09.07.2025

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„Da muss sich endlich etwas ändern“, scheint Verkehrsminister Schnieder (r.) gegenüber Bahnchef Lutz (l.) deutlich zu machen
Bild: ipicture alliance/dpa /Harald Tittel„Da muss sich endlich etwas ändern“, scheint Verkehrsminister Schnieder (r.) gegenüber Bahnchef Lutz (l.) deutlich zu machen

Deutsche Bahn

Bahnchef stellt horrende Forderungen an Bund

Verkehrsminister Schnieder ist fassungslos, dass 107 Milliarden aus einem Sondervermögen noch nicht genug sind – Wackelt jetzt der Stuhl von Lutz?

Peter Entinger
09.07.2025

Die Deutsche Bahn erhält in den kommenden Jahren insgesamt 107 Milliarden Euro aus einem Sondervermögen des Bundes, um das marode Schienennetz zu modernisieren. Bahnchef Richard Lutz hält diese Rekordsumme dennoch für nicht ausreichend und stellt weitere Forderungen. Im politischen Berlin sorgte das – vorsichtig formuliert – für Irritationen. Der neue Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) zeigte sich jedenfalls fassungslos über diese Haltung.

„Dass wir aus dem Sondervermögen zusätzliches Geld bekommen, ist superklasse“, sagte Lutz gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Dennoch reiche das Geld nach wie vor nicht aus. Den zusätzlichen Investitionsbedarf bis 2029 beziffert Lutz auf rund 45 Milliarden Euro – etwa 17 Milliarden mehr, als bislang vorgesehen. „Ob diese Finanzierungslücke noch geschlossen werden kann, werden die nächsten Monate und Jahre zeigen“, sagte er gegenüber der dpa.

Die Bundesregierung hatte vor wenigen Tagen beschlossen, der Bahn bis 2029 rund 107 Milliarden Euro für Infrastrukturinvestitionen bereitzustellen – deutlich mehr als ursprünglich geplant. Ein Großteil der Summe, nämlich rund 81 Milliarden Euro, stammt aus dem kreditfinanzierten Sondervermögen.

Allerdings sind darin auch Gelder enthalten, die zuvor im regulären Haushalt veranschlagt waren und nun lediglich umgeschichtet werden. Lutz fürchtet daher, dass wichtige Modernisierungsprojekte ohne weitere Zuschüsse auf der Strecke bleiben könnten. Verkehrsminister Schnieder hat dennoch wenig Verständnis für die Klagen des Bahnchefs. „Wir haben bis 2029 Investitionen in die Bahn von etwa 107 Milliarden Euro vorgesehen. Nach meiner Auffassung ist das auskömmlich“, sagte Schnieder gegenüber ntv. Zusätzliche Lücken in der Finanzierung der Bahn könne er aktuell nicht nachvollziehen.

Verspätungsquote ist inakzeptabel
Schnieder stellt vielmehr die Effizienz des bundeseigenen Konzerns in Frage. Angesichts der gewaltigen Summen, die der Bund zuschießt, müsse die Bahn dringend bessere Ergebnisse liefern. Tatsächlich steht der Staatskonzern seit Jahren in der Kritik, weil trotz hoher Investitionen die Qualität für die Fahrgäste zu wünschen übrig lässt. Auch im ersten Halbjahr 2025 waren über ein Drittel aller ICE und Intercity verspätet unterwegs. Nach Bahn-Angaben gingen rund 80 Prozent der Verspätungen auf Probleme mit der Infrastruktur und die zahlreichen Baustellen zurück. Dennoch sind für Bundesminister Schnieder derartige Werte inakzeptabel. Er fordert von der Bahn neben mehr Pünktlichkeit auch spürbare Verbesserungen bei Sauberkeit und Service.

Um die Misere zu beheben, läuft bei der Bahn ein umfangreiches Sanierungsprogramm. In den kommenden Jahren sollen Dutzende stark befahrene Strecken grundlegend erneuert werden. Für diese „Generalsanierung“ werden betroffene Korridore jeweils für mehrere Monate komplett gesperrt. Fahrgäste und Unternehmen müssen währenddessen längere Reisezeiten und Umwege in Kauf nehmen. Ursprünglich sollte dieses Programm bis 2031 abgeschlossen sein, doch vor Kurzem wurde bekannt, dass sich der Zeitplan um vier Jahre nach hinten verschiebt. Die letzte Strecke wird nun voraussichtlich erst 2035 fertig saniert. Kritiker hatten schon länger bezweifelt, dass die Generalsanierung in so kurzer Zeit umzusetzen ist. Im Koalitionsvertrag der Regierung wurde vereinbart, den ehrgeizigen Zeitplan laufend zu überprüfen.

Defizit hat sich leicht verringert
Lutz räumt ein, dass ein Spannungsfeld zwischen „Fahren und Bauen“ bestehe: Ein länger gestreckter Sanierungszeitraum verringere zwar die Belastungen für den laufenden Betrieb, doch verschiebe sich dadurch auch der Zeitpunkt, zu dem eine verlässlichere Infrastruktur zur Verfügung steht. Auch finanziell bleibt die Lage angespannt. Im Geschäftsjahr 2024 verzeichnete die Bahn einen Verlust von rund 1,8 Milliarden Euro. Dank einer Entlastungen des Bundes fiel das Defizit besser aus als 2023, als das Defizit noch ein Minus von 2,7 Milliarden Euro betragen hatte. Der Schuldenberg des Staatskonzerns liegt weiterhin bei über 30 Milliarden Euro. Lutz spricht dennoch von der „größten Krise seit der Bahnreform“ von 1994 und hat ein Sparprogramm inklusive Stellenabbau gestartet.

Bis 2027 will der Konzern wieder deutlich rentabler und pünktlicher werden – anvisiert ist eine Pünktlichkeitsquote von 75 bis 80 Prozent –, doch der Weg dorthin ist weit. In Berlin dürfte man zunehmend ungeduldig werden. Schnieder hat angekündigt, das Unternehmen grundlegend auf den Prüfstand zu stellen. „Dazu gehört dann am Schluss auch die Frage, mit welchem Personal wir das machen“, sagte der Minister. Beobachter deuten dies als Hinweis, dass der Bahnchef selbst nicht mehr tabu ist.


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