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Fußball-EM

Berlin werden die Augen geöffnet

Debatte um Wolfsgruß: Der radikale Auftritt türkischer Fans wirft eine Reihe peinlicher Fragen auf

Hermann Müller
11.07.2024

In Berlin fiel der sogenannte Wolfsgruß des türkischen Fußballnationalspielers Merih Demiral beim EM-Spiel gegen Österreich in eine bereits brodelnde Diskussion um das Verhalten türkischer Fußballfans. Bereits nach dem Einzug der türkischen Nationalmannschaft ins EM-Achtelfinale hatten Fans mit rücksichtslosen Autokorsos die Hermannstraße und die Sonnenallee in Neukölln und den Kurfürstendamm und die Tauentzienstraße in der City-West über Stunden lahmgelegt. Bis spät in die Nacht hielten mehrere Tausend türkische Fans zudem Anwohner mit Hupkonzerten, „Türkiye“-Rufen, Pyrotechnik und lauter Musik wach. Auf der Hermannstraße erlag ein türkischer Rentner schweren Verletzungen, nachdem er von einem Jubel-Raser bei einem Autokorso mit hohem Tempo überfahren worden war. Der Fahrer des 500-PS-Wagens beging obendrein Fahrerflucht, indem er den Senioren auf der Straße liegen ließ.

Berlins FDP-Landeschef Christoph Meyer forderte nach den Ausschreitungen ein härteres Durchgreifen der Polizei. Bei Spielen der Türkei herrsche in der Hauptstadt Ausnahmezustand, so die Begründung des Politikers. Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), sprach im Vorfeld der Partie Türkei-Niederlande sogar von einem „Nonplusultra-Hochrisikospiel“. Der Besuch des türkischen Präsident Erdoğan beim Spiel gegen die Niederlande hatte interessanterweise keine großen Auswirkungen auf die Kräfteplanung der Polizei: Diese „hole ohnehin alles in den Dienst, was laufen kann“, so der GdP-Landeschef.

Verbot seit 2020 gefordert
Zur Bewährungsprobe wurde dann bereits der Fanmarsch von 8000 Anhängern der türkischen Mannschaft vor dem Spiel. Nach Polizeiangaben zeigten Fans während des Anmarsches durch den Berliner Westen in Richtung Olympiastadion massenhaft den sogenannten Wolfsgruß, das Erkennungszeichen der Grauen Wölfe. Mit der Begründung, der Fanmarsch sei keine politische Versammlung, löste die Polizei den Umzug der türkischen Fans schließlich auf. Auch nach dem EM-Ausscheiden der türkischen Mannschaft läuft nun die Diskussion um die Grauen Wölfe und ihren Wolfsgruß weiter.

Aufgekommen ist dabei die Frage, warum die Grauen Wölfe und ihre Symbole in Deutschland nicht schon längst verboten sind. Die Gefährlichkeit von Anhängern dieser extremistischen Organisation ist den deutschen Sicherheitsbehörden durch Morde und diverse andere Straftaten seit Jahrzehnten bekannt. Dem Bundesinnenministerium liegt seit November 2020 ein Prüfauftrag des Deutschen Bundestages für ein Verbot der Grauen Wölfe vor.

Ali Ertan Toprak, der Bundesvorsitzende der Kurdischen Gemeinde, erhob im Deutschlandfunk den Vorwurf, die Bundesregierung scheue ein Verbot der Grauen Wölfe und ihrer Symbole, weil sie offenbar „keinen Ärger mit der Türkei“ wolle. Kamal Sido von der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ wies darauf hin, dass die Türkei ein Teil der NATO sei. „Deshalb passiert auch so wenig gegen die Grauen Wölfe“, so Sidos Schlussfolgerung An die Adresse des von Nancy Faeser (SPD) geführten Bundesinnenministeriums sagte der Nahost-Experte: „Es wäre viel getan, wenn das Innenministerium Vereine mit Verbindungen zu den Grauen Wölfen nicht finanziert und sich kritisch äußert und aufklärt.“

Integration ist gescheitert
Rücksicht auf das NATO-Mitglied Türkei ist allerdings nur ein möglicher Grund für die auffallend lange Zurückhaltung gegenüber den Grauen Wölfen. Ein Verbot, gar eine Einstufung als terroristische Vereinigung, hätte nämlich auch innenpolitische Auswirkungen. Die Bundeszentrale für politische Bildung geht davon aus, dass sich hierzulande bereits mehr als 18.000 Türken den Grauen Wölfen angeschlossen haben. Damit ist die Gruppe die mitgliederstärkste rechtsextreme Organisation in Deutschland.

Bei einem Verbot könnte schnell eine Diskussion aufkommen, ob die Ampel-Regierung mit ihrem bisherigen „Kampf gegen Rechts“ tatsächlich die richtigen Schwerpunkte gesetzt hat. Sollte die Ampel nur den Wolfsgruß verbieten, nicht aber auch die Organisation dahinter, könnte ein solch halbherziger Schritt die Glaubwürdigkeit der bisherigen Linie der Bundesregierung untergraben.

Indes: In einigen migrantischen Milieus gehört der Gruß der Grauen Wölfe längst zum Alltag. Sollte der Wolfsgruß ähnlich wie etwa Hakenkreuz-Schmiererein unter Strafe gestellt werden, kann dies die Deliktzahlen in der Polizeistatistik zur politisch motivierten Kriminalität durch die Decke schießen lassen. Zuordnen müssten die Strafverfolgungsbehörden dies dann dem Bereich des Auslandsbezogenen Extremismus. Jahrzehnte nach der Ankunft der ersten Gastarbeitergeneration aus der Türkei wurde dies als unübersehbares Zeichen dafür gewertet werden, dass jahrzehntelange Integrationsbemühungen bei einem beträchtlichen Teil der Immigranten offensichtlich erfolglos waren.


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