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Ukraine

An Kiew gelieferte Waffen im Darknet angeboten

Der israelische Cybersicherheitsdienstleister KELA berichtet von einem regen Handel im Netz

Wolfgang Kaufmann
27.06.2022

Kriegswaffen können in die Hände von Terroristen oder Schwerkriminellen gelangen. Das zeigen nicht zuletzt die Erfahrungen aus den Konflikten auf dem Balkan sowie im Irak, Syrien und Afghanistan. Und nun sind auch die ersten Angebote im Darknet, also dem nicht so leicht zugänglichen „dunklen“ Teil des Internets, aufgetaucht, die sich auf Kriegsgerät beziehen, das der Westen derzeit in die Ukraine liefert. Die diesbezüglichen Hinweise stammen von dem israelischen Cybersicherheitsdienstleister KELA und wurden im Laufe dieses Monats durch verschiedene Medien aufgegriffen.

Laut den Recherchen von KELA bieten mehrere „Märkte“ innerhalb des Darknet Waffen feil, die aus ukrainischen Beständen stammen sollen. Einer davon ist „Thief“, auf dem es neun Angebote von drei potentiellen Verkäufern gibt. Der erste nennt sich „Weapons Ukraine“ und hat Gewehre, Handgranaten sowie kugelsichere Westen auf seiner Liste bei einer Preisspanne von 1100 bis 3600 US-Dollar. Wie „Weapons Ukraine“ mitteilt, kam es bereits zu 32 Geschäftsabschlüssen. Der zweite Anbieter namens „Big Discounts on Weapons“, der angeblich direkt in Kiew sitzt, verspricht die Lieferung von US-amerikanischen Panzerabwehrlenkwaffen vom Typ FGM-148 Javelin zum Stückpreis von 30.000 Dollar. Und die Produktpalette des dritten Anbieters „Black Market Guns“ umfasst unter anderem schwedische NLAW-Panzerabwehrraketen für je 15.000 Dollar und US-amerikanische Kamikaze-Drohnen vom Typ AeroVironment Switchblade (Sprungmesser) für 7000 Dollar.

Pentagon sieht eine Kampagne

Drei Erklärungen scheinen möglich. Zum Ersten könnte es sich um Einzelfälle handeln, um Waffen, die von kriminellen Militärs oder anderen Einzelpersonen abgezweigt wurden, bevor sie an die Front gelangten. Zum Zweiten könnten systematische Waffenschiebereien im größeren Ausmaß stattfinden, an denen etliche hochrangige Offiziere und Zollbeamte beteiligt sind. Immerhin müssen die „Lieferungen“ ja irgendwie aus der Ukraine herausgelangen. Es ist zum Dritten aber auch denkbar, dass hier Betrüger am Werk sind, die gar nichts anzubieten haben, oder aber eine vom russischen Geheimdienst initiierte Desinformationskampagne dahintersteckt, deren Ziel darin besteht, den Westen von weiteren Waffenlieferungen an die Ukraine abzuhalten. Letzteres behauptete naheliegenderweise der Pentagon-Sprecher Eric Pahon im Interview mit „Fox Business“.

Allerdings meinen die KELA-Mitarbeiter, dass die Angebote tatsächlich von Anbietern in der Ukraine erstellt wurden. Darüber hinaus ist das osteuropäische Land schon seit 2014 für das massenhafte Verschwinden von Kriegswaffen bekannt. So gingen während der Kämpfe gegen die prorussischen Separatisten in den Verwaltungsbezirken Donezk und Lugansk innerhalb von nur zwei Jahren 300.000 Handfeuerwaffen „verloren“, von denen lediglich 4000 wieder auftauchten.

Daher ertönen nun etliche besorgte Stimmen. „Da sind wirklich beachtliche Risiken mit diesen Waffenlieferungen in die Ukraine verbunden“, stellte Nils Duquet, der Direktor des Flemish Peace Institute, gegenüber dem Fernsehsender France24 fest.

