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Fahrgäste und Medien legen sich ins Zeug für einen der letzten traditionellen Speisewagen Europas
Mehrere Zehntausend Menschen sind jeden Tag zwischen Berlin und Hamburg unterwegs, ein beachtlicher Teil sogar als Pendler zum Arbeitsplatz. Bahnreisenden stand bisher eine besonders angenehme Möglichkeit zur Verfügung, die Zeit auf der 280 Kilometer langen Eisenbahnstrecke zu überbrücken. Wählte der Reisende nicht den etwas schnelleren ICE der Deutschen Bahn, sondern einen der Eurocity-Züge, die für die tschechische Bahn auf der Strecke zwischen Prag, Berlin und Hamburg verkehren, konnte er bis vor Kurzem einen der legendären Speisewagen nutzen.
Wegen seines Angebots an teils frisch in der Bordküche zubereiteter böhmischer Hausmannskost und dem ebenso frisch gezapften tschechischen Bier war der Speisewagen der „České dráhy“ bei Reisenden bekannt und beliebt. Rote Ledersessel, weiße Tischdecken und eine zuweilen an K.u.k.-Zeiten erinnernde, aufmerksame Bedienung rundeten das Bild von der gemütlichen Gasthausatmosphäre auf Schienen ab. Für Jaroslav Rudiš, Autor des Buchs „Gebrauchsanweisung für Zugreisen“, stand der Speisewagen, der zwischen Prag und Hamburg unterwegs war, für eine alte Speisewagenkultur, die mittlerweile in Europa fast überall verschwunden ist.
Für einen Teil der Bahnfahrer, die jeden Tag die Strecke zwischen der Hansestadt und der Spreemetropole bewältigen müssen, war der Speisewagen im tschechischen EC-Zug mitunter regelmäßiger Treffpunkt mit anderen Pendlern. Auch einige Medienleute mit Arbeitsplatz in Hamburg und Wohnort in Berlin hatten ihre Stammplätze, um sich nach getaner Woche am Freitagnachmittag bei deftigem Gulasch mit Knödeln, Pilsner Bier oder süßen Palatschinken auf das Wochenende einzustimmen.
Dementsprechend groß war der Schock, als die tschechische Bahn vor einigen Monaten ankündigte, die Speisewagen im Zuge einer Modernisierung ihres Waggonmaterials durch moderne Bordbistros ersetzen zu wollen.
Am 1. August ist die neunmonatige Generalsanierung der Strecke zwischen Berlin und Hamburg angelaufen. Die tschechische Bahn lässt seitdem den Eurocity nur noch zwischen Prag und Berlin verkehren. Obendrein zieht das Unternehmen seit dem 26. Juli auch die legendären Kult-Speisewagen aus dem Verkehr. Die Wagen sollen künftig nur noch auf einer Strecke innerhalb der Tschechischen Republik eingesetzt werden. Das Echo war gewaltig. Möglicherweise war Tschechiens Bahn selbst überrascht, wie beliebt ihre Speisewagen hierzulande sind. Das drohende Aus des Angebots sorgte nicht nur in den Sozialen Medien für hitzige Diskussionen. Auch viele Zeitungsredaktionen beschäftigten sich mit dem Speisewagenthema. Oft fiel dabei der Begriff „Knödel-Express“ als Synonym für die Wagen der tschechischen Bahnen. In einer Pressemitteilung deutete vor Kurzem der Chef der Tschechischen Bahnen, Michal Krapinec, an, dass die ursprünglichen Speisewagen zumindest auf einigen Zugpaaren weiterhin mitgeführt werden. Ob es sich dabei nur um eine Gnadenfrist handelt, wird sich mit dem kommenden Winterfahrplan zeigen.