Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Es dauerte über 300 Jahre, bis sich der Hexerei beschuldigte Frauen endlich gegen ihre verblendeten Kläger zur Wehr setzen konnten
Zwischen 1440 und 1750 wurde Europa von einer unmenschlichen Massenhysterie erfasst, die aus der Furcht vor Zauberei beziehungsweise Hexerei resultierte und nur zum Teil in religiöser Besessenheit sowie übertriebener Frömmigkeit wurzelte. Vielmehr spielte ebenso die überaus prekäre Lebenssituation der Mehrheit der Bevölkerung eine Rolle: Die Menschen litten unter den ständigen Kriegen, tödlichen Pestwellen, heftigen Naturkatastrophen und entmutigenden Missernten während der „Kleinen Eiszeit“ und suchten entsprechend nach Sündenböcken dafür. Dabei fanden aus diesem Grund auch in Ostpreußen mindestens 359 durch Quellen belegte Hexenprozesse statt, an deren Ende in 164 Fällen die Hinrichtung der Beschuldigten durch Verbrennen, Erhängen oder Enthaupten stand.
Zu den frühesten derartigen Verfahren gehörte das gegen eine gewisse Wartenbergerin aus Braunsberg. Sie kam im Jahr 1448 allerdings noch mit einer Verbannung davon. Weniger Glück hatte hingegen eine Frau, die am 5. Juni 1524 als erste Königsberger „Hexe“ auf dem Scheiterhaufen endete. Ihr war zur Last gelegt worden, dem angesehenen Bürger Bartholemäus Götz per Hexenfluch „eine Krankheit gebracht“ zu haben.
Vervierfachung der Prozesse
Auch die Einführung der Reformation in Ostpreußen und die Umwandlung des Ordensstaates in ein weltliches Herzogtum änderte nichts an der Praxis der Hexenverfolgung. 1525 erließ Herzog Albrecht von Preußen sogar eine Landesordnung, in der er seinen Beamten sowie dem Adel und den Stadträten auftrug, jeden, der „Zauberei“ betreibe, gnadenlos hart zu bestrafen. Dies war nicht zuletzt die Reaktion auf den Umstand, dass im Volk nach wie vor unerwünschten magischen Praktiken der „heidnischen“ Prußen gehuldigt wurde. Dennoch sind aus dem 16. Jahrhundert nur 64 Hexenprozesse in Ostpreußen überliefert, während deren Zahl im 17. Jahrhundert auf 281 stieg. Maßgeblich verantwortlich hierfür war ein Erlass des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm aus dem Jahr 1679, der die unnachsichtige Verfolgung aller Hexen in seinem Machtbereich forderte und dem unter anderem die Witwe Anna Bergau aus Groß Lauth im Kreis Preußisch Eylau zum Opfer fiel.
In ihrem Prozess, der am 22. Januar 1686 begann, traten zahlreiche Belastungszeugen auf. So beklagte der Hirte Wilhelm Schulter die „Verhexung“ seiner Augen durch die Angeklagte. Anschließend berichtete die Müllersfrau Katharina Steinhagen über einen Vorfall am Weihnachtsabend 1684. Nachdem sie sich geweigert habe, der Bergau Bier zu geben, sei ihr Hund krank geworden. Und am Neujahrstag 1685 habe das Abschlagen der Bitte der „Hexe“ um etwas Pfefferkraut dazu geführt, dass das Auge des Müllers „sehr schlimm geworden“ sei. Die Gärtnerin Barbara Hübner wiederum beschrieb die „Verhexung“ ihres Gutsherrn Leutnant von Ripp. Infolge des Zaubers „empfand er ein großes Zittern in allen Gliedern und war mehr tod als lebendig“. Als weiterer Zeuge agierte Jacob Bergau, der Sohn der Angeklagten. Der Sechsjährige erzählte von ominösen nächtlichen Besuchen bei seiner Mutter durch einen „schwarzen Kerl“ namens Johannes.
Als der schwarze Geist kam
Anna Bergau beteuerte unablässig ihre Unschuld; in den Gerichtsakten wird sie deshalb als „halsstarrig“ beschrieben. Am Ende legte die Angeklagte dann jedoch am 20. März 1686 ein Geständnis ab, in dem sie ihrer drei Monate zuvor in Mülhausen als Hexe verbrannten Mutter Else vorwarf, aus Boshaftigkeit den Geist Johannes zu ihr geschickt zu haben, woraufhin es zu wiederholten sexuellen Kontakten mit der übernatürlichen Erscheinung und der Geburt mehrerer schwarzer Kinder gekommen sei. Nach dieser vermutlich mittels Folter erzwungenen Aussage wurde Anna Bergau im Frühjahr 1686 wegen „ihrer grausamen begangenen Teuffeley ... mit dem Feuer vom Leben zum Tode condemniret und verdammet“. Sie brannte lichterloh auf dem Scheiterhaufen.
Später traf es dann in Brandenburg-Preußen unter anderem noch die ganz offensichtlich psychotische 15jährige Dienstmagd Dorothee Elisabeth Tretschlaff, die der „Buhlschaft“ mit dem Teufel bezichtigt und deshalb am 17. Februar 1701 enthauptet wurde. Ihr Fall bewog den Hallenser Rechtsgelehrten Christian Thomasius zur Abfassung seiner Schrift „De crimine magiae“, in der er den Hexenglauben als katholische Irrlehre brandmarkte und die Notwendigkeit einer staatlichen Hexenverfolgung bestritt: „Die Fürsten haben nicht die Pflicht, Seelen zu retten, sondern Frieden zu stiften.“
Erlösendes Edikt des Königs
In Reaktion hierauf erließ der „Soldatenkönig“ Friedrich Wilhelm I. am 13. Dezember 1714 das „Edikt wegen Abstellung der Mißbräuch bey denen Hexen Prozessen“, in dem er jedwede „peinliche Befragung“, Aburteilung und Hinrichtung von Hexen von seiner ausdrücklichen persönlichen Erlaubnis abhängig machte. Danach kam es kaum noch zu Verfahren gegen angebliche Hexen, weil der Monarch fast alle Anträge auf die Eröffnung eines solchen wiederum strikt ablehnte. Im Gegenteil: Denn nun konnten endlich der Hexerei beschuldigte Frauen ihre Widersacher wegen Verleumdung verklagen.
Oft heißt es, die letzte Hexe, die in Ostpreußen auf dem Scheiterhaufen endete, sei die Schäferin Barbara Zdunk gewesen. Deren öffentliche Hinrichtung in Rößel am 21. August 1811 erfolgte jedoch nicht wegen Hexerei, sondern als „spiegelnde Strafe“ für Brandstiftung beziehungsweise „Mordbrennerey“, wie man das Delikt damals nannte.