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Ein Provisorium, das mehr verheißt: Blick in die Sonderausstellung des Ostpreußischen Landesmuseums zum Kant-Jahr, die einen ersten Eindruck von der Dauerausstellung im künftigen Erweiterungsbau des Hauses zu Ehren Kants vermittelt
Foto: nehringEin Provisorium, das mehr verheißt: Blick in die Sonderausstellung des Ostpreußischen Landesmuseums zum Kant-Jahr, die einen ersten Eindruck von der Dauerausstellung im künftigen Erweiterungsbau des Hauses zu Ehren Kants vermittelt

Kunst · Geschichte · Essays

Auftakt ins Kant-Jahr

Festakt und Eröffnung einer Sonderausstellung im Ostpreußischen Landesmuseum

René Nehring
24.04.2024

Es war ein überaus würdiger Rahmen. Wenige Tage vor dem 300. Geburtstag Immanuel Kants startete das Ostpreußische Landesmuseum mit einem Festakt im Fürstensaal des Lüneburger Rathauses und mit der Eröffnung einer Sonderausstellung in das Jubiläumsjahr zu Ehren des Königsberger Philosophen.

Zunächst begrüßte Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch (Bündnis 90/Die Grünen) die Anwesenden, zu denen neben zahlreichen Vertretern aus Politik und Gesellschaft auch der neue polnische Botschafter in Deutschland, Dariusz Pawłoś, gehörte, und gab ihrer Freude Ausdruck, dass die altehrwürdige Salzstadt Lüneburg mit der sich entwickelnden Erweiterung des Ostpreußischen Landesmuseums nunmehr auch „Kant-Stadt“ sei, was sowohl ihre Stadt als auch das Museum ungemein aufwerte.

Es folgten die Grußworte von Maria Bering, Abteilungsleiterin Erinnerungskultur bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, sowie Corinna Fischer, Leiterin der Kulturabteilung im Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, die als Vertreter der beiden Hauptförderer des Ostpreußischen Landesmuseums und der Ostpreußischen Kulturstiftung als Trägerin die Wertschätzung von Bund und Land für die kulturelle Erinnerungsarbeit versicherten. An sie schlossen sich die Worte des langjährigen Lüneburger Oberbürgermeisters Ulrich Mädge (SPD) an, der seit Kurzem Vorsitzender des Stiftungsrates der Ostpreußischen Kulturstiftung ist. Mädge begrüßte insbesondere die anwesenden Ostpreußen, vor allem den Sprecher der Landsmannschaft, Stephan Grigat, und Klaus Weigelt als Vorsitzenden der Stiftung Königsberg, die Inhaberin und Leihgeberin zahlreicher Kant-Exponate ist.

Die Konzeption der Ausstellung
Im Anschluss daran führte Joachim Mähnert, Direktor des Ostpreußischen Landesmuseums, mit in die neue Ausstellung seines Hauses ein. Dabei äußerte er zunächst sein Bedauern darüber, dass er der Öffentlichkeit vorerst nicht den geplanten Erweiterungsbau mitsamt einer neuen Dauerausstellung – durch die Lüneburg zum zentralen Erinnerungsort für Kant in Deutschland wird – übergeben kann. Vor allem Verzögerungen durch die Corona-Zeit hatten dazu geführt, dass die Planungen und Arbeiten für dieses Projekt soweit ins Stocken geraten waren, dass die Erweiterung nicht rechtzeitig zum 300. Geburtstag Kants fertig wurde. Um dennoch zum großen Jubiläum nicht mit leeren Händen dazustehen, werde nun eine kleine Sonderausstellung eröffnet. Immerhin, so Mähnert, habe dieses Manko den Vorteil, dass das Landesmuseum dadurch auch Leihgaben bekam, die für eine Dauerausstellung nicht erhältlich gewesen wären. Für wenige Monate, so der Direktor, seien Leihgeber bereit, sich von wertvollen Exponaten zu trennen, für mehrere Jahre eher weniger.

