24.01.2025

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
Der Ort des Schreckens: Magdeburgs menschenleerer Weihnachtsmarkt am Tag nach der Tat
Bild: imago/dts NachrichtenagenturDer Ort des Schreckens: Magdeburgs menschenleerer Weihnachtsmarkt am Tag nach der Tat

Terrorismus

Bestens informiert – aber untätig

Politiker überschlagen sich nach Magdeburger Anschlag mit Forderungen, die längst erfüllt sind

Hermann Müller
08.01.2025

Nach dem Anschlag von Magdeburg wiederholt sich ein Muster, das bereits nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im Dezember 2016 und der Messerattacke von Solingen im August 2024 zu beobachten war: Politiker überschlagen sich mit Forderungen nach strengeren Gesetzen, nach Vorratsdatenspeicherung und zusätzlichen Kompetenzen für die Sicherheitsbehörden. In den Hintergrund gerät dabei die Frage, warum längst bestehende Möglichkeiten nicht genutzt werden.

Nach dem Magdeburger Anschlag liegt von Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) die Forderung nach mehr Vernetzung zwischen Bund und Ländern vor: „Wir brauchen eine gemeinsame polizeiliche Datenplattform. Alle Landespolizeien und auch der Bund sollten von überall und jederzeit Zugriff auf Informationen haben, die für die tägliche Arbeit von Relevanz sind“, so Zieschang. Auch der SPD-Politiker Lars Castelluci, Vorsitzender des Bundestagsinnenausschusses, fordert eine einheitliche Datenbank für alle Polizeibehörden. „Wir brauchen ein besseres Gesamtbild von solchen Tätern, insbesondere wenn sie nicht in so ein Raster passen, wie wir es gängig haben: Islamist, rechts, links.“

Abwehrzentrum schon 20 Jahre alt
Aus dem Blick geraten ist mit solchen Forderungen, dass in Deutschland bereits seit zwanzig Jahren eine Kooperationsplattform existiert, über die Sicherheitsbehörden Informationen austauschen können. Die Rede ist vom Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum (GTAZ). Gegründet wurde das GTAZ als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September 2001 in den USA. Bei dem in Berlin-Treptow angesiedelten Zentrum arbeiten insgesamt 40 Behörden zusammen: Beteiligt sind neben den Verfassungsschutz- und Polizeibehörden von Bund und Ländern auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das Zollkriminalamt, der Bundesnachrichtendienst, der Militärische Abschirmdienst und Vertreter der Generalbundesanwaltschaft.

Faktisch steht in Deutschland damit seit der Gründung des GTAZ im Jahr 2004 eine Superbehörde zur Terrorabwehr zur Verfügung. Ob es insbesondere für die enge Zusammenarbeit von Polizei und Geheimdiensten im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum eine gesetzliche Grundlage gibt, ist unter Verfassungsrechtlern dagegen umstritten. Das GTAZ firmiert deshalb offiziell auch nur als „Kooperationsplattform“ für Behörden, nicht aber als eigenständige Behörde.

Dessen ungeachtet treffen sich Vertreter der beteiligten Behörden in der Einrichtung im Berliner Südosten zu täglichen Lagebesprechungen. Bei diesen Treffen geht es um ganz konkrete Fälle von Gefährdern, denen Terroranschläge oder Attentate zugetraut werden.

Erst wenige Wochen vor dem Magdeburger Anschlag hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser in einem Festakt zur GTAZ-Gründung im vergangenen Oktober das Zentrum als „zentralen Pfeiler für unsere Sicherheit“ bezeichnet. Wie Bundesinnenministerium und Bundeskriminalamt anlässlich des 20. Gründungsjubiläums mitteilten, wurden bislang 24 islamisch motivierte Anschläge verhindert. Angesichts dieser Bilanz stellt sich die Frage, warum nicht auch der Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt verhindert werden konnte.

Die Voraussetzungen wären eigentlich durchaus günstig gewesen. Der tatverdächtige Taleb A. hatte seine Absichten nämlich keineswegs verheimlicht. Er war über Jahre in sozialen Medien extrem aktiv gewesen. Seit März 2016 postete er mehr als 100.000 Beiträge. Darin drückte er einerseits nicht nur Sympathien für die AfD aus, sondern immer wieder auch seine Unterstützung für Israel.

Taleb A. drohte ganz offen
Daneben fiel Taleb A. aber auch durch handfeste Drohungen auf, die, wenn sie von einheimischen Rechtsextremisten geäußert worden wären, vermutlich sehr schnell Reaktionen von Staatsanwaltschaften und Sicherheitsbehörden zur Folge gehabt hätten: Auf X, ehemals Twitter, erklärte er etwa erst vor wenigen Monaten: „Ich versichere Ihnen: Wenn Deutschland Krieg will, werden wir ihn haben. Wenn Deutschland uns töten will, werden wir sie abschlachten, sterben oder voller Stolz ins Gefängnis gehen.“

Offenbar ist Taleb A. tatsächlich auch Thema im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum gewesen. Am 6. Februar 2015 sollen im GTAZ Vertreter des Landes Mecklenburg-Vorpommern das Bundeskriminalamt über mögliche Anschlagspläne von Taleb A. informiert haben.

Hintergrund waren seinerzeit Drohungen des saudi-arabischen Staatsbürgers gegenüber der Landesärztekammer von Mecklenburg-Vorpommern sowie gegen eine Kommunalbehörde in Stralsund. Am Ausbleiben eines Austauschs zwischen Bundes- und Landesbehörden oder dem Fehlen einer Möglichkeit zur Vorratsdatenspeicherung kann es somit nicht gelegen haben, dass Taleb A. nicht genügend als ernsthafte Gefahr wahrgenommen wurde.


Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie die PAZ gern mit einer

Anerkennungszahlung


Kommentar hinzufügen

Captcha Image

*Pflichtfelder

Da Kommentare manuell freigeschaltet werden müssen, erscheint Ihr Kommentar möglicherweise erst am folgenden Werktag. Sollte der Kommentar nach längerer Zeit nicht erscheinen, laden Sie bitte in Ihrem Browser diese Seite neu!

powered by webEdition CMS