25.04.2024

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„Auf der Verfolgung der Simon-Kopper-Hottentotten in der Wüste Kalahari, 16. März 1908“: Gemälde von Carl Becker
„Auf der Verfolgung der Simon-Kopper-Hottentotten in der Wüste Kalahari, 16. März 1908“: Gemälde von Carl Becker

Deutsches Schicksal

Begraben im Sand der Kalahari

„Siegend gefallen für Kaiser und Reich“ – Der Westpreuße Friedrich von Erckert in Afrika

Wolfgang Reith
09.06.2023

Johannes Felix Friedrich von Erckert, geboren am 30. Dezember 1869 in Bromberg, stammte aus einem ursprünglich bürgerlichen fränkischen Geschlecht, das 1765 in den Reichsadelsstand erhoben wurde. Sein Vater Felix (1832–1897) stammte aus Kulm und war bei der Geburt des Sohnes Major und Bataillonskommandeur in Bromberg. Aus seiner 1861 geschlossenen Ehe gingen drei Kinder hervor, darunter neben Sohn Friedrich, dem späteren Hauptmann in der Kaiserlichen Schutztruppe für Südwestafrika, noch zwei Töchter. Felix von Erckert, seit 1874 Oberstleutnant, avancierte drei Jahre später zum Oberst und Regimentskommandeur, ehe er 1881 mit Pension zur Disposition gestellt wurde und sich bald darauf in Freienwalde niederließ.

Sohn Friedrich wechselte 1882 vom Gymnasium in Bromberg ins Kadettenhaus in Wahlstatt (bei Liegnitz in Niederschlesien) über, vier Jahre später dann in die Hauptkadettenanstalt Groß-Lichterfelde bei Berlin, nach deren Besuch er 1889 als Sekondeleutnant zum Grenadier-Regiment „König Friedrich Wilhelm IV.“ (1. Pommersches) Nr. 2 in Stettin kam. Dreieinhalb Jahre hernach wurde er Bataillonsadjutant, doch weil ihn diese Aufgabe nicht ausfüllte, nahm er 1895 seinen Abschied und ging nach Chile, wo er als Ausbildungsoffizier in der Armee wirkte.

Im Jahr 1897 kehrte er nach Deutschland zurück und wurde als Premierleutnant beim Gardefüsilier-Regiment neu angestellt. Nur ein Jahr später bewarb er sich um Übernahme in die Kaiserliche Schutztruppe für Südwestafrika. Dem Gesuch wurde im November 1899 stattgegeben, im Monat darauf erfolgte die Ausreise. Nach seiner Ankunft in Windhoek und einer Einweisung dort übernahm er im Mai 1900 die 2. Kompanie der Schutztruppe in Omaruru und amtierte zugleich als Chef des gleichnamigen Distrikts.

Zwei Jahre lang nahm Erckert diese Aufgabe wahr, bevor er im Dezember 1902 nach Deutschland zurückkehrte, wo er im Braunschweigschen Infanterie-Regiment Nr. 92 angestellt wurde. 1904 zum Hauptmann befördert, übernahm er als Chef die 2. Kompanie des Regiments. Als im selben Jahr jedoch der Hererokrieg in Deutsch-Südwestafrika ausbrach, meldete sich Erckert erneut zur dortigen Schutztruppe, wo er zunächst Chef der 12. Kompanie des 2. Feldregiments wurde, ehe er 1906 zum Abteilungsführer der 9., 10. und 12. Kompanie sowie der Artillerie avancierte.

Jagd auf Simon Kopper
Obwohl der Kriegszustand in der deutschen Kolonie im März 1907 für beendet erklärt wurde, machte der Häuptling der Fransman-Nama, Simon Kopper, mit seinen Leuten weiterhin die Region im Dreieck, wo Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia), Britisch-Betschuanaland (heute Botswana) und die südafrikanische Kapkolonie zusammentrafen, unsicher, überfiel Farmen und zog sich anschließend über die Grenze zurück.

Ab April 1907 war Erckert Kommandeur des Militärbezirks Nord-Namaland, und in dieser Funktion verfasste er eine „Denkschrift über eine Unternehmung gegen Simon Kopper in die Kalahari“, mit der dessen Treiben ein Ende gesetzt werden sollte. Er schlug die Aufstellung eines Expeditionskorps vor, das wegen der langen Durststrecken auf Kamelen statt auf Pferden und Maultieren beritten sein sollte. Das Kommando der Schutztruppe stimmte dem Vorhaben zu, und im Oktober 1907 begann man mit der Ausbildung für das Kamelreiten, nachdem zuvor mehrere Hundert dieser Tiere importiert worden waren. Am 4. März erfolgte der Abmarsch in zwei Abteilungen, die am 11. März nach rund 150 Kilometern an der Wasserstelle Geinab zusammentrafen. Da man die Ostgrenze dort noch nicht markiert hatte, war nicht ganz sicher, ob man sich noch auf deutschem oder schon auf britischem Territorium befand.

