27.09.2024

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Man hat das tragische Ende kommen sehen: Sicherheitsleute üben mit Herrhausen (Oliver Masucci) ein Anschlagsszenario
Foto: ARD Degeto/rbb/hr/swr/Sperl Film und Fernsehproduktion GmbH/Florian Emmerich (Repro)Man hat das tragische Ende kommen sehen: Sicherheitsleute üben mit Herrhausen (Oliver Masucci) ein Anschlagsszenario

Aufstieg und Ende eines Tycoons

Wie ein Shakespeare-Drama – ARD-Film über Alfred Herrhausen, der als Chef der Deutschen Bank Opfer eines RAF-Anschlags wurde

Anne Martin
27.09.2024

Wenn die Verflechtung von Politik und Hochfinanz ein Gesicht hatte, dann war es wohl das von Alfred Herrhausen. Der Chef und alleinige Sprecher der Deutschen Bank, der mit Bundeskanzler Helmut Kohl befreundet war und mit Michail Gorbatschow verhandelte, wollte den Konzern zum internationalen Wettbewerber umbauen. Als Manager mit kühnen Visionen, der die Geschäfte im Spannungsfeld zwischen zusammenbrechender Sowjetunion und Grenzöffnung der DDR führte, stand er im Fadenkreuz der terroristischen Rote-Armee-Fraktion (RAF).

Was der TV-Film „Herrhausen – der Herr des Geldes“ (1.10. um 20.15 und 3.10. um 21.45 Uhr – im Anschluss daran folgt die Doku „Herrhausen, die Macht des Bankers“) an zwei Abenden zeigt, ist mehr als eine zeitgeschichtliche Chronik. Autor Thomas Wendrich und Regisseurin Pia Strietmann leuchten tief hinein in den Kosmos der Macht.

Im Zentrum steht der mächtige Banker, dem Oliver Masucci eine raubtierhafte Stärke verleiht. Wenige Gegenpole gibt es – da sind die Frauen an seiner Seite wie die kluge Ehefrau Traudl (Julia Koschitz), eine Ärztin, oder die Chefsekretärin (Ursula Strauss), eine unbestechliche und stets perfekt manikürte Wächterin des Vorzimmers. Hinzu gesellt sich der stets bemühte Assistent, gespielt von David Schütter.

Manches in diesem komplexen Kammerspiel erinnert an ein Shakespeare-Drama, wenn es etwa zum Machtkampf kommt und der Banker die Existenzfrage stellt: Entweder die Neuaufstellung der Bank wird einstimmig im Vorstand beschlossen, oder er tritt zurück. Oder die fiktive Szene, wenn die Anzeigetafel im Fahrstuhl nach oben schnellt, ein Höhenflug, kaum mehr zu stoppen: Als Herrhausen aussteigt, steht er in den Wolken.

„Nach einer wahren Geschichte, soweit Geschichte wahr sein kann“, heißt es im Nachspann. Falls etwas nicht belegt ist, so ist es doch gut erfunden. Etwa die Szene, als Kanzler Kohl die Ärztin Traudl Herrhausen während einer OP ans Telefon rufen lässt, um ihre Zustimmung für eine Reise von Kanzler und Bankchef nach Ungarn einzuholen, wo ein Milliardenkredit unterschrieben werden soll. Ohne das „O.K.“ der Ehefrau würde der Bankchef nicht fahren, schließlich wollte das Paar gemeinsam verreisen. Aber Traudl bleibt hart. Nein, sie würde den Urlaub nicht absagen. Nicht schon wieder. Kohl greift daraufhin zu einer List in Form einer Falschbehauptung: Er gibt ihre angebliche Zustimmung weiter, und Herrhausen begleitet den Kanzler. Aufs Taktieren verstehen sich beide.

Die Gegenwelt des Terrors wird in zahlreichen Zwischenschnitten eingeblendet. Irgendwo im Hinterland von Beirut, mitten in der Wüste, bringen junge Libanesen jungen Deutschen das Bombenbasteln bei. Es geht gegen den Kapitalismus, das Ausbeutersystem, und der Banker ist in ihren Augen das Gesicht dieses verhassten Systems. Dass später in Deutschland ein erster Anschlag auf Herrhausen abgebrochen wird, weil Kinder in der Nähe sind, stößt im Beiruter Hauptquartier auf Unverständnis: „In Palästina werden täglich Kinder ermordet!“

Macht und die Verführungskraft von Macht werden in vielen Facetten vorgeführt. Immer wieder kommt der penibel aufgeräumte Konferenztisch ins Bild, an dem Männer mit Pokerface sitzen, die genau wissen, dass sie den Tycoon nicht reizen dürfen. Herrhausen will die Deutsche Bank in die Zukunft führen und groß ins Investmentgeschäft einsteigen, er äußert Pläne über einen Schuldenerlass für die dritte Welt: „Das Investment-Banking wird kommen. Mit uns oder ohne uns.“

Der Erfinder des „Soli“
Einer am Tisch legt sein Veto ein: Er sieht in dem angepeilten Weg die Auflösung aller Werte, die Ausplünderung der Kunden und des Staates. Herrhausen bleibt konsequent. Obwohl Vorstandsmitglied Hilmar Kopper wohl bewusst einen überteuerten Preis ausgehandelt hat, treibt er die Übernahme einer englischen Investment-Bank voran, leistet sich keine Schwäche, auch keine körperliche. Nach einer Hüftoperation erhebt er sich kurz vor dem Konferenzzimmer aus dem Rollstuhl und geht mühsam, aber aufrecht in seine Machtzentrale. Genüsslich fährt die Kamera über Gesichter, in denen Emotionen, wenn überhaupt, nur als Zucken der Augenbrauen deutlich werden.

Eine Ausnahme gibt es: Als Herrhausen eine IT-Beraterin (Bettina Stucky) in den Vorstand holt, damit die Büros auf digitales Arbeiten umgestellt werden, sind sich die Herren ausnahmsweise einig: Sie johlen ungläubig. „Beruhigen Sie sich“, sagt Herrhausen kühl, und zieht auch diese interne Reform durch. Die erste Frau im Vorstand? Warum nicht, wenn es der Wettbewerbsfähigkeit dient. Die zusammengebrochene DDR, Perestrojka und Glasnost beflügeln seine kühnen Pläne von der Erschließung neuer Märkte. Er hat sogar eine Idee, wie man das marode Land hinter der zerbrochenen Mauer wieder flottkriegen könnte: Ihm schwebt ein Solidaritätsbeitrag vor, der spätere „Soli“.

Ob er die Gefährdung der eigenen Person einschätzen konnte? In einer Szene liest Ehefrau Traudl eine Art Vermächtnis, worin Herrhausen festlegt, dass im Falle seiner Entführung keinesfalls den Terroristen nachgegeben werden soll.

Es wird anders kommen. Am 30. November 1989 explodiert in Bad Homburg die von langer Hand gelegte Bombe neben dem gepanzerten Dienstwagen. Herrhausen, damals 59 Jahre alt, stirbt in den Trümmern. Die Täter werden nie gefasst, als verantwortlich bekennt sich die RAF.

Die Trauerfeier im Frankfurter Dom ähnelt einem Staatsbegräbnis, auch der Kanzler verneigt sich. Das letzte Bild dieses herausragenden Films zeigt, wie der schwarze Ledersessel am Konferenztisch von eilfertiger Hand für den Nachfolger Hilmar Kopper zurückgeschoben wird.


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