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Operation Millennium

Als die Tausend-Bomber-Angriffe begannen

Vor 80 Jahre schickte „Bomber Harris“ 1047 Maschinen nach Köln

Björn Schumacher
29.05.2022

Strategische Bombenabwürfe auf feindliches Hinterland häuften sich bereits im Ersten Weltkrieg. Frankreich, Deutschland und Großbritannien setzten Zeppelin-Luftschiffe und zweimotorige Flugzeuge ein. Von kriegsentscheidender Bedeutung war das allerdings noch weit entfernt. Winston Churchill, ab 1917 Rüstungsminister im Kabinett des liberalen Premiers David Lloyd George, entwickelte nichtsdestotrotz die Vision eines vernichtenden „Tausend-Bomber-Angriffs“ auf Berlin im Jahre 1919, falls die Feindseligkeiten bis dahin nicht beendet sein sollten.

Als späterer Luftfahrtminister wirkte Churchill maßgebend am Aufbau der Royal Air Force (RAF) mit. Sie bombardierte ab 1920 aufständische Kolonialvölker, vor allem im heutigen Irak. Als Leiter einer Staffel dort eingesetzter „Transport-Flugzeuge“ erwarb Arthur Harris das Vertrauen seines Ressortministers. „Araber und Kurden lernen nun“, schrieb er im Hochgefühl ethnischer Überlegenheit, „dass innerhalb von 45 Minuten ein ganzes Dorf ausgelöscht und ein Drittel der Bewohner getötet oder verwundet werden können.“

1925 rüstete Churchill, selbsternannter „Soldier of Christ“, auch verbal auf: „Die Schrecken von 1919 blieben in den Archiven vergraben, aber ihre Idee lebt weiter. Der Tod steht in Bereitschaft, gehorsam, abwartend, die Menschen in Massen niederzumähen, bereit, wenn man ihn ruft, die Zivilisation ohne Hoffnung auf Wiederaufbau zu Staub zu zerstampfen. Er wartet nur auf den Einsatzbefehl. Vielleicht wird es sich darum handeln, Frauen und Kinder oder die Zivilbevölkerung überhaupt zu töten.“

Barbarisch und sinnlos

Auch wenn ein „Tausend-Bomber-Angriff“ jahrzehntelang unrealistisch war, blieb der Begriff als Metapher für den totalen Luftkrieg virulent. Kräftig Fahrt nahm diese strategische Option auf, als Churchill nach zehnjähriger politischer Abstinenz ein Comeback als Marineminister feierte und Monate später, am 10. Mai 1940, in Doppelfunktion zum Premier- und Kriegsminister ernannt wurde. Am 14. Februar 1942 verkündete Charles Portal, Stabschef der RAF, die „Area Bombing Directive“ (Anweisung zum Flächenbombardement); unmittelbar danach übernahm Luftmarschall Arthur „Bomber“ Harris die Befehlsgewalt über dessen strategisches Bomberkommando.

Tausend-Bomber-Angriffe waren nur noch eine Frage der Zeit. Die Briten glaubten, kompakte Luftschläge mit hohem Brandbombenanteil würden die Durchhaltemoral deutscher Zivilisten, speziell der Industriearbeiter, und in der Konsequenz die Kampfmoral deutscher Soldaten brechen. Je länger der anfliegende „Bomberstrom“, so die Kalkulation ihrer Luftkriegsexperten, desto hilfloser die deutschen Abfangjäger und Flak-Stellungen. Hinzu kam der mit dem Begriff „Tausend Bomber“ verknüpfte Propagandaeffekt.

Anstelle von Berlin nahm Harris das näher gelegene Hamburg ins Visier eines solchen Luftschlags. Als sich dort die Wetterturbulenzen häuften, rückte Köln auf den ersten Rang seiner Zielliste. Unter dem Codenamen „Operation Millennium“ nahmen 1047 Maschinen in der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1942 Kurs auf die Stadt am Rhein. Nur 485 gehörten der regulären Flotte des Bomber Command an, mehrheitlich zweimotorige Vickers Wellington mit geringer Bombenlast. Den Rest musste Harris unter britischen Trainingsstaffeln „zusammenkratzen“.

