02.07.2025

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Bundesministerin Karin Prien betonte, dass aus der Leidensgeschichte der Vertriebenen für heute Lehren gezogen werden müssen
Bild: BdVBundesministerin Karin Prien betonte, dass aus der Leidensgeschichte der Vertriebenen für heute Lehren gezogen werden müssen

Tag der Vertriebenen

„Lernen, zuzuhören“

Gedenkstunde für 15 Millionen Deutsche zur Vertreibung vor 80 Jahren

Bodo Bost
02.07.2025

Seit 2015 gedenkt die Bundesregierung am 20. Juni der Opfer von Flucht und Vertreibung weltweit sowie insbesondere der deutschen Vertriebenen. Millionen Deutsche mussten am Ende des Zweiten Weltkriegs und in den Jahren danach ihre Heimat verlassen. Frauen und Mädchen stellten dabei etwa 80 Prozent der Vertriebenen, denn die Männer waren oft noch an den Fronten oder bereits in Gefangenschaft. An die Frauen wurde beim diesjährigen Gedenken besonders erinnert. Frauen erlebten bei der Flucht unvorstellbare Gewalt, trotzdem mussten sie doch auch in allergrößter Not weiter für ihre Familien sorgen und taten dies in größter Aufopferung. Dennoch wurden ihre Geschichten lange übersehen, ihre Traumata oft verschwiegen. Bundesfamilien- und Bildungsministerin Karin Prien (CDU) verband das Schicksal von Millionen vertriebener deutscher Frauen mit dem Schicksal heutiger Flüchtlinge.

Aus der Geschichte deutscher Vertriebener nach dem Zweiten Weltkrieg lässt sich aus Sicht von Prien etwas für die Gegenwart mit Millionen Flüchtlingen lernen. „Wir können auch aus der gewaltigen Lebensleistung der Vertriebenen erkennen, was helfen kann, solch furchtbares Leid und Unrecht zu überwinden“, sagte die Hamburger Unionspolitikerin. Was helfe, sei eine stärkende Gemeinschaft, etwa in Form von Verbänden. Beispielhaft nannte die Bundesministerin den Frauenverband, der sich 1959 im Bund der Vertriebenen (BdV) mustergültig gegründet und etabliert habe.

Aus der Not heraus solidarisiert
Zum Abschluss der Veranstaltung sprach der Siebenbürger Sachse Bernd Fabritius, der Präsident des Bundes der Vertriebenen. Der BdV sei nach dem Zweiten Weltkrieg aus einer Notwendigkeit heraus gegründet worden, weil die deutschen Landsleute, die aus ihrer östlichen Heimat vertrieben, leidgeprüft, mittellos und hoffnungslos waren, sich nach und nach organisieren wollten. Versprengt und in die Fremde verstreut, suchten sie nach Strukturen, die vertraut waren und Halt boten in bitterster Not. Es waren die Schlesier, die Pommern und die Ostbrandenburger, die Danziger, die Ost- und Westpreußen und die Deutschen aus dem Baltikum, die Sudeten- und die Karpatendeutschen, die Landsleute aus dem mittleren Donauraum und den deutsch besiedelten Gebieten der damaligen Sowjetunion. All diese geflüchteten und vertriebenen Menschen bildeten Landsmannschaften, die vielfach bis heute Bestand haben und unter dem Dach des Bundes der Vertriebenen zusammenwirken.

Politische Menschenverschiebung
Auch Fabritius erinnerte besonders an die Frauen, ihre Kinder und deren Großeltern, die Opfer der massiven Vertreibungen mit all ihren unmenschlichen und willkürlichen Begleiterscheinungen wurden. Massenhafte Vergewaltigungen waren schon damals – aber auch heute wieder in der Ukraine – keinesfalls Einzelfälle oder Zufallsgeschehen, sondern gezielt gesetzte Muster des Grauens. „Daran wollen wir gerade auch in diesem runden Gedenkjahr besonders erinnern. Die Vertreibung von 15 Millionen Deutschen war die größte, politisch veranlasste ,Menschenverschiebung' der Geschichte. Man vergisst viel zu oft, dass es sich dabei um die Summe persönlich ertragener Einzelschicksale handelt.“

Weit über 2,5 Millionen von ihnen verloren ihr Leben oder blieben bis heute vermisst. „Das, was unseren Landsleuten im Osten gegen Ende und nach dem Krieg widerfahren ist, bleibt als Bruch ganzer Lebensbiografien bestehen. Noch immer suchen wir nach Wegen, die Traumata dieser Zeit zu verarbeiten; wissenschaftlich wie emotional, jeder für sich – oder gemeinsam, in der Öffentlichkeit. Sie wirken über Generationen hinweg“, sagte Fabritius mit bewegenden Worten.

Sprechen, verstehen, zuhören
Zu einer menschlichen Gesellschaft gehöre das Gedenken, es erinnere uns daran, dass unsere Freiheit, der Frieden und der Zusammenhalt nicht selbstverständlich sind. Angesichts des demographischen Wandels müssten die Älteren versuchen, die junge Generation mit viel Kreativität in das Gedenken einzubeziehen, damit dieses nicht bei den Älteren stehenbleibe. Die Generationen müssten sich viel erzählen, sowie lernen zuzuhören. Junge Menschen hätten vielleicht andere Wege, sich zu erinnern, oder ihr Gedenken zu ordnen. Sie schafften neue Ausdrucksformen und nutzen digitale Medien. Sie gestalteten Erinnerungsprojekte auf ihre Weise. Wichtig sei, dass die Inhalte weitergetragen werden, mahnte Fabritius mit großer Eindringlichkeit.

„Jeder Krieg, jede Vertreibung, jede ethnische Säuberung – gleichgültig wo, wann und mit welcher Begründung – waren und sind immer Verbrechen“, beendet Fabritius seine Rede, die bei den anwesenden Gästen ihre Wirkung keinesfalls verfehlte, was anschließende deutlich Gespräche dokumentierten.


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