23.11.2024

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Union-Gießerei Königsberg

Aufstieg und Fall einer preußischen Fabrik

Keine Aufträge nach dem Ersten Weltkrieg – Die Abtrennung Ostpreußens vom Deutschen Reich zog massive Probleme nach sich

Wolfgang Kaufmann
19.02.2024

Gustav Schnell war ein hoch angesehener Kaufmann und Reeder aus Königsberg, der in den Befreiungskriegen gegen die napoleonische Fremdherrschaft gekämpft hatte. Gemeinsam mit seinen Schwagern Friedrich Laubmeyer und Carl August Dultz gründete er am 1. Mai 1828 eine Eisengießerei auf der Laak am Ufer des Pregel westlich der Königsberger Altstadt. Diese firmierte ab 1845 als Union-Gießerei OHG und begann im Jahr darauf mit der Herstellung von Kesseln sowie Dampfmaschinen – dazu kamen später Lokomotiven. Die erste Lok für die Königlich Preußische Ostbahn wurde am 5. Dezember 1855 ausgeliefert.

In den Jahren danach avancierte die Union-Gießerei zu einem der größten Produzenten von Lokomotiven im gesamten Deutschen Reich. 1878 verließ die 100. Lok das Werk und am 13. März 1899 die eintausendste. Insgesamt wurden in den Königsberger Werkhallen mindestens 2792 Lokomotiven gebaut. Zur Produktpalette des Unternehmens gehörten aber auch Kräne, Brücken und Dampfschiffe.

Größter Lok-Produzent
Der erste Raddampfer mit eisernem Rumpf und einer 40-PS-Maschine lief am 5. Juni 1855 vom Stapel und erhielt den Namen „Schnell“ – eine Hommage an den Unternehmensgründer, der es bis zum Geheimen Kommerzienrat und Admiralitätsrat brachte und als anerkannter Experte für das Handels- und Seerecht galt. Alles in allem stellte die Union-Gießerei in Königsberg 189 größere und kleinere Schiffe fertig – neben Raddampfern auch Fracht- und Fischdampfer, Schlepper und Fahrgastschiffe.

Am 2. Juni 1881 wurde das mit der Zeit immer erfolgreicher agierende Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Zehn Jahre später war es die größte Maschinenfabrik in ganz Ostpreußen. Das brachte jedoch auch Probleme mit sich. So erregte der zunehmend stärker werdende Lärm der Produktionsstätten das Missfallen der Anwohner und städtischen Behörden. Deshalb zog die Union-Gießerei schließlich im Jahre 1907 nach Contienen am unteren Pregel um, wo sie sich ungehindert ausbreiten konnte.

Dann folgten nach dem Ersten Weltkrieg die Abtrennung Ostpreußens vom übrigen Reichsgebiet durch das Diktat von Versailles und der spätere Ausschluss der Union-Gießerei aus dem Lokquotensystem der Deutschen Reichsbahn: Im Gegensatz zu anderen Herstellern im Westen erhielt sie keine automatischen Aufträge der Bahn für neue Lokomotiven. Bestellungen gab es erst wieder 1927 im Zuge der Ostlandhilfe, doch diese kamen zu spät, um die Lokomotivbausparte des Unternehmens zu retten. Daher war die Union-Gießerei nach der Auslieferung der letzten Exemplare im Jahre 1929 wirtschaftlich am Ende und wurde am 17. März 1930 von der F. Schichau GmbH in Elbing übernommen.

Dieses Unternehmen existierte seit dem 4. Oktober 1837 und produzierte ebenfalls Lokomotiven und Schiffe, wozu ab 1877 auch Kriegsschiffe gehörten. Als besondere Spezialität von Schichau galten die Torpedoboote und Zerstörer, von denen bis 1918 483 Stück vom Stapel liefen. Dazu kamen Kreuzer und Linienschiffe. Aufgrund der beengten Verhältnisse in Elbing begann Schichau ab 1899 zu expandieren. So entstanden beispielsweise Niederlassungen in Pillau, Danzig und Riga.

Um 1925 steckten die Schichau-Werke zeitweise in ähnlichen Nöten wie die Union-Gießerei. Allerdings wurden sie auf Beschluss des Reichstages mit Staatsmitteln saniert, um das wichtigste Schiffsbauunternehmen im Osten Deutschlands zu retten. Dann ging es ab 1935 wieder steil bergauf, weil die Kriegsmarine des Dritten Reiches in wachsendem Maße Aufträge erteilte. Nun fertigte Schichau erneut Torpedoboote sowie auch Minensucher und 94 Hochsee-U-Boote der Typen VII C und XXI. Die Minensuchboote der Klasse 1943 mit den Kennungen M 801 bis M 816 entstanden auf dem Gelände der ehemaligen Union-Gießerei in Königsberg – genauso wie die Flottentanker vom Typ „Norderney“ und etliche Schlepper für die Kriegsmarine.

Schiffe für die Marine
1941 erfolgte die Umwandlung der F. Schichau, Maschinen- und Lokomotivfabrik, Schiffswerft und Eisengießerei GmbH in eine Aktiengesellschaft. In diesem Zusammenhang mutierte das Zweigwerk in der ostpreußischen Provinzhauptstadt zur F. Schichau GmbH Königsberg, die unter der Leitung von Woldemar Rodin stand. Dieses Unternehmen beschäftigte 1944 14.000 Mitarbeiter.

Am Ende des Zweiten Weltkrieges geriet das Königsberger Gebiet in die Hände der Sowjetunion, welche die Werft auf dem Gelände der ehemaligen Union-Gießerei weiterbetrieb – zuerst unter der Bezeichnung „Werft No. 820“ und dann unter dem Namen „Pribaltijskij Sudostroitelnij Sawod Jantar“ (Ostsee-Schiffsbaubetrieb Bernstein). Zu Sowjetzeiten entstanden hier etliche Fregatten, Landungsschiffe, Zerstörer und U-Boot-Jäger für die Seekriegsflotte der UdSSR.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde die Werft Teil des russischen Großunternehmens Obedinjonnaja Sudostroitelnaja Korporazija (OSK) und fertigte vor allem Patrouillenboote und Vermessungsschiffe für den Export sowie drei große Fregatten der Admiral-Grigorowitsch-Klasse und das unbewaffnete Aufklärungsschiff „Jantar“ für die russische Marine.


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Kommentare

Kersti Wolnow am 20.02.24, 08:05 Uhr

durch das Diktat von Versailles

Damals begann die Geopolitik einer selbsternannten Gruppe von Weltenlenkern. Es ist kein Zufall, daß gerade die Kriegsgegner der Mittelmächte Anleihen in großer Menge von den "neutralen" USA bekamen, für die sie sich von dort auf geheimen Wegen Waffen liefern ließen, nachzulesen bei Charles Tansill "Amerika geht in den Krieg"-1. WK als Türöffnernach Europa. Die stabile zentrale Mittelmacht wurde zerhauen, ebenso das Osmanische Reich durch den Sykes-Picot-Vertrag, bei dem die Türken nur als Zuschauer herumsaßen, ebenso wie die Deutschen bei ihren Knebelungsverträgen. Der Anfang war gemacht, heute ist die BRD die Kolonie der USA, man sieht es bei der Sprengung des Rohres und dem Dackelblick von Scholz bei Biden. Auf eine anständige Verfassung, die andere Staaten haben, warten wir Deutschen das 79. Jahr.
Gewisse Kreise der USA planen in Generationen. Ich fürchte, die wollen uns ganz vernichten.

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