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Bevölkerungsschutz

Am falschen Ende gespart

Gesundheitsdienst oder Feuerwehr: Berlins Krisenvorsorge ist in einem gefährlich desolaten Zustand

Norman Hanert
13.03.2020

Als Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Ende Januar davon sprach, Deutschland sei gut vorbereitet, wenn hierzulande das neue Coronavirus auftreten sollte, kann er dabei kaum die deutsche Hauptstadt im Sinn gehabt haben. Schon lange bevor der Kampf gegen Covid-19 zu einem dringenden Thema wurde, fehlte es in Berlin nicht an Warnungen, dass sich die Gesundheitsämter der Bezirke in höchster Not befinden.

Anlass waren Daten der Senatsgesundheitsverwaltung, laut denen zum Jahreswechsel 2017/18 in den Gesundheitsämtern von 349 Vollzeitstellen für Ärzte 73 unbesetzt waren. Wie eine parlamentarische Anfrage des gesundheitspolitischen Sprechers der AfD-Fraktion, Herbert Mohr, aus dem Februar 2018 zutage förderte, waren einige Bezirke wegen des Personalmangels sogar gezwungen, sich bei ihrer Arbeit nur noch auf Kernaufgaben zu konzentrieren.

Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg berichtet etwa: „Es können grundsätzlich nur die dringlichsten Fälle bearbeitet werden. In bestimmten Fachbereichen wie dem Infektionsschutz besteht ein permanentes Vollzugsdefizit bezüglich der Begehungen medizinischer Einrichtungen.“ Der Bezirk Pankow meldete sogar: „Im Übrigen wird die Wahrnehmung gesetzlich vorgegebener Aufgaben auf das Mindestmaß reduziert.“

Angesichts solcher Zustände fordert Gesundheitspolitiker Mohr eine deutliche Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Dieser sei ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge und müsse „deutlich gestärkt werden, um den Anforderungen der öffentlichen Gesundheit in Zeiten der Globalisierung gerecht zu werden“, so Mohr gegenüber der PAZ.

Krasses Defizit bei Infektionsschutz

Im Kontrast zur Mangelverwaltung bei den Gesundheitsämtern steht die Fülle von Aufgaben: Die Ämter sind für die Reihenuntersuchung von Kindern in Kitas und Schulen und auch für die Betreuung psychisch auffälliger Kinder zuständig. Zudem sollen sie die Hygiene in Krankenhäusern und Asylunterkünften überwachen. Treten ansteckende Krankheiten auf, dann kommt den örtlichen Gesundheitsämtern eine besonders wichtige Rolle zu. Die Ämter müssen dann die Fälle erfassen und auch die Ursachen und Ausbreitungswege ermitteln. Zur Abwendung von Gefahren dürfen die Ämter auch Quarantänen anordnen.

Mit massiven Personalproblemen in den Gesundheitsämtern haben indessen nicht nur einige Berliner Bezirke zu kämpfen. Ute Teichert, die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, bezeichnet den Personalmangel in den Ämtern als ein bundesweites Problem. Als entscheidender Faktor wird immer wieder die Bezahlung genannt: Mediziner, die im öffentlichen Gesundheitsdienst angestellt sind, verdienen im Vergleich zu Krankenhausärzten bis zu 1500 Euro brutto weniger im Monat. Vor diesem Hintergrund schätzt Teicherts Verband, dass in den vergangenen 20 Jahren bundesweit die Zahl der Mediziner in den Gesundheitsämtern um ein Drittel zurückgegangen ist.

In Berlin wird sichtbar, dass nicht nur bei der öffentlichen Gesundheitsvorsorge erheblicher Nachholbedarf besteht. Prekär ist die Lage auch im gesamten Bereich des Katastrophenschutzes.

Von der Politik stark vernachlässigt

Erst vergangenes Jahr haben Hilfsorganisationen mit einer „Rostlauben“-Demo vor dem Berliner Abgeordnetenhaus auf die „prekäre finanzielle Ausstattung des Berliner Katastrophenschutzes“ aufmerksam gemacht. Um den Politikern zu zeigen, wie veraltet beispielsweise der Fuhrpark des Katastrophenschutzes in Berlin ist, fuhren vor dem Landesparlament zum Teil hochbetagte Einsatzfahrzeuge vor. Der älteste Wagen stammte aus dem Jahr 1985, andere Fahrzeuge zum Verletztentransport wurden in den 90er Jahren angeschafft und müssen bald ausgemustert werden. Tatsächlich drängt sich gerade am Beispiel Berlins der Verdacht auf, dass der gesamte Bereich der öffentlichen Gesundheitsvorsorge und des Katastrophenschutzes von der Politik jahrelang unterfinanziert wurde. Gerade weil dieses Vorsorgesystem nicht ständig im Rampenlicht der Öffentlichkeit steht, liegt die Versuchung nahe, hier den Rotstift anzusetzen, wenn gespart werden muss.

Auch Mitarbeiter der Berliner Innenverwaltung sehen bei der Katastrophenschutzvorsorge des Landes das Jahr 2002 als wichtigen Einschnitt an. Das Motto der damals regierenden rot-roten Landesregierung war: „Sparen, bis es quietscht.“ Das seinerzeit ausgegebene Ziel, den Schuldenberg wenigstens etwas abzubauen, haben SPD und Linkspartei allerdings verfehlt. Die langfristigen Folgen der roten Sparpolitik sind in Berlin allerdings bis heute vielerorts bemerkbar.


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