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Persönlichkeit

Auf Berthold Beitz’ Spuren in Pommern

Der weltweit aktive Wirtschaftsmagnat vergaß seine Heimat Pommern nie

Brigitte Klesczewski
25.09.2023

Berthold Beitz wurde in Zemmin am 26. September 1913 als Sohn eines Ulanenwachtmeisters und späteren Reichsbankobersekretärs geboren. Zemmin liegt im Landkreis Vorpommern-Greifswald und gehört zur Gemeinde Bentzin im Amt Jarmen-Tutow. Zemmin wurde am 14. Februar 1305 das erste Mal urkundlich erwähnt, als der Bischof Heinrich von Kammin Zemmin sowie die Stadt Jarmen für 3000 Mark an den Pommernherzog Otto verkaufte.

Zemmin war ein Gutsdorf. Die Familie des letzten Gutsbesitzers von Sobeck hatte den Ort im 19. Jahrhundert von der Familie von Parsenow übernommen. Durch die Enteignung der Gutsbesitzer und die Neuverteilung ihrer Ländereien nach dem Zweiten Weltkrieg hatte die 1946 in Zemmin stattfindende Bodenreform den größten Einfluss auf die Entwicklung des Ortes, denn 30 Prozent der Häuser stammen aus der Nachkriegszeit. Die Dorfkirche kommt aus dem 15. Jahrhundert, das Mausoleum der Familie von Sobeck aus dem 19. Jahrhundert.

Spuren der Erinnerung
Beitz blieb zeitlebens seinem Geburtsort verbunden. Die Restaurierung der Kirche wurde ermöglicht durch die Förderung des Ehrenbürgers von Zemmin, Prof. Dr. h.c. mult. Berthold Beitz. Vom Ortseingang führt eine nach Beitz benannte Straße bis zum See an der Kirche.

Nach dem ersten Weltkrieg nahm der Vater von Beitz zunächst eine Stelle beim Finanzamt in Demmin an und wechselte 1925 in die Reichsbankfiliale in Greifswald. Hier besuchte Berthold die dortige Kaiserin-Auguste-Viktoria Oberschule und legte dort das Abitur ab. Er wurde in der Nikolaikirche, einem gotischen Backsteinbau mit Barockhaube am Turm, 1927 konfirmiert.
Nach dem Abitur absolvierte er eine Banklehre in Stralsund und arbeitete danach als stellvertretender Bankfilialleiter in Demmin. Trotz verlockender beruflicher Aussichten engagierte sich der junge Beitz nicht bei den 1933 an die Macht gekommenen Nationalsozialisten.

Im Jahr 1939 bewarb sich Beitz bei der Royal Dutch Shell, deren deutsche Tochter in Hamburg als Rhenania-Ossag-Mineralölwerke firmierte. Sein Schreibtisch befand sich in der Revisionsabteilung im vierten Stock des Shell-Hauses am Ufer der Außenalster. Auf dem firmeneigenen Tennisplatz an der Alster lernte er eine Kollegin kennen, die als Sachbearbeiterin in der Abteilung Zentrale Kalkulation und Statistik beschäftigt war, Else Hochheim, sieben Jahre jünger als Berthold, seine spätere Ehefrau.

In Galizien für Raffinerien zuständig
Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen 1939 in Polen im Zweiten Weltkrieg erkannte das Oberkommando des Heeres, wie wichtig für die Treibstoffversorgung der Militärfahrzeuge die galizischen Ölfelder waren. Es wurden Fachleute gesucht, die Förderanlagen und Raffinerien verwalten konnten. Beitz wurde gefragt, ob er sich diese Aufgabe zutraue. So kam er 1939 zur Beskiden-Erdöl AG nach Jaslo Polen. Bevor er seinen Dienst antrat, heiratete er Else Hochheim. Es wurde ein Bund fürs Leben.

Seinen weiteren Berufsweg prägten die Geschehnisse des Zweiten Weltkrieges. Die Familie Beitz lebte seit Juli 1941 im ostgalizischen Erdölgebiet, wo Beitz als kaufmännischer Leiter in Boryslaw eingesetzt war. Mit der Wehrmacht und den Öl-Spezialisten kam auch die Sicherheitspolizei nach Boryslaw. Beitz sah, wie die Karpathen-Öl AG eigene Arbeitslager einrichtete, deren Insassen überwiegend Juden waren und der SS-Willkür ausgesetzt waren. In seiner Position als kaufmännischer Leiter rettete er viele jüdische Arbeiter vor der Deportation ins Konzentrationslager und legte das moralische Fundament seiner späteren engen politischen und wirtschaftlichen Arbeit in den Ostblockländern.

