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Gesellschaft

Bestellt und nicht abgeholt

Während Millionen Ukrainer versuchen, vor dem Krieg zu fliehen, dürfen Hunderte von Leihmüttern ausgetragene Babys sowie schwangere Leihmütter das Land nicht verlassen. So offenbaren sich die Abgründe eines unethischen Geschäfts

Birgit Kelle
24.03.2022

In der Ukraine herrscht nicht nur Krieg, sondern auch Kinderstau. Hunderte von Neugeborenen warten in Luftschutzkellern von Reproduktionskliniken wie etwa bei Marktführer BioTexCom darauf, von ihren Besteller-„Eltern“ abgeholt zu werden. Diese scheuen zwar nicht das Überschreiten ethischer Grenzen, um mit allen Mitteln der Reproduktionsmedizin und viel Geld an ein Kind zu kommen, aber dann doch das Überqueren realer Landesgrenzen bei Lebensgefahr für sich selbst. Leidtragende des kriegsbedingten Kinder-Lieferketten-Staus sind die Kinder selbst, die nun neugeboren in Plastikkörbchen in Luftschutzkellern von fremden Krankenschwestern versorgt werden, bis jemand sie holt. Die Leihmütter müssen in der Regel mit Kaiserschnitt entbinden und dürfen das Kind nicht stillen, damit keine Bindung zum Kind aufgebaut wird. Das Naheliegendste in dieser Notsituation, dass die Gebärenden ihre Kinder selbst versorgen, darf also nicht passieren, stattdessen bekommen die Kinder Milchfläschchen von Fremden.

Die Kliniken, die dieses lukrative Geschäft mit dem unerfüllten Kinderwunsch weltweiter und häufig homosexueller Paare betreiben, wenden sich nun mit dramatischen Appellen an ausländische Botschaften und Politiker, um Lösungen zur Ausfuhr der Kinder aus dem Kriegsgebiet zu finden. Immerhin hat jedes einzelne Baby zwischen 50.000 und 70.000 Euro gekostet. Somit liegen wahre Schätze in Kiews Kellern, und es gilt abseits des menschelnden Faktors auch, Verträge zu erfüllen.

Wenn Kinder zur Ware werden

Natürlich muss man diesen Kindern jetzt helfen, sie können wirklich gar nichts für ihre Lage. Allerdings dokumentiert die Situation leider auch sehr anschaulich, wohin es führt, wenn man einmal damit beginnt, Kinder wie Objekte zu handeln. Man kann nur hoffen, dass im Durcheinander des Krieges nicht noch Kinder vertauscht und falschen Eltern zugeordnet werden, und sich daraus noch weit größere Dramen ergeben. Die Bilder aus den Kinderschlafräumen zeigen Klebezettel mit Nummern, die am Bettchenrand mit Pflasterstreifen festgeklebt sind. Alles ein reiner Wahnsinn.

„Helft den Eltern, ihre Kinder zu holen!“ rufen nun manche Zeitungsredaktionen dramatisch. Und wer angesichts der Bilder dieser kleinen Würmchen in ihren Plastikschalen nicht emotional aufheizt, hat kein Herz. Gleichzeitig bedeutet Unterstützung für diese Eltern juristisch, ihnen bei der Durchführung einer Straftat behilflich zu sein. Muss man jenen helfen, die sich bewusst über die Rechtsordnung ihrer Länder hinwegsetzen und im Ausland das tun, was im eigenen Land verboten ist? Immerhin 15.000 Paare in Deutschland tun dies jährlich. Ungefähr 6000 davon in der Ukraine, die inzwischen zum europäischen Eldorado des Leihmutterschafts-Geschäfts mutiert ist. Sicher ist, wir müssen aus humanitären Gründen den Kindern helfen, die Eltern müsste man aber genaugenommen anzeigen.

Aber damit nicht genug: Nicht nur die Neugeborenen, auch Hunderte schwangerer Frauen, die im Auftrag reicher West-Paare gerade Kinder austragen, dürfen nicht ins sichere Ausland flüchten. Allein die Firma BioTexCom spricht von rund 600 Schwangeren. Täglich werden etwa drei Kinder allein bei diesem Unternehmen geboren. Was passiert danach mit den Leihmüttern? Wer sichert ihre medizinische Versorgung nach Kaiserschnitt gerade mitten in Kiew?

Jene, die noch nicht entbunden haben, dürfen das Land nicht verlassen, haben aber oft eine eigene Familie und eigene andere Kinder. Die Kliniken nehmen bewusst Frauen mit Geburtserfahrung unter Vertrag. Sie sind vertraglich gebunden, während der Schwangerschaft auf gesunde Ernährung zu achten, Drogen und Alkohol zu meiden, dürfen aber auch jetzt das Land nicht verlassen, weil sie sich sonst strafbar machen. Oder schlimmer: Weil sie die Kinder, sollten sie im Ausland gebären, eventuell behalten müssen, weil die meisten europäischen Staaten – wie auch Deutschland – Leihmutterschaft unter Strafe stellen. Diese Kinder würden auf deutschem Boden also nicht mehr an die Besteller ausgehändigt werden. Ein Dilemma für alle Beteiligten an diesem Menschenhandel.

