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Allenstein

Alter Mord neu aufgedeckt

Veranstaltung und Ausstellung im Museum der Moderne zu einem Verbrechen aus Leidenschaft

Uwe Hahnkamp
19.03.2024

Am Valentinstag geht es um positive Gefühle. Am Tag danach, dem 15. Februar, standen im Museum der Moderne des Städtischen Kulturzentrums in Allenstein die negativen Auswirkungen der Leidenschaft im Mittelpunkt. Im Saal des früheren Trolleybusdepots präsentierte Rafał Bętkowski vom Museum seine Forschungen zum Mord an einem preußischen Offizier an Weihnachten 1907 und präsentierte Zeitungsausschnitte und Ansichtskarten von damals.

Im Vergleich zu Überschriften aus dem 20. Jahrhundert wie „Allenstein-Affäre“ und „Der Weibsteufel von Allenstein“ klingt der Titel des Vortrags von Bętkowski zwar recht harmlos, wechselt aber „Mit ,Exponat der Gefühle. Zwei Männer, eine Frau, Liebe und Blut' – vor allem mit dem Blut –habe ich mehr Interessierte angelockt als gedacht, geben Sie es ruhig zu“, eröffnete er an das Publikum gewandt den Abend. Das verlegene Schmunzeln der über 160 Zuhörer und diese hohe Zahl als solche gaben ihm recht.

Außer der Unterhaltung seiner Gäste hatte Bętkowski noch ein weiteres Ziel. „Ich wollte mit meinem Quellenstudium mit falschen Informationen zu Namen, Ort oder Daten aufräumen, die durch Reiseführer, Zeitungen und das Internet geistern“, stellte der Regionalhistoriker klar. Das Publikum folgte ihm und dem für den Mord zuständigen Polizeikommissar Wannowski aus Berlin durch den bereits 1907 blühenden Dschungel aus Verdächtigungen, Verleumdungen und darunter verborgenen Fakten.

Das Opfer ist der Stabschef des
10. Dragonerregiments Major Franz August von Schoenebeck, der 1908 die Führung des Regiments übernehmen sollte, ein katholischer Offizier im protestantischen Preußen. Beim zweiten Mann und Mordverdächtigen handelt es sich um den Chef der 3. Abteilung des 73. Regiments der Feldartillerie, Hugo von Goeben, der Anfang des Jahrhunderts in Südafrika im Burenkrieg und später auf dem Balkan gekämpft hatte. Die Frau beim Ereignis ist Antoinette von Schoenebeck (siehe auch PAZ Nr. 6 vom 9. Februar), Franz Augusts Ehefrau, Tochter eines Abgeordneten des deutschen Reichstags und Enkelin eines österreichischen Ministers, die 17Jahre jünger ist als ihr Mann. Anlass genug für die damalige Sensationspresse, ihre Stifte zu schärfen.

Die Wahrheit suchen
Kommissar Wannowski traf, so Bętkowski, am 29. Dezember 1907 in Allenstein ein, dem Tag, an dem Schoenebeck beerdigt wurde. Ein Brief von Kapitän Goeben wurde abgefangen, Wohnungen durchsucht und von Goeben wegen des Mordverdachts verhaftet. Am 30. Dezember folgte ein Lokaltermin, am 31. Dezember wurde auch Antoinette von Schoenebeck festgenommen. Ihr wurde Anstiftung und Beihilfe zum Mord vorgeworfen.

Geschehen war der Mord in den frühen Morgenstunden des 26. Dezember. Die Leiche von Major von Schoenebeck fand ein Bursche an der Schwelle zu seinem Zimmer, als er morgens Feuer machen wollte. Bei Schoenebeck wurde ein Dienstrevolver gefunden, daher wurde ein Eindringen durch ein schlecht gesichertes Seitenfenster vermutet, das er bemerkt hatte, der Rest der Familie im Obergeschoss jedoch nicht. Der Hausherr starb an einer Kugel, die in seinen Schädel eingedrungen war; die Tatwaffe wurde jedoch nicht gefunden. Die Konstellation ist die Basis für die bis heute kursierende Geschichte eines „Duells ohne Zeugen“.

„Entgegen anders lautender Berichte geschah die Tat nicht nach dem Abendessen im Casino. Es war die Villa des Majors“, so Bętkowski. Bereits um 1800 gab es hinter der Burg auf der anderen Seite der Alle das Haus eines Justizamtmanns. Dort entstand später die Villa Schoenebeck mit Garten und Park. Nach dem Mord war die im ganzen Deutschen Reich als solche bekannte „Mordvilla“ günstig zu erwerben. Ernst Harich, der Herausgeber der „Allensteiner Zeitung“, kaufte sie und ließ sie umbauen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie lange Zeit Offiziersclub der polnischen Armee. Es bürgerte sich der Name „Casablanca“ ein, das inzwischen hervorragend restaurierte Gebäude ist Sitz des Restaurants gleichen Namens.

Der Tatort im Laufe der Zeit
Die Ermittlungen von Kommissar Wannowski ergaben, dass bei der Tat viele Emotionen im Spiel waren. Der leidenschaftliche Jäger Schoenebeck vernachlässigte seine junge Frau, die Eheleute waren entfremdet, eine Scheidung kam aber nicht in Frage. Die lebenslustige Antoinette suchte sich Liebschaften und traf dann auf Goeben, der sich in sie verliebte. „Wer jetzt Sex and Crime erwartet, wird enttäuscht. Laut Gutachten des Psychiaters hatte von Goeben seit seiner Versetzung nach Allenstein 1906 mit keiner Frau geschlafen. Die Beziehung zu Antoinette wird eher als sadomasochistisch mit ihr als Herrin bezeichnet“, zitierte Bętkowski aus der kriminalistischen Literatur zu dem Fall.

Beide wurden im Januar 1908 ins psychiatrische Landeskrankenhaus Kortau eingewiesen. Goeben schilderte offen die Geschehnisse aus seiner Sicht und nahm sich am 2. März das Leben. Sein Zeugnis wurde jedoch wegen früherer falscher Aussagen zu seiner Karriere von den Verteidigern von Antoinette von Schoenebeck als unzuverlässig gewertet, der Prozess von 1910 gegen sie nach einem Selbstmordversuch eingestellt. Sie heiratete später einen Bankier mit Namen Weber und starb 1931 in Rapallo. Mit ihr endete die verworrene Dreiecksgeschichte, die bis heute fleißig Blüten treibt, die Bętkowski für seine Zuhörer akribisch durchforstet und entwirrt hat.


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