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Ein Drehpunkt des Projekts der Neuen Seidenstraße: Wichtige Handelsrouten führen über Aserbaidschan und Georgien
bild: picture-alliance/dpa-infografikEin Drehpunkt des Projekts der Neuen Seidenstraße: Wichtige Handelsrouten führen über Aserbaidschan und Georgien

Georgien

Am Scheidepunkt zwischen Westen und Osten

Nach der „Richtungswahl“ spricht vieles dafür, dass die Regierung in Tiflis sich vom europäischen Weg verabschieden und neue Partner suchen wird

Manuela Rosenthal-Kappi
14.02.2025

Seit der Präsidentenwahl im Oktober kommt Georgien nicht zur Ruhe. Täglich protestieren Menschen in Tiflis und anderen Städten des Landes gegen die als „pro-russisch“ und „EU-feindlich“ empfundene Politik der Regierungspartei „Georgischer Traum“ von Präsident Micheil Kawelaschwili und deren Regierungschef Irakli Kobachidse. Viele befürchten, dass Georgien auf eine Autokratie zusteuert. Dafür spricht ein rigides Vorgehen gegen Oppositionelle mit Verhaftungen, Misshandlungen und hohen Geldstrafen.

Weil die EU als Reaktion auf die Unterdrückung Oppositioneller in Georgien mit Sanktionen gegen Politiker und Diplomaten reagiert hatte, kündigte Kobachidse Ende November an, die Beitrittsgespräche mit der EU bis 2028 auszusetzen. Da aber laut Umfragen 85 Prozent der Georgier einen EU-Beitritt befürworten und der „Georgische Traum“ in Umfragen deutlich verlor, ruderte der Ministerpräsident schnell zurück, indem er sagte, er halte einen EU-Beitritt bis 2030 durchaus für möglich.

Erstmals nicht in Davos
Der Ton zwischen Brüssel und Tiflis wird indessen rauer. Kobachidse wies die Kritik als unbegründet und heuchlerisch zurück. Ungarns Außenminister Peter Szijártó sprang ihm zur Seite, indem er behauptete, Georgien werde nur deshalb ins Visier genommen, weil anstatt liberaler Kräfte eine patriotische und konservative Partei regiere.

Der „Georgische Traum“ wird sich nun eventuell im Osten erfüllen. Tiflis hat erstmals seit seiner Unabhängigkeit nicht am Wirtschaftsforum in Davos teilgenommen und will auch der Münchner Sicherheitskonferenz fernbleiben. Dass die EU ihre Direkthilfen an die Umsetzung demokratischer Reformen knüpft und bereits 121 Millionen Euro zurückgehalten hat, treibt Georgien in die Arme anderer. Die jüngste Hinwendung nach Osten birgt die Gefahr, dass das Land an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien sich gänzlich von der EU abwendet. Zwar ist die Wirtschaft stark vom Westen abhängig, doch das könnte sich bald ändern.

Ende Januar besuchte Kobachidse die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). 2023 hatten Georgien und die Emirate das „Comprehensive Economic Partnership Agreement“ (CEPA) unterzeichnet, das am 27. Juni 2024 in Kraft trat. Zentrales Ereignis des Januar-Treffens Kobachidses mit dem Präsidenten der VAE, Scheich Nahyan bin Mubarak al Nahyan, und Wirtschaftsvertretern war die Unterzeichnung eines Investitionsabkommens in Höhe von sechs Milliarden US-Dollar. Es sieht die Entwicklung multifunktionaler Infrastrukturen in Tiflis und Gonio vor mit dem Ziel, das Wirtschaftswachstum zu fördern, Arbeitsplätze zu schaffen und weitere Investoren anzuziehen.

Georgien kann durch das Abkommen auch sein Exportvolumen steigern. Die VAE haben ihren Markt für georgische Produkte wie Mineralwasser, Honig, Nüsse, Frucht- und Gemüsekonserven geöffnet. Die Abu Dhabi Ports Group hält 60 Prozent der Anteile am Bauprojekt eines Trockenhafens nahe Tiflis. Er soll als Schlüsselinitiative zur Stärkung des Mittleren Korridors werden, der Westasien mit Osteuropa verbindet.

Auch Russland bleibt ein wichtiger Handelspartner Georgiens. Trotz politischer Spannungen stieg etwa der Bierexport von Russland nach Georgien im vergangenen Jahr um gut 40 Prozent. Allerdings will Tiflis die diplomatischen Beziehungen mit Moskau nicht erneuern. Die Erinnerung an den Kaukasuskrieg von 2008 sowie Russlands Unterstützung und Anerkennung der Unabhängigkeit von Georgiens abtrünnigen Republiken Abchasien und Süd-Ossetien ist noch zu allgegenwärtig.

Teil der Seidenstraße
Als Teil der alten Seidenstraße, einem Netz von Karawanenstraßen, deren Hauptroute den Mittelmeerraum auf dem Landweg über Zentralasien mit Ostasien verband, hat Georgien auch eine wichtige Bedeutung bei Chinas Mega-Projekt „one belt, one road“, der Neuen Seidenstraße. China verfolgt mit der Anknüpfung an eine alte Tradition knallharte geostrategische Interessen, und Georgien soll ein Drehkreuz der Handelsroute werden. Für Ankara wiederum ist Georgien ein wichtiges Transitland für aserbaidschanisches Öl in die Türkei.

Mit dem Westen hingegen findet der „Georgische Traum“ keine gemeinsame Sprache. Es liege an der europäischen Bürokratie und der Politik gegenüber Georgien. Würde diese sich ändern, könnte sich auch alles zum Besseren wenden, so Kobachidse.

Während Georgien für westliche Investoren zusehends unattraktiv wird, wachsen die Investitionen aus dem Osten. Weder arabische Scheichs noch die Türken oder die Chinesen hegen dabei besondere Ansprüche an die demokratische Entwicklung Georgiens.


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Kommentare

Gregor Scharf am 14.02.25, 13:18 Uhr

Sie haben es sehr treffend beschrieben. EU-Europäer haben es verlernt, geschäftliche Beziehungen anzubahnen, ohne dafür politische Gegenleistungen zu verlangen. Diese Überheblichkeit muss man sich doch als Herr im eigenen Hause nicht bieten lassen. Macht mit uns Geschäfte oder lasst es, aber kümmert Euch um Euren eigenen Dreck. Hier bei uns sind wir die Hausherren.
So geht man erst einmal respektvoll miteinander um. Alles Weitere ergibt sich im Laufe der Zeit aus den angebahnten Beziehungen. Das sind Interessen geleitete Politik und Wirtschaftsbeziehungen. Der Ansatz Europas ist auf Abzocken und Ausbeuten ausgerichtet. Die sind durchschaut. Endlich. Und deshalb müssen neue, unverbrauchte Gesichter her, Menschen, die wissen, was ein Handschlag wert sein muss.

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