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Ein ehemaliger Herausgeber des „Tagesspiegel“, Lothar C. Poll, hat ein Lesebuch mit Texten aus dem „Schicksalsjahr“ 1948 veröffentlicht
Der Berliner Lukas-Verlag lässt im Nachklang zur Berliner Blockade das „Schicksalsjahr“ 1948 in einer Sammlung teils dramatischer Texte aus dieser Zeit Revue passieren. Autor ist mit Lothar C. Poll ein ehemaliger Herausgeber des Berliner „Tagesspiegel“. Mehrere Texte stammen aus der Feder seiner Vorgänger Erik Reger und Franz Karl Maier. 1948 war in der Tat ein bewegtes Jahr. Die Sowjets beendeten ihre Mitarbeit im Kontrollrat und wenig später in der Berliner Kommandantur. In den westlichen Besatzungszonen und in den Berliner Westsektoren wurde die D-Mark eingeführt, worauf die Sowjets mit der Blockade reagierten. Im September richtete Ernst Reuter seinen dramatischen Appell an die „Völker der Welt“. Im Dezember spaltete sich endgültig die Berliner Stadtverordnetenversammlung. Gleichzeitig wurde hitzig über die Bestrafung von NS-Tätern diskutiert.
In „Zwei Jahre nach Hitler“ malt Erik Reger ein düsteres Bild von der Unterversorgung der Bevölkerung und begrüßt die von den Westmächten befohlene Währungsreform. Chefredakteur Rudolf Herrnstadt vom SED-Organ „Neues Deutschland“ sieht den Osten auf der Siegerstraße der Geschichte, „weil die KPdSU wie ein Schneepflug die bestimmende Furche zieht durch den Klassenkampf auf dieser Erde“ (ein typisches SED-Schicksal: nach dem 17. Juni 1953 fällt Herrnstadt in Ungnade und muss froh sein, „nur“ abgeschoben zu werden zum Zentralarchiv in Merseburg). Der ehemalige „Weltbühnen“-Autor Kurt Hiller hofft auf eine intellektuelle Aussöhnung. Es gebe nur eine Aufgabe, „die Jesus-Marx-Linie der Nächstenliebe und die Platon-Nietzsche-Linie der Geistesherrschaft konvergieren zu lassen“.
1948 stand der ehemalige Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht nach Freispruch in Nürnberg vor einem deutschen Gericht. Das Buch bringt die umfangreiche Anklageschrift des Juristen Franz Karl Maier, die ihm postwendend die Enthebung als Ankläger eintrug. Am beeindruckendsten ist vielleicht der kurze, sehr emotionale Text des früheren Reichsinnenministers Carl Severing (SPD). Niemals, so Severing, habe Schacht mit fairen Waffen gekämpft und schließlich Hitler „silberne Kugeln“ für „seinen Krieg gegossen: Dieser Mann war ein Unglück für Deutschland.“
Das schmale Buch lässt in der Tat den Atem der Geschichte spüren, in der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit wie in der von Angst, Hunger und Wohnungsnot geprägten Nachkriegszeit.
Lothar C. Poll: „1948. Ein Augenblick Berlin. Auf dem Weg zur geteilten Stadt“, Lukas Verlag, Berlin 2024, broschiert, 232 Seiten,
24 Euro