„Wie in Lateinamerika“

Und auch der Generalsekretär der Internationalen kriminalpolizeilichen Organisation (Interpol) und die Vorsitzende des Europäischen Polizeiamtes (Europol), Jürgen Stock und Catherine De Bolle, zeigten sich alarmiert, wobei die beiden fürchten, dass wir das Schlimmste noch vor uns haben, wenn denn dann irgendwann die Kampfhandlungen beendet sind. Stock sagte, erst wenn an der Front Ruhe herrsche, würden die Kriegswaffen als illegale Waffen auf den Schwarzmarkt gelangen. „Das kennen wir von vielen anderen Konfliktschauplätzen.“ De Bolle wiederum verglich das dann zu erwartende Niveau der Gewalt in Europa mit dem in jenen lateinamerikanischen Staaten, die momentan als absolute Hochburgen der Kriminalität gelten.

Wenn die von KELA entdeckten Angebote authentisch sind, könnte der Krieg auf unseren Straßen aber auch schon in näherer Zukunft beginnen. Aber egal, wann es losgeht, für die Sicherheitskräfte ergeben sich auf jeden Fall ganz neue Herausforderungen. Schließlich hätten selbst die professionell trainierten und ausgerüsteten Sondereinsatzkommandos der Polizei kaum eine Chance auf dem „Gefechtsfeld“, wenn sie plötzlich auf entschlossene Personen mit Panzerabwehrlenkwaffen und Kamikaze-Drohnen treffen. Dann könnten sich die Einsatzfahrzeuge der Elitepolizisten binnen Sekunden in Schrotthaufen verwandeln, während eventuelle Überlebende hilflos zusehen müssten, wie Attentäter ein Blutbad anrichten oder Mafiosi ihren kriminellen „Geschäften“ nachgehen.

Polizeigewerkschaft warnt

Und es sollte sich niemand der Illusion hingeben, dass die Anforderungen beim Umgang mit hochtechnologischen Kriegswaffen die Fähigkeiten von Kriminellen oder Terroristen übersteigen. Wie der bayerische Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Jürgen Köhnlein, unlängst enthüllte, weilen „Extremisten jeglicher Couleur“ bereits seit Monaten in der Ukraine, um sich mit Javelin, NLAW und Switchblade vertraut zu machen.


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Kommentare

Eric Boule am 05.07.22, 08:13 Uhr

Die kommenden 10 Jahre ist die Nato kastriert,Waffen sind i/d Ukraine verschenkt.Vielleicht kann man sie aber am Schwarzmarkt wieder zurueckkaufen,mit Aufschlag natuerlich.In den naechsten 10 Jahren kann die NATO nicht an Krieg denken,ohne genuegend wichtige Waffen,und Soldaten alleine genuegen nicht.Oder….wird Putin…zusammen mit Zelenski Waffenhandel….Nein so dumm sind unsere EU-Politiker doch nicht?? Schliesslich ist Zelenski Schauspieler von Beruf

Ralf Pöhling am 29.06.22, 17:07 Uhr

@sitra achra Wenn Sie mal in die Schweiz schauen, werden Sie derartiges dort in der Tat vorfinden. Da stehen Haubitze und Flak mitten im Dorf, wenn auch gut getarnt. Für den Anfang würde mir aber eine flächendeckende Verteilung von Zimmerflaks im zivilisierten Volk schon genügen.

sitra achra am 28.06.22, 15:52 Uhr

"In einer funktionierenden Gesellschaft sollten die zivilisierten und rechtstreuen Bürger immer besser bewaffnet sein als das kriminelle Volk."
Genauso soll es sein, lieber Ralf Pöhling!
Ich bestell' dann schon mal eine Panzerhaubitze 2000, dieses coole Ding.

