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Bergmannstochter wurde reichste Europäerin

Das schlesische Aschenputtel erlebt posthum seinen zweiten Sprung in die Öffentlichkeit

Chris W. Wagner
10.06.2025

Das schlesische Koppitz [Kopice], etwa sieben Kilometer südöstlich von Grottkau [Grodków], gedenkt seiner Geschichte. Am 22. Juni organisiert die Koppitzer Pfarrkirche, die sich nach der Vertreibung der Deutschen fast ausschließlich aus Polen zusammensetzt, bereits zum zweiten Mal ihre „Ferienbegegnung mit der Kultur“. Diese Begegnung startet um
11 Uhr mit einer Messe in der klassizistischen Koppitzer Pfarrkirche, die in den Jahren 1802 bis 1822 erbaut wurde. In diesem Gotteshaus findet um 15 Uhr ein Konzert des Orgel- und Geigenmeisters Adam Musialski aus Kattowitz statt.

Und weil in diesem Jahr dem 115. Todestag Johannas von Schaffgotsch, dem „schlesischen Aschenputtel“ und dem
110. Todesjahr Hans Ulrichs von Schaffgotsch gedacht wird, steht das Mausoleum derer von Schaffgotsch neben der Kirche für Besucher offen.

Diese neoklassizistische Grabkapelle in der Form eines griechischen Tempels hatten sich Johanna und Hans Ulrich von Schaffgotsch nach den Plänen des gebürtigen Stettiner Architekten Carl Johann Lüdecke in der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts errichten lassen. Als erste wurde dort 1910 Johanna von Schaffgotsch beigesetzt. Ihr Gatte Hans Ulrich folgte ihr fünf Jahre später.

Johannas Leben (1842–1910) beschäftigt Menschen bis heute, denn sie verkörpert den Traum vom Aufstieg eines Aschenputtels zur Prinzessin. Das Bergarbeiterkind, das nach dem Tod ihres Vaters von der Mutter sich selbst überlassen wurde, wurde mit vier Jahren von dem oberschlesischen Bergbaumagnaten Karl Godulla (1781–1848) auf Schloss Schomberg (Szombierki) bei Beuthen in Obhut genommen und zur Alleinerbin seines Vermögens gemacht.

Johanna lernte den Grafen Hans Ulrich von Schaffgotsch (1831–1915) kennen, und damit er sie heiraten konnte, wurde sie 1858 durch den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. in den Adelsstand erhoben und führte fortan den Namen Johanna Gryczik von Schomberg-Godulla. Doch das enorme Kapital der Erbin Johanna ging nicht in den Besitz ihres Gatten über, sondern floss in die Firma „Gräfin Schaffgotsch'sche Verwaltung“ als Eigentum Johannas ein.

Zu diesem Unternehmen gehörten Anteile an 60 Kohlegruben und Galmeibergwerken, die der Zinkproduktion dienten. Johanna und Hans Ulrich bauten die größte Zinkproduktion Deutschlands auf. Um 1900 gehörten die Schaffgotsch-Werke zu den vier größten Montanunternehmen Schlesiens, die 1891 fast 5000 Arbeiter beschäftigten.

Die Eheleute von Schaffgotsch kauften 1859 Schloss Koppitz und ließen es zum Märchenschloss umbauen. Das Paar bekam vier Kinder: Elisabeth, Clara, Hans Karl und Eleonore. Johanna genoss nicht nur den Ruf einer cleveren Geschäftsfrau, sondern auch einer spendablen Wohltäterin. Sie stiftete Krankenhäuser, Kirchen, Schulen und unterhielt ein Waisenhaus in Beuthen O.S. [Bytom]. Dennoch wurde ihr Leichnam und der ihres Gatten 1945 aus dem zuvor geplünderten Mausoleum entfernt.

1978 hatte man ihre Überreste in einem Gemeinschaftsgrab direkt neben dem Mausoleum beigesetzt. Erst 2019 erfolgte auf Initiative des Kattowitzers Maciej Mischok und des Koppitzer Pfarrers Jarosław Szeląg eine Exhumierung und die erneute Beisetzung im bereits restaurierten Mausoleum.

Maciej Mischok, der seit mehr als 30 Jahren die Geschichte von Koppitz erforscht, ist glühender Anhänger des „schlesischen Aschenputtels“, das wohl zur reichsten Frau Europas wurde. Er half dem Koppitzer Pfarrer, staatliche und private Spenden für die Restaurierung des Mausoleums zu beschaffen. Auch konnte er Koppitzer Gemeindeglieder animieren, bei Aufräumarbeiten oder der Organisation von Veranstaltungen zu helfen. Derzeit arbeitet Mischok an der Einrichtung einer Gedenkstube zur Geschichte der Parochie, des Ortes sowie der Familie von Schaffgotsch. Und am 22. Juni, am Vortag des Sterbedatums des „schlesischen Aschenputtels“ vor 115 Jahren, erhofft er sich viele spendable Besucher, denn das renovierte Mausoleum der Familie von Schaffgotsch steht für Mischok symbolisch für die Aufarbeitung der schlesischen Geschichte.


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