Die Truppe, die unter dem Befehl des Hauptmanns Erckert stand, setzte sich aus drei Kompanien zusammen, hinzu kamen zwei Abteilungen in halber Kompaniestärke, eine MG-Abteilung, eine Feldsignal-Abteilung, eine Kamelstaffel und eine Sanitätsstaffel. Personell gehörten zu der Operation 27 Offiziere, 373 Unteroffiziere und Mannschaften sowie 129 Eingeborene, die 710 Kamele, zwei Pferde, fünf Maultiere und elf Reitochsen mit sich führten. Am Abend des 12. März trat man den Marsch in Richtung Osten an.

Drei Tage später wurde die Werft Koppers entdeckt und in der Nacht eingekreist. Im Morgengrauen des 16. März 1908 erfolgte der Angriff, wobei der in der vordersten Schützenlinie kämpfende Erckert schon nach wenigen Minuten durch einen Schuss in den Hals tödlich getroffen wurde. Das Kommando übernahm nun der nächstälteste Offizier, Hauptmann Waldemar Grüner. Nach zwei Stunden war der Kampf beendet. Außer dem Expeditionsleiter waren ein weiterer Offizier sowie elf Unteroffiziere und Reiter gefallen. Schwer verwundet wurden Erckerts Adjutant, dazu acht Unteroffiziere und Reiter, von denen am nächsten Tag zwei starben. Unter den leicht Verwundeten befanden sich zwei Offiziere und fünf Reiter. Von den gegnerischen Nama waren 58 tot, darunter Simon Koppers Bruder Isaak, während der Häuptling selbst bei der Annäherung der Deutschen geflohen war.

Nach wenigen Minuten getroffen
Die gefallenen Angehörigen der Schutztruppe wurden an Ort und Stelle beigesetzt, da es nicht möglich war, ihre Leichen mitzunehmen. Hauptmann Grüner hielt eine kurze Ansprache, dann trat man den Rückweg an. Am 19. März überschritt man wieder die Grenze, wo das Expeditionskorps aufgelöst wurde. Die meisten Kamele waren zwölf Tage lang ohne Wasser gewesen, einige sogar 16 Tage. Allerdings hatten sich Mensch und Tier zeitweise mit Flüssigkeit aus den Tsammas versorgen können, wilden Wassermelonen, die an manchen Stellen riesige Felder bilden, denn die Kalahari mit ihren charakteristischen roten Sanddünen ist keine reine Wüste, sondern eine Wildnis mit Baumbestand und Graswuchs.

Eigentlich war vorgesehen, wenige Monate später das Gefechtsfeld wieder aufzusuchen, die Leichen zu exhumieren und auf dem Friedhof im südwestafrikanischen Gochas beizusetzen. Dafür hatte man bereits Grabsteine mit den Namen der Gefallenen anfertigen lassen, die dort lagerten. Doch eine Überführung fand nie statt, und so standen die Grabsteine in Gochas ohne Tote bereit. In den 1970er Jahren wurden sie aufgestellt, wobei man die darin eingravierten Worte „Hier ruhen“ übertünchte. Am 25. Januar 1910 wurde auf dem Friedhof zudem ein Sandsteinobelisk eingeweiht, auf dem einmal mehr die Namen der Gefallenen und die einzelnen Gefechte verzeichnet sind.

Immer wieder gab es Versuche, das einstige Gefechtsfeld ausfindig zu machen. Dabei orientierte man sich an den Fotos, die nach der Beendigung der Kämpfe durch den begleitenden Oberarzt der Schutztruppe, Julius Ohlemann, aufgenommen worden waren. Darauf sind die Grabhügel zu sehen, wobei ein Kreuz die Stelle markiert, an der Erckert beerdigt wurde. Außerdem ist ein Baum zu sehen, der anfangs fälschlicherweise als Kameldornbaum bezeichnet wurde, bei dem es sich jedoch um einen Schäferbaum handelt.

