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Wieder zurück: Das Barlach-Grabmal hat als Kopie wieder einen Platz auf dem Stettiner Zentralfriedhof
Foto: SeegertWieder zurück: Das Barlach-Grabmal hat als Kopie wieder einen Platz auf dem Stettiner Zentralfriedhof

Totensonntag

Barlachs Mutter Erde zurückgekehrt

Der Stettiner Zentralfriedhof birgt zahlreiche Grabmäler, die auch die Geschichte der Stadt erzählen

Torsten Seegert
24.11.2024

Der Holsteiner Bildhauer Ernst Heinrich Barlach (1870–1938), dessen künstlerisches Schaffen zwischen Realismus und Expressionismus angesiedelt war, lebte ab 1910 im mecklenburgischen Güstrow. Bereits zuvor hatte sich Barlach mit den Fragen moderner Grabgestaltung beschäftigt. Die Erkenntnisse daraus bezog er auch in die Gestaltung eines für ihn wichtigen Auftrages für ein Grabmal der Familie des Stettiner Holzkaufmanns Dr. Richard Biesel ein.

So greift denn auch seine Darstellung einer Mutter („Mutter Erde II“) identitätsstiftende Symbole der Menschheitsgeschichte auf, indem diese ihren Schoß weit öffnet und damit auf den Ursprung des Lebens verweist, gleichzeitig aber auch die Toten wieder in die Erde als „Mutter Erde“ aufnehmen lässt.

Es mag verwundern, dass sich heute sowohl der Entwurf Barlachs als auch das Original in Güstrow an Barlachs Atelierhaus, der Gertrudenkapelle, bewundern lässt. Der Hintergrund dazu ist eine ganz eigene und ungewöhnliche Geschichte: Das Original der Mutterdarstellung aus Muschelkalk wurde 1921 auf dem Stettiner Zentralfriedhof aufgestellt, wo es heute jedoch nicht mehr steht.

Als Stettin nach dem Zweiten Weltkrieg polnisch verwaltet wurde und die ursprünglichen Bewohner der Oderme­tropole geflohen waren oder vertrieben wurden, konnte man mit dem Denkmal auf dem Friedhof wohl nur wenig anfangen. Es geriet in Vergessenheit. 1963 soll es dann von Bernhardt Blaschke, dem Leiter der Güstrower Barlachgedenkstätte, im beschädigten Zustand entdeckt worden sein. Offensichtlich war man bereit, auf Barlachs Werk zu „verzichten“, denn das Denkmal wurde nun vom Friedhof entfernt und kam in den 1960er-Jahren als „Geschenk“ der Volksrepublik Polen an die Deutsche Demokratische Republik nach Güstrow auf den Gertrudenfriedhof bei der besagten Kapelle.

Ironie der Geschichte: 2011, also genau 90 Jahre nach der Errichtung von Barlachs Darstellung der Mutter für die Familie Biesel, wurde auf dem Stettiner Zentralfriedhof eine Kopie aufgestellt und am 10. November 2023 enthüllt, angefertigt von der die Bildhauerin Monika Szpener.

Der Zentralfriedhof ist übrigens der drittgrößte Friedhof Europas mit historischen Grabsteinen und Denkmälern. Die gesamte Anlage spiegelt ein lebendiges Zeugnis der Geschichte der Stadt wider.


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Kommentare

Kersti Wolnow am 25.11.24, 09:10 Uhr

Da ich in Güstrow studierte, durfte in unserem FDJ-Erziehungsprogramm auch das Thema Barlach nicht fehlen, dessen Werke mir nicht gefallen haben, obwohl ich expessionistischer Kunst nicht ganz abgeneigt bin. Der von Barlach geschaffene Engel in Güstrow erinnerte mich immer eher an einen Maikäfer.

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