So zeigt der Krieg nicht nur die hässlichen Seiten der menschlichen Natur, sondern auch die Fratze dessen, was man in unseren Breitengraden unter dem Begriff „Leihmutterschaft“ subsumiert. Ein verniedlichender Begriff, denn hier wird ja keine Mutter geliehen, sondern eine Frau im wahrsten Sinne des Wortes zum reinen Brutkasten degradiert. Als Mutter will man sie ja explizit gerade nicht.

Das Problem ist nicht neu

Bereits vor fast genau zwei Jahren, während der ersten Corona-Lockdowns, waren ähnliche Problemlagen in der Ukraine entstanden. Durch die weltweiten Reisebeschränkungen hingen auch damals Hunderte von Neugeborenen in der Ukraine fest. Bestellt und nicht abgeholt. Die Kliniken setzten auch damals Hilferufe an ausländische Institutionen ab, immer bemüht, die Balance zu halten zwischen der Dramatik der Lage bei gleichzeitiger Beruhigung der Eltern, dass man alles im Griff habe. Damals bekam man Videos zu sehen von Babywagen-Massen-Räumen, umsorgt von putzig gekleideten Krankenschwerstern mit pastelligen Tiermotivleibchen. Doch genau so, wie sich die Bedürfnisse von Neugeborenen nicht mit den „Social distancing“-Regeln einer globalen Pandemie in Einklang bringen lassen, können sie auch nicht mit bezahlten Krankenschwestern in Luftschutzkellern befriedigt werden.

Das Problem hat jetzt einen anderen Auslöser als vor zwei Jahren, es ist aber in seiner Grundform geblieben und lässt sich einfach zusammenfassen: Leihmutterschaft ist Menschenhandel. Alles, was danach kommt, sind Kollateralschäden, die eben eintreten, wenn man einmal beginnt, Kinder wie Objekte auf dem Weltmarkt zu handeln. Es gilt als Errungenschaft der Zivilisation und weltweite Übereinkunft, dass Organhandel ethisch verwerflich und verboten ist – auch um die Selbstausbeutung armer Menschen zu verhindern. Eine Niere auf dem Weltmarkt zu kaufen wird also kollektiv geächtet. Ein ganzes Kind zu kaufen, wird hingegen unter heterosexuellen und schwulen Promi-Pärchen auch in der Boulevard-Presse zur modernen Form der Familiengründung hochstilisiert.

Wenigstens ist die beschönigende Maske inzwischen deutlicher gefallen als noch vor zwei Jahren. Da die verständlichen Sorgen jener Eltern, die gerade um das Leben ihrer Kinder in Kiew bangen, manche zu allen Mitteln und auch Verzweiflungstaten treibt, sahen sich die ukrainischen Kliniken genötigt, bei Facebook und Co. Klartext zu den potentiellen Eltern zu reden.

Manche von ihnen versuchten nämlich „ihre“ Leihmutter aus der Ukraine ins sichere Deutschland zu holen, bis die wertvolle Brut entbunden ist. Was gut gemeint sein mag, wäre aber illegal, und so warnte BioTeXCom die Kundschaft vor diesem Schritt angesichts der Rechtslage in Deutschland. Wörtlich: „Die Leihmutter wird als Mutter gelten und der Versuch der Übergabe des Kindes als Kinderhandel bezeichnet. Sie werden nie als Eltern des Kindes anerkannt.“

Kinder aus dem Katalog

Genau so ist es faktisch: Kinderhandel. Ein Kind wird mit Hilfe von Katalogen und Internetprofilen geplant. Es existieren Kataloge mit dem angepriesenen Erbgut der Eizellspenderinnen, von Haarfarbe bis Augenfarbe und IQ-Wert. Auf den Internetseiten oder ebenfalls in Katalogen können dann die Leihmütter ausgesucht werden. Bewusst werden alleine für diese beiden Faktoren zwei unterschiedliche Frauen benutzt, damit die Leihmutter nicht ihre eigenen Eizellen austrägt und sie somit keinerlei genetische Verwandtschaft zum Kind besitzt. Das soll nicht nur juristischen Auseinandersetzungen nach der Geburt vorbeugen, sollte die Frau das Kind behalten wollen, sondern auch psychologisch eine Bindung zwischen Gebärender und Kind verhindern. Die Schwangere brütet ein fremdes Ei, und man will auch, dass es ihr fremd bleibt.