1911 unternahm ein Sergeant Lange den Versuch, die sterblichen Überreste der gefallenen Kameraden zu bergen, brach aber das Unternehmen ab, weil die Leichen noch nicht vollständig verwest waren und sich die Begleiter deshalb weigerten, sie mitzunehmen. Elias Le Riche, langjähriger Direktor der südafrikanischen Verwaltung des Kalahari-Gemsbok-Parks (seit 2000 Kgalagadi Transfrontier Park), berichtete, dass er als Kind in den Jahren 1946 und 1950 zusammen mit seinem Vater, der damals selbst Parkverwalter war, auf dem Gefechtsfeld gewesen sei, welches dieser kannte. Beim ersten Besuch hätten sie noch Holzmarkierungen gesehen, mit denen die Gräber versehen waren, beim zweiten Besuch seien diese aber offensichtlich durch einen Buschbrand zuvor vernichtet worden. Da solche Markierungen auf den Fotos von 1908 nicht zu erkennen sind, müssten sie irgendwann nachher angebracht worden sein (vielleicht durch die erwähnte Pa-trouille des Sergeanten Lange).

Der Farmer Joseph Port, ab 1957 Leiter der „Freiwilligen Arbeitsgemeinschaft und Freunde der Kriegsgräberfürsorge in Südwestafrika“, bemühte sich seinerzeit vergebens, die Grabsteine in die Kalahari zu bringen. Dabei dürfte er die wahrscheinlich letzte Person im Lande gewesen sein, die den Weg zu dem Gefechtsfeld noch gefunden hätte, doch er starb 1963 und nahm sein Wissen mit ins Grab.

Bergungsversuche scheiterten
Ports späterer Nachfolger als Beauftragter des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge in SWA/Namibia versuchte in den 1970er Jahren erneut, zu dem historischen Gefechtsfeld zu gelangen, doch er fand niemanden, der ihn dorthin hätte führen können, da alle, die den Weg kannten, inzwischen verstorben waren. Auch die Nachfahren Koppers, die heute noch in der Gegend leben und die man befragte, wussten nicht, wo das Gefechtsfeld lag. Erst ab 1988 gab es dann wieder Versuche, die Grabstellen zu lokalisieren, vor allem durch Wulf D. Haacke, Kurator am Transvaal-Museum in Pretoria, der mehrere Exkursionen unternahm, um – wie er scherzhaft anmerkte – „nach Spuren des letzten Krieges, den Deutschland gewonnen hat“ zu forschen. Allerdings waren diese Operationen ebenso wenig von Erfolg gekrönt wie die Expeditionen des Windhoeker Safari-Unternehmers Carsten Möhle in den Jahren 2010 bis 2018. Zwar konnte das Gefechtsfeld relativ genau eingegrenzt werden, die Gräber selbst wurden aber nicht gefunden, und so bleiben die sterblichen Überreste der Gefallenen von 1908 wohl für immer unentdeckt im Sand der Kalahari verborgen.

In Deutschland hielt man die Erinnerung an Friedrich von Erckert unter anderem dadurch wach, dass man am 16. März 1938, seinem 30. Todestag, an der Familiengruft in Bad Freienwalde eine Gedächtnistafel mit folgendem Text anbrachte: „Zum Gedenken an Friedrich von Erckert, Hauptmann der Kaiserlichen Schutztruppe für Südwestafrika, geb. 30.12.1869 zu Bromberg, siegend gefallen für Kaiser und Reich inmitten der Kalahari den 16.3.1908“ und dazu die Verse vom Grab seines Onkels Roderich von Erckert in Berlin: „Wer so gelebt, wie Du, so hart gelebt im Leben, Dem wird des Himmels Ruh den ewigen Frieden geben!“

Diese Gedenktafel wurde im Rahmen der „antifaschistischen Grabsäuberungen“ nach 1945 entfernt, die marmornen Grabtafeln seiner Eltern existieren zwar noch, zeigen aber deutliche Spuren einer gewaltsamen Einwirkung, während eine dritte Grabtafel – nach einem Foto von 1938 zu urteilen – ebenfalls fehlt.


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Kommentare

Kersti Wolnow am 13.06.23, 10:32 Uhr

Wie sehr muß man Deutschland hassen und wie moralisch verkommen sein, um Grabschändung zu betreiben?
Aber sie sind sehr laut und fleißig, wenn es darum geht, große Namen dem Vergessen anheimzugeben. Es ist nur eine kleine, aber schreiende Miderheit, die aber aktiv werden kann, weil die Mehrheit schweigt.

Tom Borns am 13.06.23, 08:43 Uhr

Schön, dass an solche Episoden deutscher Geschichte noch erinnert wird.
Vielen Dank!

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