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Beton statt Idylle: Modell der geplanten Bauten
Foto: Stadtverwaltung SelenogradskBeton statt Idylle: Modell der geplanten Bauten

Rossitten

„Betonklötze“ inmitten einer einmaligen Naturlandschaft

Gegen den geplanten Bau eines Massentourismus-Resorts am Kurischen Haff erheben Bewohner und Fachleute Beschwerde

Carsten Kallweit
08.08.2024

Rossitten [Rybatschij] ist mit etwa 800 Einwohnern das größte Dorf auf der russischen Seite der Kurischen Nehrung. Die größten Arbeitgeber sind der Nationalpark und eine örtliche Fischereigenossenschaft. Viele Einwohner von Rossitten sind auch im Tourismus tätig: Es gibt mehrere Gästehäuser und Gastronomiebetriebe. Für die Ortsbewohner gibt es keine Probleme mit der Beschäftigung. Im Sommer lockt das Dorf sogar Arbeitnehmer aus anderen Orten der Region an. Außerhalb der Saison gibt es genug Menschen, welche die Nehrung sowohl im Herbst als auch im Winter besuchen. Rossitten lockt mit schönen Haff-Ansichten, Fisch, Bernstein-Souvenirs, zwei Museen, Fahrradverleih und einer Reitschule.

Nun droht ein Großbau diese Idylle zu zerstören. Das Investitionsprojekt umfasst nicht nur den Bau von bis zu 21 Meter hohen Hotels, sondern auch die Errichtung eines internationalen Grenzübergangs für Segler und Schiffsreisende, eines Yachthafens mit Schutzpier und eines Touristenresorts. Nach Abschluss der Bauarbeiten, die etwa drei Jahre dauern werden, rechnet man mit 400 neuen Dauerarbeitsplätzen und etwa 800 Saisonarbeitsplätzen vor Ort.

Laut der Kreisverwaltung von Cranz [Selenogradsk] ist für das künftige Resort ein Grundstück von 3,5 Hektar vorgesehen. Die Länge der geplanten Baustelle beträgt mehr als 700 Meter. Zuvor gehörte dieses Baugrundstück einer örtlichen Fischerei-Kolchose, dann einer Bank. Nach deren Insolvenz wurde die Immobilie von einem Privatunternehmen teuer ersteigert.

Architekten aus Königsberg bezeichnen die Idee, hohe Hotelgebäude auf der Nehrung zu bauen, als großen Fehler. Typisch für die Kurische Nehrung waren und sind Feriendörfer, und keine Resorts für Massentourismus. Viele Moskauer Wissenschaftler vertreten eine ähnliche Meinung, dass in dem Nationalpark unter anderem auch das einzigartige Erscheinungsbild der Landschaft schützenswert ist. Die Kurische Nehrung verbinden viele mit Kiefernwäldern, Dünen, uriger Natur. Nun will man „Betonklötze“ inmitten dieser Landschaft installieren, sodass auch der ästhetische Wert der Nehrung völlig verloren geht.

Die Ornithologen warnen außerdem davor, dass die Hochhäuser mit vielen Glasflächen ausgerechnet auf der Route der Zugvögel gebaut werden sollen. Sie könnten zu einer Falle für Tausende gefiederter Tiere auf einer der bedeutendsten Vogelzugrouten mit der höchsten Konzentration an Zugvögeln werden. Es würde zum Massensterben von Vögeln führen.

Auch der Moskauer „Expertenrat für Naturschutzgebiete“ lehnt den Bau ab. Die Umweltschützer wandten sich an den Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation mit dem Appell, den Bau des Resorts zu verhindern. Dennoch wurden erste Vorbereitungsarbeiten begonnen. Gleichzeitig geht aus dem Schreiben des russischen Umweltministeriums an den „Expertenrat“ vom Mai hervor, dass bisher keine Genehmigung der Bauaktivitäten auf diesem Standort beantragt wurde. Es besteht daher Grund zur Annahme, dass die Vorbereitungsarbeiten ohne Genehmigung durchgeführt werden, also rechtswidrig sind.

Was dafür spricht
Der Direktor des Nationalparks, Anatolij Kalina, versichert, dass die Behörden alles unter Kontrolle hätten und der Bau erst nach Bestehen einer Umweltverträglichkeitsprüfung möglich sei. Er meint, das geplante Bauvorhaben bringe viele Vorteile: neue Arbeitsplätze und die Urlauber würden dann nicht in die geschützten Bereiche des Nationalparks, sondern in das Resort strömen. Auf die Bedenken, dass schwere Lastwagen mit Baumaterialien die Straßen der Kurischen Nehrung zerstören würden, versichert der Bauherr, alles Notwendige auf dem Wasserweg zu liefern. Es ist auch geplant, Binnenwasserstraßen auf dem Kurischen Haff auszubauen, die Besucher würden weniger Autos nutzen.

Die Einheimischen beschweren sich, dass das malerische Haff-Ufer von einem Bauzaun abgeriegelt wird. Viele haben Angst, dass sich die Bauarbeiten auf die Natur und auf die Einfamilienhäuser negativ auswirken. Man darf nicht vergessen, das Dorf ist auf Sand gebaut. Sie halten die Idee, den Yacht- und Wassertourismus hier zu entwickeln für seltsam, da die Fischer wegen Stürmen oft wochenlang nicht zum Fischfang ausfahren. Die Tourismussaison dauert hier nur ein paar Monate. Nun sollen öffentliche Anhörungen zum Bauprojekt im Oktober und November stattfinden. Carsten Kallweit


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