890 dieser Maschinen erreichten die Kölner Innenstadt und warfen 1455 Tonnen Bomben ab, überwiegend Brandbomben. 1700 von 2500 entfachten Bränden stufte die Feuerwehr als „groß“ ein. 41.640 Wohneinheiten wurden beschädigt oder komplett zerstört, aber nur eine Flak-Stellung als einziges militärisches Objekt. 469 Menschen fanden den Tod, 5027 wurden verwundet und 45.132 obdachlos. Dank intensiver Löschtätigkeit und der Weitläufigkeit betroffener Straßenzüge brach im Zielgebiet kein Feuersturm aus.

Zwei weitere Tausend-Bomber-Angriffe trafen im Juni 1942 Essen und Bremen. Danach verzichtete die RAF vorläufig auf dieses strategische Instrument.

Ab Frühjahr 1943 gewann die RAF durch verbesserte Radar- und Zielfindungssysteme, schwere viermotorige Langstreckenbomber sowie ausgeklügelte Spreng- und Brandbombenmischungen an Schlagkraft. Ein erster Feuersturm wurde in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 1943 in Wuppertal-Barmen erzeugt; 3400 Menschen starben.

Vier Wochen vor der mehrtägigen Operation Gomorrha mit dem apokalyptischen Feuersturmangriff auf Hamburg ereilte Köln ein Albtraum beim sogenannten Peter-und-Paul-Angriff in der Nacht vom 28. auf den 29. Juni 1943. 540 (nach anderen Quellen 608) britische Flieger verwandelten die Rheinmetropole in ein Inferno und töteten 4377 Zivilisten. Insgesamt wurde Köln 262 Mal aus der Luft attackiert, mehr als jede andere Stadt. Über 20.000 Bombentote markieren eine Bilanz des Schreckens.

Unbefriedigende Aufarbeitung

Unbefriedigend ist die Aufarbeitung dieses Area Bombing im politischen und ethischen Diskurs. Kaum ein Jurist prüft die Frage, ob die Alliierten gegen ungeschriebenes Kriegsvölkergewohnheitsrecht oder die Artikel 23 b und g, 25 sowie 27 der Gesetze und Gebräuche des Landkriegs (Haager Landkriegsordnung, 1907) verstoßen haben. Die Dimension des strategischen Luftkriegs ab 1940 wird völlig ausgeblendet. Das alles erstaunt umso mehr, als Angriffe russischer Streitkräfte auf ukrainische Zivilisten − durchaus zu Recht – heftige Empörung und die Forderung nach völkerstrafrechtlichen Sanktionen auslösen.

Was britische und US-amerikanische Luftstreitkräfte im Deutschen Reich, weiteren europäischen Ländern und zuletzt in Japan angerichtet haben, bleibt ein Zivilisationsbruch, der sich weder mit deutscher noch japanischer Kriegsschuld oder der NS-Tyrannei rechtfertigen lässt. Hinzu kommt, dass der prognostizierte Demoralisierungseffekt ausblieb und Flächenangriffe deutlich weniger Ertrag brachten als Bombenabwürfe auf militärische Ziele. „Barbarisch, aber sinnvoll“, nannte Militärhistoriker Richard Overy das britische Area Bombing. Barbarisch und sinnlos wäre ehrlicher gewesen.

• Dr. Björn Schumacher ist Jurist und Publizist mit den Schwerpunkten Völkerrecht, neuere Geschichte sowie Rechts- und Staatsphilosophie.

 


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Kommentare

sitra achra am 10.06.22, 17:43 Uhr

Die alliierten Schweinchen hatten wohl viel Spaß am Holocaust an deutschen Zivilisten, an Alten, Müttern und Kindern.

Hein ten Hof am 09.06.22, 13:27 Uhr

Etliche dieser Besatzungsmitglieder haben ihre Bomberjacken reichlich besticken lassen, zu finden im Netz zu finden unter murder inc Bomberjacken.

Ernst Lumpe am 05.06.22, 19:11 Uhr

Ganz richtig, Chris - aber man sollte auch nicht die Bücher von Jörg Friedrich ('Der Brand'), A. C. Grailing ('Die toten Städte') und Lothar Fritze ('Die Moral des Bombenterrors') vergessen.

Chris Benthe am 02.06.22, 06:30 Uhr

Ein überfälliger Beitrag, danke dafür. Der alliierte Bombenkrieg war ein Verbrechen. Ein versuchter Völkermord, der den Kriegsverlauf nicht entscheidend beeinflusste. Immer wieder muss Coventry als Rechtfertigung dieses Massenmordens herhalten, obwohl es nicht die Deutschen waren, die mit dem Bombenkrieg begonnen hatten. Was die Alliierten aus der Luft entfesselten, ist ein Menschheitsverbrechen an Unschuldigen.

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