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Ob in Deutschland oder auf der Insel Malta – Zeugen der Megalithkultur faszinieren im eigenen Land und weltweit
Über Jahrtausende bewegten die Menschen weltweit tonnenschwere Steine und arrangierten sie zu Kreisen, Rechtecken oder Reihen, zu Gräbern und Tempeln. Warum, weiß bis heute keiner. Paradebeispiele der Kultur der Megalithen (mega = groß, lithos = Stein) in Europa sind der über 4500 Jahre alte Steinkreis von Stonehenge in Südwestengland und die 7000 Jahre alten Steinreihen bei Carnac in Frankreich. Die einst auf acht Kilometer geschätzten Steinreihen ziehen sich heute noch über fast vier Kilometer und zählen etwa 3000 Menhire, hoch aufragende Steinblöcke, auch Hinkelsteine genannt – Obelix lässt grüßen.
Seit Juli 2025 stehen die Steinreihen von Carnac und die Megalithlandschaft der bretonischen Südküste am Golf von Morbihan auf der Welterbeliste der UNESCO (siehe unten). Erstmals wurde mit den insgesamt 550 Megalithstätten keine einzelne Sehenswürdigkeit oder ein einzelner Ort anerkannt, sondern eine gesamte Landschaft.
Im Allgemeinen überwiegen Grabanlagen. Da man sich im Nachhinein ihren Bau nur durch Riesen erklären konnte, erhielten sie den Namen Hünengräber. In Deutschland stößt man im Nordwesten zwischen Osnabrück und Oldenburg, Meppen und Wildeshausen, auf besonders viele dieser 5500 bis 4800 Jahre alten Großsteingräber. Ganze 33 Anlagen sind auf einer rund 330 Kilometer langen Radroute als „Straße der Megalithkultur“ miteinander verbunden.
Kern einer jeden Anlage ist eine ebenerdige Kammer, die aus nebeneinander gesetzten Findlingen und Decksteinen besteht mit jeweils einem Schlussstein an den Schmalseiten und einem gangartigen Eingang in der Mitte der Südwand. Die gesamte Grabkammer war ursprünglich von einem Erdhügel überdeckt und einer ovalen Einfassung aus kleineren Findlingen begrenzt.
Komplett erhalten ist keine, doch hat jeder Überrest seine Besonderheit. Seit dem 18. Jahrhundert beschäftigen sich Historiker mit den Gretescher Steinen kurz vor Osnabrück-Lüstringen. Das mächtige Großsteingrab mit einer Steinkammer von zehn Metern Länge und 2,5 Metern Breite thront auf dem Hochufer eines Baches und ist fast vollständig erhalten. Nur der Abschlussstein rutschte im Lauf der Zeit den Abhang herab, was der Oldenburger Hofmaler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein (1751–1829) in einer Zeichnung verewigte.
Auch die Helmichsteine in Rulle oder die Oestringer Steine im Nettetal waren allen Sprengversuchen zum Trotz nicht ganz aus der Welt zu schaffen. Schon gar nicht die immer noch bedeutenden Karlsteine in Osnabrück-Haste. Der Name ist erklärungsbedürftig. Schließlich hatte Karl der Große 789 in Aachen ein Edikt zur Zerstörung aller Großsteingräber erlassen. Wo die Zerstörung der heidnischen Stätten misslang, überfrachtete man sie mit christlichen Mythen im Zusammenhang mit Karls brutaler Christianisierung der Sachsen.
Das Großsteingrab am Wiemelsberg bei Ueffeln ist das am besten erhaltene im Osnabrücker Land. Alle 14 Trag- und sechs Decksteine sind noch vorhanden, wenn auch zum Teil etwas verstürzt. Gleich ein ganzes Steingräberfeld erstreckt sich um den Golfplatz von Ankum Westerholte. Die stattlichste Grabanlage mit zwei Kammern von zwölf und 17 Metern Länge, umgeben von einer ovalen Einfassung aus kleineren Steinen, liegt direkt am Parkplatz des Golfklubs.
Geschlechtslose Kolossalstatuen
Einzigartig in ihrer Konstellation sind die Großsteingräber von Hekese im Norden des Osnabrücker Landes. Ihre beiden außerordentlich gut erhaltenen großen Kammern sind durch eine 53 Meter lange Steinreihe miteinander verbunden. Für Deutschland ist eine solche Steinreihe à la Carnac einmalig.
Die Krone der Megalithkultur befindet sich allerdings auf Malta. Die Geschichte von Riesen erzählt man sich auch auf der Mittelmeerinsel. Darüber hinaus aber hat man eine Vielzahl von Steinkugeln gefunden, die in Verbindung mit Holzstämmen zum Transport der Megalithen gedient haben mögen.
Der Grundriss der maltesischen Tempel erschließt sich am besten aus der Vogelperspektive. Die Modelle in den modernen Interpretationszentren sowie im Archäologischen Museum von Valletta zeigen alle ein gemeinsames Muster: Die damaligen Bewohner bevorzugten runde Ecken, das heißt sie reihten um eine Mittelachse bogenförmige, teilweise auskragende Raumbuchten. Damit sind die Bauten nicht nur wegen ihrer Monumentalität bemerkenswert, sondern auch wegen ihrer extravaganten Form.
Die Tempel waren einst überdacht und gelten als die ältesten freistehenden komplexen Steinbauten der Welt. Man kennt weder Vorgänger noch Nachbauten außerhalb Maltas. Ihre Entstehungszeit erstreckte sich über 1000 Jahre von etwa 3800 bis 2500 v. Chr. Keiner der bisher gefundenen Tempel ist damit jünger als 4500 Jahre. Warum gerade auf Malta diese Tempel entstanden, wird ein ewiges Geheimnis bleiben. Genauso, warum die Bevölkerung eines Tages ihren Bau und die ganze Insel aufgab.
Die Hinweise auf ihre Lebensweise sind spärlich. Gefunden hat man Tempel-Miniaturen, die wohl als Kultgegenstände oder Weihegaben zu interpretieren sind, auch einige Steinreliefs mit Tieren und Ornamenten. Ein Faszinosum sind die fettleibigen Idealstatuetten, mal geschlechtslos, mal als Frau. Prominente Vertreter sind die zwölf Zentimeter lange Alabaster-Figurine „Schlafende Dame“ aus dem Hypogäum Ħal-Saflieni und die neun Zentimeter hohe fragmentierte Terrakottafigur der „Venus von Malta“ aus dem Ħaġar-Qim-Tempel. Auch Phallus-Symbole gehörten zum Repertoire.
Im Stil der korpulenten Figurinen steht in Tarxien eine Kolossalstatue, von der sich allerdings nur der untere Teil erhalten hat. Die Skulptur trägt einen Faltenrock. So bekleidete Figuren wurden normalerweise geschlechtslos dargestellt. In Tarxien entdeckte man darüber hinaus die meisten skulptierten Steine: Reliefs mit Ziegen, Schwein und Widder, mit Bullen, Sau und Ferkeln.
Neben den korpulenten Sitzfiguren fand man im Steinkreis von Xagħra, 300 Meter vom Ġgantija-Tempel auf Gozo entfernt, auch flache stilisierte Kalkstein-Figurinen von Menschen und Tieren, die möglicherweise als Anhänger getragen wurden. Dazu eine Schnecke mit Menschenkopf und als Glanzstück die Statuette eines mit den typischen Faltenröcken bekleideten Paares. Bleibt festzuhalten, dass die beleibten Steinzeit-Statuetten als Souvenir Maltas Rittern längst den Rang abgelaufen haben.