02.07.2025

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Letztes Aufgebot einer einst großen Partei: Lars Klingbeil und Bärbel Bas
Bild: imago/political-moments/Letztes Aufgebot einer einst großen Partei: Lars Klingbeil und Bärbel Bas

Zwischenruf

Auf zum letzten Gefecht

Reinhard Mohr
02.07.2025

Oh je, SPD! Wo soll man anfangen angesichts des ganzen Elends? Bei Ferdinand Lassalle und August Bebel? Philip Scheidemann und Friedrich Ebert? Bei Kurt Schumacher und Willy Brandt? Oder soll man lieber gleich mit Lars Klingbeil und Bärbel Bas beginnen, dem letzten Aufgebot der Sozialdemokraten, das nun die älteste Partei Deutschlands führt?

Auf dem vergangenen Parteitag, dem ersten nach der katastrophalen Wahlniederlage vom Februar, bei der die SPD gerade noch 16,4 Prozent erreicht hatte, zeigte sich wie unterm Brennglas die andauernde Stagnation, Erstarrung und Verknöcherung jener selbst ernannten „Fortschrittskraft“, mit der einst „die neue Zeit“ heraufziehen sollte, das Morgenrot einer freien und gerechten Gesellschaft. In beinahe sämtlichen Pressekommentaren – von „Welt“ bis „Süddeutsche – wurde die lähmend selbstgerechte Atmosphäre kritisiert, in der sich weder ehrliche Selbstkritik noch eine neue Aufbruchsstimmung entwickeln konnten. Prototypisch für diese verheerende Bewertung in den Medien war die Überschrift in der FAZ: „Vorwärts nimmer, rückwärts immer!“

Das Frappierende an dieser Schrumpf-SPD im Jahre 2025: Sie sehnt sich nach den goldenen Zeiten zurück, als Kanzlerkandidat Willy Brandt noch weit über 40 Prozent der Wählerstimmen holte – sie weigert sich aber zu erkennen, unter welch ganz anderen Voraussetzungen das geschah. Damals waren die Sozialdemokraten noch die Partei des sozialen Aufstiegs und eines Wirtschaftswachstums, das den nachfolgenden Generationen eine bessere Zukunft versprach. Bildung und „Kultur für alle“ (Hilmar Hoffmann) standen ganz oben auf der Agenda. Facharbeiter, Angestellte und Auszubildende waren im Fokus der Reformen, und zur Bundestagswahl 1972 warb die SPD mit der Parole „Deutsche, wir können stolz sein auf unser Land!“

Fortschritt war gestern
Heute würden die meisten Sozialdemokraten dieses Motto umstandslos als „rechtsextremistisch“ und „AfD-Propaganda“ bezeichnen und zur Anzeige bei der nächsten Antifa-Meldestelle bringen. Längst ist die ehemalige Arbeiterpartei zum Sammelbecken von Funktionären geworden, die unter dem Signum der allgegenwärtigen Regenbogenflagge dem woken, linksgrünen Zeitgeist hinterherlaufen, vom Gendern bis zur Inklusion, von der Entdeckung immer neuer Minderheiten bis zur a-priori-Moralisierung aller politischen Probleme, vor allem bei der Migrationspolitik. Keine Spur mehr vom vernunftgeleiteten hanseatischen Pragmatismus Helmut Schmidt'scher Prägung, umso mehr gefühlsmäßige Parteinahme für „sozial Schwache“, denen man erst gar nicht mehr eine Perspektive aufzeigt, aus ihrer Lage selbst herauszufinden.

Das Allheilmittel, das stets zur Hand ist, besteht darin, immer mehr Geld zu verteilen, gerne auch mit neuen Schulden. Paradigmatisch jenes „Bürgergeld“, dessen Name schon in die Irre führt, während es inzwischen 50 Milliarden Euro im Jahr verschlingt, Tendenz steigend. Was in der woken Szene so gerne wie angeberisch anglizistisch „Empowerment“ genannt wird, ist hier ein Totalausfall: Die „Selbstermächtigung“, um das eigene Leben frei und autonom durch eigene Arbeit zu gestalten, ist nicht mehr Teil der sozialdemokratischen Programmatik.

