19.04.2024

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Westbalkan

Alte Konflikte verhindern EU-Beitritte

Machtansprüche, Kirchenhierarchie oder Autokennzeichen – Streitigkeiten der Vergangenheit flammen auf

Bodo Bost
09.11.2021

Beim EU-West-Balkangipfel am 6. Oktober in Slowenien sollte es eigentlich um die Zukunft der aus der Restmasse Jugoslawiens entstandenen Staaten gehen, aber die Konflikte der Vergangenheit waren gerade wieder hochgespült worden. Diese Konflikte sind keine gute Werbung für einen baldigen EU-Beitritt. Dennoch ließ EU- Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen wissen: „Wir möchten den Westbalkan in der Europäischen Union haben.“ Aber kleine Länder mit großen Konflikten sind auch für die EU nur eine Belastung und bergen eine Gefahr für Europa.

Wladimir Putin, Recep Tayyip Erdogan und China sorgen auch auf dem Balkan für genügend Gegenfeuer zur EU. Wie Putin eine „russische Welt“ schaffen will, so möchte auch der serbische Innenminister Alexander Vulin eine „serbische Welt“ schaffen, wie er im Juli sagte. Dazu gehören alle serbisch besiedelten Gebiete außerhalb Serbiens, vor allem im Kosovo und in Bosnien-Herzegowina. Vulin sagte, serbische Soldaten sollten überall auf der Welt Serben verteidigen.

In den Nachbarländern, insbesondere jenen mit einer großen ethnisch serbischen Volksgruppe wie Bosnien, Montenegro und Kosovo, sorgten diese Worte für Besorgnis und Widerspruch. Nach der Rede kam es deshalb auch zu Konflikten in einigen dieser Nachbarstaaten, nicht zuletzt in Montenegro, wo Anfang  September die Amtseinführung des neuen Metropoliten der serbisch-orthodoxen Kirche für Montenegro, Joanikije II. Micovic, mit einigen Schwierigkeiten verbunden war.

Ähnlich wie die meisten orthodoxen Kirchen und Klöster in der Ukraine zum russisch-orthodoxen Patriarchat in Moskau gehören, gehören in Montenegro die meisten Kirchen und Klöster auch nach der Erlangung der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 2006 zur serbisch-orthodoxen Kirche mit Sitz in Belgrad. Montengrinisch-nationalistische Kräfte versuchen, eine montenegrinisch-orthodoxe Kirche als neue Nationalkirche zu etablieren.

Mit einer eigenen Nationalkirche wollen einige auch die alte Monarchie des Hauses Petrović-Njegoš wiedererrichten, das sehr eng mit der montenegrinischen Kirche verbunden war. Sitz des Königs war die Kleinstadt Cetinje, die heute 14.000 Einwohner hat. Sie war bis 1918 auch die Hauptstadt des Mini-Königreichs. Diese Stadt ist bis heute Sitz der serbisch-orthodoxen Kirche. Deren neuer Metropolit für Montenegro musste im September mit Porfirije Peric, dem Patriarchen der gesamten serbisch-orthodoxen Kirche, per Hubschrauber zu seiner Amtseinführung nach Cetinje eingeflogen werden, weil es massive Proteste gegen seine Amtseinführung gab.

Auch in Bosnien-Herzegowina, das unter drei Volksgruppen aufgeteilt ist, brodeln Konflikte aus der Vergangenheit. Das bosnisch-serbische Parlament hat im Sommer bekannt gegeben, sich nicht mehr an einer gemeinsamen bosnischen Armee zu beteiligen. Das kroatische Mitglied des dreiköpfigen Präsidiums, Zeljko Komsic, sprach zwar von einem „Akt der Rebellion“; im Hintergrund betreiben allerdings auch nationalistische Kräfte in Kroatien die Schaffung einer dritten, kroatischen Entität. Übrigbleiben werden nur die muslimischen Bosniaken, die allerdings nur weniger als ein Drittel des Landes kontrollieren.