1942 denunzierte ihn ein Mitarbeiter beim Sicherheitsdienst in Breslau. 1944 musste Beitz als Soldat an die Front. Im Jahr 1945 gehörte er zu den Überlebenden des Krieges. 1946 berief ihn die britische Besatzungsbehörde als Vizepräsidenten in das Zonenaufsichtsamt für das Versicherungswesen. Man machte ihn 1949 zum Vorsitzenden des Vorstandes der Iduna-Germania-Versicherungen in Hamburg, deren günstige Nachkriegsentwicklung vor allem seiner Initiative zu verdanken war. Bis 1953 machte er die Iduna-Germania zum viertgrößten Versicherungskonzern.

Von Alfried Krupp gerufen, von Israel geehrt
Im selben Jahr holte ihn der Industriemagnat Alfried Krupp von Bohlen und Halbach als seinen Generalbevollmächtigten nach Essen für ein Jahresgehalt von einer Million D-Mark. Nach Krupps Tod 1967 wurde der Konzern unter der Leitung von Beitz der Zeit entsprechend umstrukturiert und neu organisiert. Nach dem Erbverzicht von Krupps Sohn erfolgte die Umwandlung der Firma in eine Kapitalgesellschaft als Voraussetzung für die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. Das Konzern- wie auch das Privatvermögen ging auf die Stiftung über, die als Aufgabe die Förderung von Kultur, Bildung, Sport, Wissenschaften, Forschung und Lehre hat. Beitz wechselte in das Kuratorium der Stiftung, dessen Vorsitzender er wurde. 1970 übernahm er den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden der Alfried Krupp GmbH. Nach Niederlegung dieser Funktion blieb er Ehrenvorsitzender der Gesellschaft.

Auf vielen Reisen, auch in die UdSSR und China, wurde er ein guter Botschafter für die Bundesrepublik. Hierfür erhielt er 1973 das Bundesverdienstkreuz mit Stern. Im Februar 2000 ehrte der Zentralrat der Juden Beitz und seine Frau mit dem Leo-Baeck-Preis. Er wurde ebenfalls vom Staat Israel mit dem Ehrentitel „Gerechter der Völker“ ausgezeichnet. Auch Polen verlieh dem Deutschen den höchsten polnischen Zivilorden.

Pommern zeitlebens verbunden 

Seiner pommerschen Heimat, speziell der Universitätsstadt Greifswald, blieb er zeitlebens verbunden. Am neuen Campus der Universität wurde ein Platz nach ihm benannt. Die Universität Greifswald zeichnete ihn mit der Ehrendoktorwürde aus. Auch wurde er zum Ehrenbürger der Hansestadt Greifswald ernannt.

Beitz starb zwei Monate vor seinem 100. Geburtstag am 30. Juli 2013. Die „Pommersche Zeitung“ setzte einen Nachruf in ihre Zeitung. Sie betonte seine Zivilcourage, die er unter Beweis stellte, als er im Krieg als Kaufmännischer Leiter der Erdölfelder von Boryslaw/Ukraine hunderten jüdischen Arbeitern und deren Familienangehörigen das Leben rettete. Man vergaß auch nicht zu erwähnen, dass er an der Rettung des Eisbrechers „Stettin“ beteiligt war und den Bau des Pommernzentrums förderte. Für seine kulturellen Verdienste um Pommern erhielt er 1978 die Große Ernst-Moritz-Arndt-Medaille.

Wurde Beitz von Reportern gefragt: „Was glauben Sie, wie sind gesellschaftliche Ungerechtigkeiten zu beseitigen?“, kam stets die Antwort: „Ich bin geboren auf dem Lande in einem kleinen Haus. Ich bin bis zum siebten Lebensjahr barfuß gelaufen. Ich habe gearbeitet, habe versucht, etwas zu werden, habe mich angestrengt und habe selbst dadurch die gesellschaftliche Ungerechtigkeit beseitigt.“


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