Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
Komplizenschaft aus Not und Opportunismus – Weimar deckt auf, wie stark das Bauhaus mit dem Nationalsozialismus kungelte
Lange stand unbezweifelbar fest, dass die Lehrer und Schüler des Bauhauses allesamt Gegner des Nationalsozialismus waren. Inzwischen ist klar, dass das nicht stimmt. Den Beweis tritt die Weimarer Ausstellung „Bauhaus und Nationalsozialismus“ an. Ihre 450 Exponate sind im Museum Neues Weimar, im Bauhaus Museum und im Schiller-Museum zu sehen.
Die Kuratoren Anke Blümm, Elizabeth Otto und Patrick Rössler haben die Bauhäusler erstmals statistisch erfasst. Die berühmte Avantgardeschule hatte von 1919 bis 1933 insgesamt 1253 Studenten, von denen etwas über ein Drittel Frauen waren. Mehr als die Hälfte der Studenten ging spätestens nach dem zweiten Semester wieder. Unter den 119 Lehrkräften gab es nur neun weibliche. Der NSDAP traten 170 Bauhäusler und 18 Bauhäuslerinnen bei, 15 waren Mitglied der SA, 14 der SS. Mindestens 24 Bauhäusler fielen der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten zum Opfer.
Der Rundgang beginnt im Museum Neues Weimar mit den politischen Kämpfen um das Bauhaus. Das von Walter Gropius 1919 in Weimar eröffnete Bauhaus war eine Einrichtung des Freistaats Thüringen. Die bürgerlich-konservative Mehrheit des Landtags kündigte allen Bauhaus-Meistern zum 1. April 1925 die Arbeitsverträge. Die folgten der Einladung der Stadt Dessau. Gropius gab die Leitung des Bauhauses 1928 auf. Seinem Nachfolger Hannes Meyer kündigte das Stadtparlament 1930, weil er an der Schule „kommunistische Umtriebe“ zugelassen habe. Auf ihn folgte Ludwig Mies van der Rohe. Der Dessauer Gemeinderat verfügte auf Antrag der NSDAP die Schließung des Bauhauses zum 1. Oktober 1932.
Karriere in der SS-Bauzentrale
Mies führte das Bauhaus in Berlin als Privatschule weiter. Aus wirtschaftlicher Not und auch, um sich nicht den vom NS-Regime gemachten Auflagen beugen zu müssen, entschied Mies im Juli 1933 in Übereinkunft mit seinen Lehrkräften, das Bauhaus aufzulösen.
Der Ausstellungsteil im Bauhaus Museum heißt „Abgehängt – Beschlagnahmt – Angepasst“. Er behandelt traurige Weimarer Ereignisse. In der 1923 im Schlossmuseum eröffneten „Galerie der Kunst der Gegenwart“ waren die Bauhaus-Meister Lyonel Feininger und Paul Klee mit Leihgaben breit vertreten. Nachdem Wilhelm Frick von der NSDAP 1930 Thüringens Innen- und Volksbildungsminister geworden war, verfügte er die Räumung der Galerie der Kunst der Gegenwart. Die Künstler erhielten ihre Arbeiten zurück. Einige Beispiele sind nun ausgestellt, etwa Feiningers Gemälde „Viadukt“ (1920) und Klees aquarellierte Ölfarbenzeichnung „Löwen, man beachte sie!“ (1922). Bei der 1937 durchgeführten Aktion gegen die sogenannte „entartete Kunst“ verlor Weimar 460 Werke.
Das Schiller-Museum präsentiert „Lebenswege in der Diktatur“, darunter vielfältige Formen der Komplizenschaft. Und die beginnen schon vor dem Museum. Da steht die Kopie des vom Bauhaus-Schüler Franz Ehrlich entworfenen Eingangstores für das KZ Buchenwald. Dessen Inschrift „Jedem das Seine“ war von der Lagerleitung vorgegeben, die moderne Schrifttype steuerte Ehrlich bei. Als Mitarbeiter eines kommunistischen Untergrundmagazins hatte er drei Jahre Zuchthaus erhalten und war danach ab 1937 Zwangsarbeiter in Buchenwald. Dort machte er seine Arbeit so gut, dass ihn die SS nach seiner Haftentlassung 1939 als zivilen Angestellten engagierte. Zunächst arbeitete Ehrlich weiter im KZ Buchenwald, dann in der SS-Bauzentrale Berlin, die auch für den Aufbau der Vernichtungslager zuständig war.
Unvorteilhafter Bronzekopf Hitlers
Neben den Bauhaus-Direktoren Gropius und Mies, die sich als Architekten zunächst bei den Nationalsozialisten um Aufträge bemühten, bevor sie in den USA ihre Karriere fortsetzten, stehen von den Nationalsozialisten verfolgte, tolerierte oder gar geförderte Bauhäusler im Blickpunkt. Der äußerst erfolgreiche Industriedesigner Wilhelm Wagenfeld, dessen gläsernes „Kubus-Geschirr“ (1938) ausgestellt wird, hielt nichts von den „Nazis“. Dennoch ergab sich wegen seiner Ausstellungsbeteiligungen, mit denen er seine neuen Gläser bekannt machen wollte, eine Nähe zur NS-Wirtschaftspolitik.
Die bis heute als führende Textildesignerin gefeierte Margarethe Reichardt eröffnete 1934 in Erfurt ihre Handweberei. Sie irritiert in der Ausstellung mit dem aquarellierten Entwurf (1940–1942) zu einer Tapisserie mit der Botschaft „Dein Leben ist gebunden an das Leben Deines ganzen Volkes“, unterlegt mit grünem Reichsadler und Hakenkreuz im Ehrenkranz. Katalogautorin Miriam Krautwurst hält solche Entwürfe keineswegs für ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus, sondern sie seien „zweifelsfrei ein Ausdruck von Opportunismus und Anbiederung an das Regime, um weiterhin Aufträge zu erhalten“.
Erstaunt entdeckt man einen vom renommierten Bildhauer und Bauhaus-Meister Gerhard Marcks geformten Hitler-Kopf. Dabei hegte er große Abneigung gegen den Nationalsozialismus. Der 1949 gegossene Bronzekopf ist ein Gegenbild zu den heldenhaften Hitler-Darstellungen der NS-Zeit. Entsprechend unvorteilhaft sieht er aus: übergroße Nase, schmale Lippen, herabgezogener linker Mundwinkel, bekümmerter Blick. Den 1941 angefertigten Gipsentwurf hielt Marcks bis zum Ende der NS-Zeit versteckt.
Katalogautor Arie Hartog berichtet, dass Marcks einer der wenigen Bildhauer war, die Distanz zum Nationalsozialismus hielten. Daher sei er „ein Modell für kunsthistorische Kontinuitäten über politische Bruchlinien hinweg“.
Bis 15. September. Der Katalog aus dem Hirmer Verlag kostet in der Ausstellung 37 Euro, im Buchhandel 49,90 Euro www.klassik-stiftung.de