So ist die SPD zu einer Unterabteilung von Paritätischem Wohlfahrtsverband, Caritas und Rotem Kreuz geworden, eine riesige Betreuungsorganisation, die keine attraktive Zukunftsidee mehr hat, keine intellektuelle Kreativität und auch keine Rhetorik, die irgendjemanden mitreißen könnte. Bei allem Respekt für ihre persönliche Aufstiegsgeschichte: Weder Klingbeil noch Bas verfügen über die nötige geistige Statur, um die „Gesellschaft der Singularitäten“, wie der Soziologe Andreas Reckwitz unsere sozial zerklüftete Gegenwart beschreibt, angemessen anzusprechen, gar zu begeistern. Die Phrase von der „Vielfalt“ ist da nur hilfloses Wortgeklingel aus der Botanisiertrommel des linken Zeitgeists.

Kein Wunder, dass bei der spektakulär verlorenen Bundestagswahl nur noch zwölf Prozent der Arbeiter SPD gewählt haben und 13 Prozent der Arbeitslosen. Die gleiche Wahlanalyse von Infratest-Dimap weist für die AfD derweil einen Wähleranteil von 38 Prozent unter Arbeitern und 34 Prozent unter Arbeitslosen aus. Doch was ist die Reaktion der SPD auf diese Zahlen, die eigentlich Anlass wären, einmal tief in sich zu gehen und über die Fehler der Partei nachzudenken? Sie strebt mit Macht einen Antrag auf Verbot der AfD beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe an, und das bei einer sehr unsicheren Ausgangslage, was die Erfolgsaussichten betrifft. Ganz abgesehen davon: Wie klug ist es, einen deutlich stärkeren Konkurrenten mit juristischen Mitteln „aus dem Bundestag kriegen“ zu wollen statt ihn mit eigenen überzeugenden Argumenten in die Schranken zu weisen?

Lieber die Realität verbieten
Es ist diese Mischung aus provinzieller Kleingeistigkeit und ideologischer Großmannssucht, die die Sozialdemokratische Partei Deutschlands heute kennzeichnet. „Realitätsverweigerung“ hat das ihr beliebtester Politiker, Verteidigungsminister Boris Pistorius, genannt – ob bei der peinlichen Debatte über eine Wiedereinsetzung der Wehrpflicht oder bei der Positionierung gegenüber Putins aggressivem Russland. Pazifistisch gesonnene Genossen wie Ralf Stegner und Rolf Mützenich träumen sich zurück in die 70er Jahre, als Dialog, Diplomatie und Entspannungspolitik noch unter ganz anderen Bedingungen eine realistische Chance hatten.

Diese Blindheit, die veränderte Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen, und der Drang, lieber die Realität zu verbieten als sie zu verändern, macht die SPD zur traurigen Resterampe ihrer eigenen, durchaus ruhmreichen Vergangenheit. Ob diese Selbstverzwergung irgendwann einem Neuanfang mit neuen Leuten weicht? Niemand weiß das.

In der schwarz-roten Regierungskoalition könnte es jetzt jedenfalls erst einmal ungemütlich werden. Die mit 95 Prozent gewählte neue Parteivorsitzende Bas vom linken Flügel hat Oberwasser, während der mit 64,9 Prozent abgestrafte Vizekanzler Klingbeil versuchen muss, die sozialdemokratische Seele zu streicheln. Für die Pläne, das Bürgergeld zu reformieren und in der Migrationspolitik härtere Bandagen anzulegen, verheißt das nichts Gutes. Bundeskanzler Merz kann nicht so, wie er will, weil die SPD sonst möglicherweise komplett aus dem Ruder läuft und auf die Oppositionsbänke flieht. Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

Es bleibt also spannend.


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