Anders als in der späteren Dauerausstellung, in der es vorwiegend um die Philosophie gehen werde, stelle die Sonderausstellung den Menschen Kant in den Vordergrund. Mähnert erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass dieser Tage nicht die „Kritik der reinen Vernunft“ 300 Jahre alte werde, diese habe noch nicht einmal 250 Jahre auf dem Buckel, sondern das vierte Kind einer einfachen Handwerkerfamilie aus Königsberg. Ein Ansatz für die Ausstellung sind die zahlreichen hartnäckigen Klischees von und über Kant, die mit der historischen Person nicht übereinstimmen. So sei Kant keineswegs der schrullige Pedant gewesen, als der er oft dargestellt werde. Vielmehr sei der Philosoph durchaus ein geselliger Zeitgenosse gewesen, der gute Gespräche und gute Kleidung genauso geliebt habe wie das Spiel mit Karten und Billardkugeln. Und so gäbe es in der nun eröffneten Ausstellung einiges zu Herkunft und Alltag Kants sowie zum geselligen Kant zu entdecken.

Eine „große Stadt“ wird wieder lebendig
Lebendig werde dabei auch das Königsberg jener Zeit, das keineswegs eine verschlafene Provinzstadt war, sondern – wie es Kant selbst sagte – „eine große Stadt“, die durch ihre Universität und die Lage zum Seehandel sowie zu anderen Ländern als schicklicher „Platz zu Erweiterung sowohl der Menschenkenntnis als auch der Weltkenntnis genommen werden“ könne. Da es dieses Königsberg bekanntermaßen heute nicht mehr gibt, sei es umso erfreulicher, dass das Landesmuseum nun eine zusammen mit der Bundeskunsthalle in Bonn und dem Studio Men@Work entwickelte digitale Rekonstruktion der Pregelstadt zeigen könne.

Im Anschluss widmete der Philosoph und Verfasser der gegenwärtig relevantesten Kant-Biographie, Marcus Willaschek, in seinem Festvortrag Kant als „bedeutendsten Philosophen“ der Neuzeit, dessen Werke wie die 1781 erschienene „Kritik der reinen Vernunft“ „Meilensteine der Geistesgeschichte“ seien. In der Geschichte der Philosophie, so Willaschek, sei Kants Einfluss nur mit dem von Platon und Aristoteles zu vergleichen, in der deutschen Geistes- und Wissenschaftsgeschichte mit dem Luthers, Goethes und Einsteins. Es sei deshalb auch mehr als angemessen, wenn Kant zu seinem 300. Geburtstag mit einem Festakt, einer Sonderausstellung sowie demnächst mit einem architektonisch ansprechenden und didaktisch vorbildlichen Erweiterungsbau gewürdigt werde.

In seinen weiteren Ausführungen ging Willaschek dann auf den revolutionären Grundgedanken, auf dem Kants Philosophie beruht, des Weiteren auf die praktische und politische Zielrichtung des Kanteschen Denkens sowie schließlich auf einige aktuelle Lehren für Politik und Gesellschaft, die sich aus dem Denken des Königsberger Philosophen ziehen lassen, ein. Da all dies im Rahmen eines Artikels nicht wiedergegeben werden kann, sei an dieser Stelle auf Willascheks Biographie „Kant. Die Revolution des Denkens“ verwiesen.

Zu erwähnen ist an dieser Stelle noch die großartige musikalische Umrahmung des Festaktes. Denn mit Werken aus dem Königsberg Immanuel Kants von Christian Wilhelm Podbielski (1741–1792) und Johann Friedrich Reichardt (1752–1814) ließ die Pianistin Mira Lange heutzutage nur noch äußerst selten gespielte Stücke erklingen – und gewährte damit zugleich einen weiteren wunderbaren Eindruck von einem großen Zeitalter Königsbergs und Ostpreußens.


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