Ralf Pöhling am 27.06.22, 17:14 Uhr

Das ist mit Sicherheit keine "russische Desinformationskampagne", wie es da aus dem Pentagon tönt. Entweder arbeiten im Pentagon Idioten, was ich nicht glaube, oder man hält dort die Hand über versteckte wirtschaftliche Interessen. Dass Waffenlieferungen in Krisengebiete irgendwo an anderer Stelle wieder auftauchen, ist nicht nur zu erwarten, es ist normal und ein bekannter Effekt. Sofern Waffen während oder nach Ende der Kampfhandlungen nicht zerstört werden, bleiben sie weitgehend intakt und im Umlauf. Das war bereits im Jugoslawienkrieg sehr gut zu beobachten und auch vor kurzem in Afghanistan. Und wenn diese Waffen weiterhin im Umlauf sind, dann werden sie natürlich ausschließlich schwarz gehandelt und gelangen so ausschließlich in die Hände von Kriminellen und Terroristen, denn legal an zivile Bürger kann man Kriegswaffen ja nicht verkaufen. Also geht das unter der Hand in die falschen Hände. Die Machtbalance zwischen friedlichen zivilen Gesellschaften und kriminellen bzw. revolutionären Parallelgesellschaften gerät so unweigerlich außer Kontrolle und das Land verwandelt sich in eine kaputte Gesellschaft, die von "Outlaws" dominiert wird. So wie auch in Südamerika. Man denke dabei insbesondere an solche Extreme wie Venezuela oder auch El Salvador, wo von einem funktionierenden Staatswesen kaum noch gesprochen werden kann, weil die Tötungsrate vollkommen aus dem Ruder läuft.
In einer funktionierenden Gesellschaft sollten die zivilisierten und rechtstreuen Bürger immer besser bewaffnet sein, als das kriminelle Volk. Faktisch unkontrollierte Waffenlieferungen in Krisengebiete sorgen genau für das Gegenteil. Nicht sofort, aber im Nachgang, denn die Waffen lösen sich ja nicht einfach in Luft auf und haben kein Verfallsdatum. Sie verschwinden einfach nur aus dem Blickfeld und gelangen dann unweigerlich in die Hände von Kriminellen und Terroristen. Und das in Zeiten eines globalen Marktes natürlich international. Was dann die Machtbalance in allen davon betroffenen Ländern verschiebt, weil das zivile Volk in bisher stabilen Ländern meist unbewaffnet daherkommt und die Kapazität des Sicherheitsapparates eben begrenzt ist. Wenn Kriminelle und Terroristen durch illegalen Waffenhandel dann die militärische Überhand gewinnen, kippt irgendwann unweigerlich die Gesellschaft.
In der von vornherein knallhart bewaffneten Schweiz läuft das aber seit jeher genau anders herum: Da werden die Waffen nicht etwa in rauen Mengen unkontrolliert an Kriminelle und Terroristen verteilt, sondern nur legal(!) und kontrolliert(!) ans zivilisierte und militarisierte Volk. Was dann dafür sorgt, dass die Anständigen im Land gegenüber den Problemfällen immer den Rüstungsvorteil haben, was ausufernde Kriminalität und Terrorismus sehr effektiv verhindert. Wer die Schweiz kennt, der weiß, dass die Schweiz ein Ort der Ruhe und des Wohlstandes ist. Und der massive Ausschlag in der bewaffneten Machtbalance zugunsten des anständigen Volkes, spielt dabei die entscheidende Rolle. Die Schweiz mittels illegalem Waffenhandels in kriminellen Strukturen zu destabilisieren, dürfte ein Ding der Unmöglichkeit sein, da das gutbürgerliche Volk dort in der Breite so massiv bewaffnet ist, dass die Machtbalance dort immer zugunsten des zivilisierten Volkes ausschlagen wird. In den USA klappt das nicht ganz so gut, weil die Kontrolle da nicht gegeben ist. In Deutschland auch nicht, weil hier das zivile Volk bewusst unbewaffnet gehalten wird, während man den illegalen Waffenhandel kaum noch eingedämmt bekommt. Insofern ist schon absehbar, dass sich Deutschland in absehbarer Zeit ähnlich entwickeln wird wie Südamerika. Es sei denn, wir orientieren uns endlich an den Schweizern und rüsten das zivilisierte Volk kontrolliert auf.

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