlossen Preußen, Russland und Österreich die Erste Teilung Polens, denen das Opfer am 30. September 1773 nolens volens zustimmte. Friedrich brachte sie den Brückenschlag von Brandenburg nach (Ost-)Preußen. Vor 250 Jahren, am 13. September 1772 erließ der Kurfürst und König für diese Landbrücke ein entsprechendes Besitzergreifungspatent. Ihr Territorium entspricht größtenteils dem der nun neu geschaffenen Provinz Westpreußen.


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Kommentare

Gustav Leser am 21.09.22, 15:47 Uhr

Westpreußen ist altes Ordensland
das direkt ans Reich grenzte

Bis zum 5. Jahrhundert, also bis zum Beginn des Mittelalters, war es das Stammland der Gothen

Kersti Wolnow am 10.09.22, 10:48 Uhr

Europa braucht heute wieder eine starke Mittelmacht.

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