Man verzeihe die drastische Sprache. Doch wenn Kinder wie ein Auto mit Sonderanfertigungen auf dem Weltmarkt bestellt, bezahlt und dann abgeholt werden, ist wenig Platz für Sentimentalitäten. Es ist inzwischen ein Milliardengeschäft, weswegen sich der Markt zunehmend auch in Europa ausbreitet, nachdem Indien und Asien voranschritten und die USA deutlich teurer sind. Dort muss man mit einer sechsstelligen Summe rechnen. Ausbeutung von Frauen bleibt es aber auf allen Kontinenten.

Junge Frauen riskieren alle Folge- und Nebenwirkungen massiver Hormonbehandlungen, um als Leihmütter zu fungieren, und werden dabei mit für ihre Verhältnisse hohen Summen gelockt. Zum Vergleich: Von den gut 70.000 Euro, die die Besteller in der Ukraine an die Kliniken zahlen, bekommt die Leihmutter selbst um die 10.000 Euro, während sie mit normaler Arbeit durchschnittlich nur rund 300 Euro monatlich erarbeiten könnte. Sie verdient mit einer Geburt also fast drei Jahresgehälter. Für viele Gebärende sind 10.000 Euro also ein Vermögen. Gerade bezahlen sie jedoch möglicherweise nicht nur mit der Ausbeutung ihrer Körper, sondern vielleicht auch mit ihrem Leben dafür.

Perspektiven für Deutschland

In Deutschland ist Leihmutterschaft noch verboten. Das Embryonenschutzgesetz verhindert sowohl Eizellspende als auch Embryonenspende und Leihmutterschaft. Die Betonung liegt auf „noch“, denn die aktuelle Ampelregierung hat sich auf die Fahnen geschrieben, zumindest die sogenannte „altruistische“, oder auch „nicht-kommerzielle“ Leihmutterschaft legalisieren zu wollen. Die blumige Theorie besagt, dadurch, dass kein Geld zwischen Bestellern und Leihmutter fließt, wäre alles nur ein Akt der Nächstenliebe für verzweifelte Menschen mit Kinderwunsch und somit eine gute Tat. Gerne bemüht man das Beispiel der Schwester, die für ihre Schwester oder die Mutter, die für Sohn oder Tochter stellvertretend das Kind austrägt. Es bleibt also quasi in der Familie.

Die Realität in der Erfahrung anderer Länder zeigt jedoch: Die altruistische Variante ist nur die Einstiegsvariante und Türöffner für den kommerziellen Markt. Und ganz so nicht-kommerziell ist es auch nicht in der altruistischen Variante, denn selbstverständlich lassen sich die dafür nötigen Fertilitätskliniken dafür fürstlich bezahlen. Die Einzige, die hier zwar das gesamte gesundheitliche Risiko und das Kind trägt, dafür aber rein gar nichts bekommt, ist die Leihmutter selbst.

Aber das nennt sich modern und laut neofeministischer Auslegung „selbstbestimmte weibliche Reproduktionsarbeit“. Welch ein emanzipatorischer Fortschritt.

• Birgit Kelle ist Publizistin und schreibt unter anderem für „Die Welt“, „Focus“ und „The European“. Zuletzt erschien „Noch Normal? Das lässt sich gendern! Gender-Politik ist das Problem, nicht die Lösung“  (FinanzBuch Verlag 2020).
www.birgit-kelle.de


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Kommentare

Marianne Heck am 01.04.22, 17:57 Uhr

Es ist nicht nur ein Problem der beteiligten Mütter und Eltern, sondern ein Verbrechen an den Kindern, das durchaus gesllschaftliche Auswirkungen haben wird. Die frühen auch pränatalen Prägungen, die Bindung an die Mutter, die bereits in der Schwangerschaft entsteht, das Gefühl von Geborgenheit, das Erfahren von Zuwendung von Beginn an, alle die Gefühle, die sich ganz früh entwickeln und durchs Leben tragen, werden ersetzt durch durch Erfahrungen der Fremdheit, Verlassenheit, Heimatlosigkeit. Die Babys werden hochgradig traumatisiert und in ihrer Würde verletzt. Ob das später wieder zu heilen ist, bezweifele ich.

Marc Smeets am 26.03.22, 13:45 Uhr

Meine geschätzte Frau Kelle, diesmal sende ich Ihnen keine Email, sondern lasse auch andere daran teilhaben:

Matthäus 18
1 Zu derselben Stunde traten die Jünger zu Jesus und sprachen: Wer ist nun der Größte im Himmelreich?
2 Und er rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie
3 und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.
4 Wer nun sich selbst erniedrigt und wird wie dieses Kind, der ist der Größte im Himmelreich.
5 Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.

Möglicherweise wäre die Welt ein bißchen besser, wenn nicht alles in Vergessenheit geraten wäre.

Micha . am 24.03.22, 21:35 Uhr

Sehr treffend beschrieben!

Berlin 59 am 24.03.22, 20:59 Uhr

Da hilft nur die Leihmutterschaft Weltweit verbieten.

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