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Neue Bundesregierung will die Frist zum Kohleausstieg halbieren – Peinliche Lage für Dietmar Woidke
Brandenburgs Sozialdemokraten befinden sich nach dem Start der neuen Bundesregierung in einer wenig komfortablen Lage. In ihrem Koalitionsvertrag haben SPD, Grünen und FDP vereinbart, den Ausstieg aus der Kohleverstromung „idealerweise“ schon auf das Jahr 2030 vorzuziehen.
Erst im vergangenen Jahr hatte der Bundestag aber ein Kohleausstiegsgesetz beschlossen, in dem das Jahr 2038 als Enddatum für die Kohleförderung benannt wird. Besonders pikant: Diese für Brandenburg folgenreiche Halbierung der Restlaufzeit der Kohleverstromung hat der märkische SPD-Chef Dietmar Woidke während der Ampel-Koalitionsverhandlungen als Mitglied der Arbeitsgruppe „Klima, Energie, Transformation“ selbst mit verhandelt.
Woidke steht nun vor der schwierigen Aufgabe, den Brandenburgern den Koalitionsvertrag trotz des vorgezogenen Kohleausstiegs als eine Erfolgsgeschichte schmackhaft zu machen. Im Zuge dieses Unterfangens führte er unter anderem an, der von der Ampelkoalition vereinbarte Mindestlohn von zwölf Euro bedeute „in Brandenburg für über 360.000 Menschen eine Gehaltserhöhung und mehr Respekt für ihre Arbeit.“ Zudem wies der märkische Ministerpräsident darauf hin, dass von der Kindergrundsicherung gerade Kinder aus Elternhäusern mit keinem oder wenig Einkommen profitierten.
Abgespeist mit dem Mindestlohn
Insbesondere Woidkes Hinweis auf die massive Auswirkung der Mindestlohnerhöhung in Brandenburg hat bei näherem Hinsehen eine unschöne Kehrseite. Denn wie hier sichtbar wird, liegen mehr als drei Jahrzehnte nach dem Fall der Mauer die Monatseinkommen sehr vieler Brandenburger zum Teil noch immer deutlich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt. In Brandenburg arbeitet etwa jeder dritte Arbeitnehmer im unteren Entgeltbereich, der bei weniger als zwei Dritteln des Bruttolohns aller Vollzeitbeschäftigten liegt.
Insgesamt ist dies für die Sozialdemokraten, die seit 1990 in Brandenburg ununterbrochen die Ministerpräsidenten gestellt haben, keine sonderlich gute Erfolgsbilanz ihrer jahrzehntelangen Wirtschaftspolitik. Brandenburg liefert darüber hinaus auch ein gutes Beispiel, wie fragwürdig Versuche der Politik sind, binnen weniger Jahre einen erfolgreichen Strukturwandel herbeizwingen zu wollen. In den 90er Jahren sind Versuche der Potsdamer Landesregierung, mit Fördermillionen die Entwicklung von Großprojekten wie Cargolifter und Lausitzring in Gang zu bringen, krachend gescheitert. Mittlerweile profitiert das Land immerhin stark von der wirtschaftlichen Dynamik des Speckgürtels um die Millionenmetropole Berlin.
Zumindest für die Anfangsphase dieser Entwicklung gilt: Der Aufschwung im Umland Berlins seit der Jahrtausendwende kam für die Landesregierung in Potsdam eher wie eine Überraschung und sehr viel weniger als Resultat der eigenen Wirtschaftspolitik.
Vor dem Hintergrund solcher Erfahrungen herrscht nun in der Lausitz starke Skepsis, ob bis zum angepeilten Kohleausstieg bis 2030 genug Ersatzarbeitsplätze tatsächlich durch einen Strukturwandel entstehen werden.
Besonders scharfe Kritik kommt vom Betriebsrat des Energieversorgers Leag. In einer Pressemitteilung mit dem Titel „Kohleausstieg 2030 – nicht mit uns!“ heißt es: „Wer glaubt, diese mit 16 Jahren ohnehin knapp bemessene Frist risikolos halbieren zu können, der ist entweder gefährlich naiv oder treibt ein böses Spiel mit den Menschen im Revier.“
Gravierende Schäden befürchtet
Die Strukturentwicklung in den Braunkohlerevieren sei nicht „per Knopfdruck aus den Berliner Parteizentralen“ steuerbar, so der Betriebsrat. Der Leag-Vorstandsvorsitzende Helmar Rendez warnte zudem vor „gravierenden Schäden für das deutsche und europäische Energieversorgungssystem“ durch ein Vorziehen des Ausstiegs aus der Kohleverstromung von 2038 auf 2030. Das erst im vergangenen Jahr beschlossene Kohleausstiegsgesetz erlaube zwar, das Kohle-Aus um drei Jahre vorzuziehen, so Rendez. Geknüpft sei diese Option aber „an harte und klare Kriterien wie Versorgungssicherheit und Stromkosten“.
Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) wies darauf hin, dass die sogenannte Kohlekommission sich mit einem „riesigen Aufwand“ Anfang 2019 auf das Ausstiegsdatum 2038 verständigt und dabei „den Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie befriedet“ habe. Laut Kretschmer bricht die Ampelkoalition mit ihrem Koalitionsvertrag diesen Konflikt nun neu vom Zaun.
Zudem warnte der sächsische Regierungschef, die Schaffung Tausender guter Ersatzarbeitsplätze gelinge nicht binnen fünf bis acht Jahren, dafür benötige man mehr Zeit. An die Adresse der Gewerkschaften gerichteten appellierte Kretschmer auf einer digitalen Lausitzkonferenz des DGB, „sich nicht zu schnell auf diesen Weg einzulassen“.