EU bietet Geld statt Garantien

Am Ende des Sommers eskalierte der Kennzeichenstreit zwischen Kosovo und Serbien. Beide Länder wollten nur noch Fahrzeuge mit dem eigenen Landeskennzeichen die Grenze passieren lassen. Im nördlichen Teil Kosovos, wo die Mehrheit der Bevölkerung kosovo-serbisch ist, hatten daraufhin Angehörige der serbischen Minderheit aus Protest an zwei wichtigen Grenzposten Straßenblockaden errichtet. Die kosovarische und die serbische Regierung brachten Soldaten in die Grenzregion, bevor sich die Gemüter wieder beruhigten. Schließlich wollen beide verfeindeten Länder Mitglied der EU werden.

EU-Mitglieder wie Frankreich, Dänemark und die Niederlande stehen einer neuerlichen EU-Erweiterung Richtung Balkan skeptisch gegenüber. Sie wollen keinen weiteren Staaten ein Vetorecht einräumen, solange sich die jetzigen Mitglieder schon nicht auf gemeinsame Grundlagen in der Außen-, Rechts-, und Migrationspolitik einigen können. Deshalb gibt es vorerst keine Aufnahmeperspektive, aber viel Geld aus Brüssel. In den kommenden sieben Jahren sollen neun Milliarden Euro an Fördergeldern in die Region fließen. Damit hofft Brüssel, dass der Einfluss Russlands, Chinas und der Türkei auf dem Balkan zurückgedrängt wird.


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Kommentare

Valentina Selge am 12.11.21, 18:42 Uhr

Deutschland und Österreich kämpfen noch immer mit neonationalem Gedankengut. Es sind in den Balkanländern ebenso viele schwere Rucksäcke an Propaganda. Ganz Europa muss sich deutlicher den Menschenrechten verpfichten. Religion ist Privatsache und die Religionsfreiheit kann respektiert werden, wenn sie nicht so sehr in die öffentliche Diskussion und das öffentliche Leben rückt. Aber Nebengesetze neben den europäischen Werten, mafiose Strukturen, nationalistische Bestrebungen und Missachtung der Kinderrechte arbeiten dem europäischen Gedanken entgegen. Europa, die alten Länder, die neuen und der Balkan müssen vielmehr tun, um die europäischen Werte, die Menschenrechte und Grundfreiheiten auch den Menschen näherzubringen, diese zu verteidigen und andere Bestrebungen entschieden zurückzudrängen, zumal sie gerade durch Covid-Massnahmen und die Hilflosigkeit im Umgang mit Flüchtlingen überall verloren gehen.

Matthias Görbing am 10.11.21, 06:39 Uhr

Es ist ja für die Nationen der EU ein Segen das diese Länder nicht auch noch Mitglied und somit Nehmerländer der politischen EU werden.
Es besteht absolut keine Sinnhaftigkeit diese Länder aufzunehmen, außer der Ausweitung der politischen und finanzpolitischen Befugnisse der EU. Wobei letztgenanntes für die Nationalstaaten Europas in der EU schon schlimm genug ist.

sitra achra am 09.11.21, 16:45 Uhr

Der Balkan sollte Teil von Eurasien unter russischer Führung sein. Dann werden die aggressiven, mit saudischer Unterstützung gesponserten Moslems vertrieben und ein Migrantenstrom trockengelegt.

Michael Holz am 09.11.21, 14:01 Uhr

Der alte Reichskanzler Bismark soll ja einmal gesagt haben, dass ihm der Balkan keinen Knochen eines preussischen Grenadiers wert sei. Nun ja, "unsere Edelelite" in Brüssel und Berlin sollten sich danach richten. Diese Banausen sind sind ungebildet und fanatisiert, die Welt zu retten, aber an die Geschichte zu denken, geht nicht, weil nicht bekannt.
Wer rettet uns vor den faschistoiden grünroten Weltrettern?

Chris Benthe am 09.11.21, 09:13 Uhr

Das war noch nicht das Ende der Fahnenstange. Ich gehe jede Wette ein, dass erst ein neuer Krieg auf dem Balkan die Verhältnisse zurechtrücken wird, auch, wenn diese Sicht vielen nicht gefällt. Aber von der Laien..pardon, Leyen spaziert ahnungslos in ihrer warmgebrüteten, schöngedachten Welt herum, wie sie es ja aus Deutschland gewohnt ist, als Tochter des Strahlemanns Albrecht aus Niedersachsen, seines Zeichens einmal dortiger Ministerpräsident und damals durchaus beliebt. Auch wir werden wieder lernen müssen, dass man für Freiheit kämpfen muss. Wir verlieren sie nämlich gerade - wieder einmal.

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