19.04.2025

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Bundespräsident Steinmeier zu Besuch in Baku, wo er Aserbaidschans Autokraten Alijew als „lieben Kollegen“ bezeichnete
Bild: picture alliance/dpa | Bernd von JutrczenkaBundespräsident Steinmeier zu Besuch in Baku, wo er Aserbaidschans Autokraten Alijew als „lieben Kollegen“ bezeichnete

Kaukasus

Armenien bangt um seine Existenz

Von wegen „Durchbruch“: Friedensdiktat von Aserbaidschan zwingt den Nachbarn in die Knie

Bodo Bost
18.04.2025

Im Kaukasus spielt sich zwischen Armenien und Aserbaidschan gerade das spezielle Szenario ab, das der Westen im Falle der Ukraine bislang verhindern wollte. Dass nämlich Russland als Angreifer und Kriegstreiber obendrein auch noch für seine Aggressionen belohnt wird und der Ukraine einen „Friedensvertrag“ regelrecht aufoktroyieren kann.

Genau dies aber hat Bundespräsident Frank Walter Steinmeier jetzt bei seinem Staatsbesuch in Baku unverständlicherweise als einen „Durchbruch“ im Kaukasus bezeichnet. Nach zwei von Aserbaidschan gewonnen Kriegen und Vertreibungen von 100.000 Armeniern aus ihren historischen Siedlungsgebieten in Karabach bezeichnet Deutschlands Staatsoberhaupt unnachvollziehbar diesen unnormalen Zustand als „Normalisierung“, der den Frieden zwischen den jahrhundertelang verfeindeten beiden Nationen sichern soll.

Der Konflikt im Kaukasus, der politisch nicht gelöst werden kann, weil die stärkere Seite bisher nicht zu Zugeständnissen bereit ist und weiter mit Krieg droht, soll zumindest rhetorisch beigelegt werden.

Aber der Frieden ist mehr als bloße Rhetorik, auch wenn sich diese bei Staatsbesuchen besser verkündigen lässt. Alles weist jedoch darauf hin, dass eine Friedenslösung im Südkaukasus viel weiter entfernt ist, als es auf den ersten Blick scheint. Denn während Armenien seit zwei Jahren immer neue Zugeständnisse macht, formuliert Baku wiederum immer neue Forderungen.

Von Russland verraten
Militärisch kann sich Armenien gegen das rohstoffreiche und mit russischen, türkischen und israelischen Waffen sowie Geld hochgerüstete Aserbaidschan – anders als im Krieg Anfang der 1990er Jahre, als auf beiden Seiten sowjetische Waffen für ein Gleichgewicht sorgten – nicht mehr behaupten. Daran zweifelt in Eriwan und im Westen niemand mehr.

In zwei Militäroperationen 2020 und zuletzt 2023 holte sich Baku die mehr als 30 Jahre lang von Armeniern selbstverwaltete Provinz Bergkarabach mit Waffengewalt zurück und vertrieb etwa 100.000 dort seit Jahrhunderten lebende Armenier. Die Karabach-Vertriebenen bilden jetzt den sozialen Sprengstoff in Armenien, der das Land nicht mehr zur Ruhe kommen lässt. Dabei hat es Armenien nicht mehr nur mit den beiden türkischen Nachbarstaaten zu tun, die das Land lieber heute als morgen von der Landfläche verdrängen wollen, auch Russland hat das Land 2023 gegen den gemeinsamen Angriff der türkischen Bruderstaaten im Stich gelassen, obwohl Armenien der Moskau-geführten Militärallianz OVKS angehört, woraufhin auch Armenien seit 2024 seine Verpflichtungen aus diesem militärischen Bündnis ruhen lässt.

Neuer Aspirant als Gaslieferant
Anders als Georgien, das 2024 die Annäherung an den Westen beendet hat, ohne sich der von Moskau geführten Militärallianz OVKS anzuschließen, fühlt sich Armenien jedoch immer mehr dem Westen zugehörig. Es hätte auch noch gesicherte Grenzen, denn Aserbaidschan hält seit dem Waffenstillstand von 2023 „nur“ 200 Quadratkilometer armenisches Territorium besetzt, aber immerhin hat sich Aserbaidschan bislang noch nicht den Durchbruch von seinem Stammland zu seiner Exklave Nachitschewan mit Gewalt geholt, etwas, was in Armenien fast jeder erwartet. Da diesen Durchbruch der Iran in seinem Grenzgebiet nie erlauben würde, wird es bald in der Mitte diesen besagten Durchbruch geben, der zwei verkleinerte, unverbundene armenische Staatengebiete hinterlassen wird, die nach Jahren des Aushungerns sicher auch, wie Karabach, wie reife Früchte, in die Hände Aserbaidschans fallen werden. Nur, wo sollen dann die heute noch drei Millionen Armenier hinflüchten?

Steinmeier bezeichnete den Oligarchen und Autokraten Alijew, der seine Frau, ein Ex-Modell, zur Vizepräsidentin gemacht hat, als einen „lieben Kollegen“. Das allein war schon befremdlich. Aserbaidschan ist infolge Putins Gas-Abschaltung zu einem aufstrebenden Gaslieferanten für die EU avanciert, deutsche und europäische Unternehmen buhlen um die Gunst Alijews. In Armenien bereitet man sich dagegen auf den nächsten Waffengang vor, indem man von allen neuen Militär-Rekruten Samenproben entnimmt, sodass im Todesfall im Verteidigungskrieg zumindest überlebende Frauen Nachkommen von Opfern austragen könnten.

Diese Chance hatten die 1,5 Millionen ermordeten Armenier zwischen 1915 und 1917 nicht, die Opfer des von türkischen Osmanen ausgerufenen Völkermords wurden. Rund 1300 Jahre Nachbarschaft mit Muslimen haben in Armenien inzwischen Folgen und eine Überlebensstrategie hinterlassen.


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