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Das Ende eines Moralisten – Vor 50 Jahren starb mit Erich Kästner ein Vertreter der „Inneren Emigration“
Als Erich Kästner am 29. Juli 1974 in München starb, erinnerte man sich an einen Autor, der seine schriftstellerischen Meriten bereits ein halbes Jahrhundert zuvor eingefahren hatte. Die 20er Jahre waren die Zeit, in der er sich als scharfzüngiger Moralist, feinsinniger Spötter und stets anteilnehmender Humanist einen Namen machte. Seitdem darf er zu Recht als Klassiker bezeichnet werden.
Bis heute wird der Kästner der Weimarer Zeit gelesen und zitiert („Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es“). Und verfilmt. Vor drei Jahren brachte Dominik Graf den Roman „Fabian oder Der Gang vor die Hunde“ auf die Kinoleinwand, und im vergangenen Jahr gab es die bereits vierte Filmfassung seines Kinderbuchs „Das fliegende Klassenzimmer“. Jenes ist 1933 erschienen. Das Jahr der „Machtergreifung“ markiert auch das Ende des „Klassikers“ Kästner.
Bei den Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 gingen bis auf „Emil und die Detektive“ auch Kästners Werke im Feuer auf. Ein Lyriker, der einst Goethe im pazifistischen Ton umdichtete mit „Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn“ und der vor allem wegen seines sozialkritischen Berlin-Romans „Fabian“ als „Asphaltliterat“ denunziert wurde, konnte den neuen Machthabern nicht geheuer sein. Anders als Tucholsky, Brecht oder Anna Seghers schlug er sich jedoch nicht auf die Seite der Kommunisten. „Ich hasse Ideologien, welcher Art auch immer sie sein mögen“, bekannte der gebürtige Dresdener. So saß er nach 1933 als „überzeugter Individualist“ zwischen allen Stühlen. Da eine Emigration für ihn nicht in Frage kam, flüchtete er sich in die „Innere Emigration“ und teilte damit das Schicksal vieler bis dahin namhafter Autoren wie etwa des Ostpreußen Ernst Wiechert, ohne dabei in die opportunistische Gesinnung eines Gottfried Benn zu geraten, der sich eine Zeit lang mit den Nationalsozialisten gemein machte.
Kästner durfte während der NS-Zeit weiter schreiben, aber nicht in Deutschland publizieren. In den 1930er Jahren erschienen von ihm heitere, unverfängliche Romane wie „Drei Männer im Schnee“ oder seine Gedicht-Anthologie „Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke“ in der Schweiz. Bis 1943 konnte er sich sogar mit Ufa-Filmproduktionen über Wasser halten. So verfasste er unter Pseudonym das Drehbuch zum „Münchhausen“-Film mit Hans Albers.
Nach 1945 hätte Kästner die Möglichkeit gehabt, wieder an seine früheren Erfolge anzuknüpfen. Doch der scharfsichtige Gesellschaftskritiker von einst fand keine Bühne mehr, auf der er brillieren konnte. Der Krieg, die von ihm selbst miterlebten Luftangriffe, der Holocaust – über all das konnte er nicht lachen.
Noch einmal flüchtete er sich in die Welt der Kinder. 1949 erschienen die Parabel „Die Konferenz der Tiere“ und „Das doppelte Lottchen“. Beides kann man als verzweifelte Versuche ansehen, die Welt wieder ein wenig in Ordnung zu bringen: Die Tiere organisieren einen Weltfrieden und die Zwillinge die Versöhnung ihrer entzweiten Eltern. Doch es ist und bleibt alles Utopie. Seinen autobiographisch gefärbten Roman „Fabian“ untertitelte Kästner mit der Zeile: „Die Geschichte eines Moralisten“. Am Ende blieb bei ihm die dichterische Erkenntnis zum Moralisten: „Sein angestammter Platz ist und bleibt der verlorene Posten.“