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Rudolf von Bennigsen

Bismarck-freundlicher Beutepreuße

Der vor 200 Jahren geborene Sohn eines welfentreuen Generalmajors des Königreichs Hannover wurde einer der wichtigsten nationalliberalen Verbündeten des preußischen Ministerpräsidenten bei der Reichseinigung

Bernhard Knapstein
09.07.2024

Die sogenannte Lex Bennigsen verdankt ihm ihren Namen. Rudolf von Bennigsen brachte bei den Verhandlungen über die Verfassung des Norddeutschen Bundes 1867 erfolgreich diesen Zusatz ein, dem zufolge Anordnungen und Verfügungen des Bundes – und später dann des Reiches – vom Kanzler unterzeichnet werden mussten, der damit die Verantwortung übernahm. Diese Aufwertung des Amtes des Kanzlers führte dazu, dass es der preußische Ministerpräsident Otto von Bismarck selbst übernahm.

Am 10. Juli 1824 kam Rudolf von Bennigsen in Lüneburg zur Welt. Der Vater, Karl Ernst Gebhard von Bennigsen, war Generalmajor und Bevollmächtigter des Königreichs Hannover bei der Bundesmilitärkommission in Frankfurt am Main, seine Mutter, Elise de Dompierre von Jonquière, eine Tochter des hannoverischen Generalleutnants Karl von Jonquière. Bennigsen studierte Rechtswissenschaften an der Georg-August-Universität Göttingen und der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. 1843 wurde er im Corps Hannovera Göttingen aktiv, in dem zehn Jahre zuvor bereits Bismarck eine feucht-fröhliche Zeit verbracht hatte. 1844 schloss Bennigsen, das Studium in Heidelberg fortsetzend, sich zudem dem dortigen Corps Vandalia an.

Nach Studium und Referendariat wurde Bennigsen als liberaler Regierungsführer (Amtsauditor) in der zweiten Kammer der Ständeversammlung des Königreichs Hannover politisch aktiv. Es folgte eine Anstellung des Assessors in der Justiz-Kanzlei Aurich, weitere in Osnabrück, Hannover und Göttingen. Als ihm ein Urlaub verweigert worden war, verließ er die juristische Laufbahn und beschäftigte sich mit Landwirtschaft. Im Jahr 1857 trat er wieder in die Abgeordnetenkammer ein und übernahm den Vorsitz der Opposition.

1859 gründete Bennigsen mit Mitstreitern den Deutschen Nationalverein, der sich für eine kleindeutsche Lösung der deutschen Frage unter der Führung Preußens einsetzte sowie die Bildung einer Nationalversammlung und eine starke Zentralregierung zum Ziel hatte. Bennigsen selbst wurde Vorsitzender der Vereinigung.

Ein Jahr nachdem sich Preußen als Folge des gewonnenen Deutschen Krieges 1866 den Kriegsverlierer Hannover einverleibt hatte, wurde Bennigsen Abgeordneter des Preußischen Abgeordnetenhauses sowie des Reichstages des neugegründeten Norddeutschen Bundes. Bennigsens Deutscher Nationalverein löste sich 1867 auf. Die 30.000 Mitglieder gingen zum größten Teil in die neugegründete Nationalliberale Partei (NLP) über.

Vorsitzender der Nationalliberalen
Obwohl er andere Vorstellungen vom Aufbau des neuen Staatswesens hatte, unterstützte Bennigsen im Abgeordnetenhaus wie ab 1871 auch im Reichstag des Kaiserreiches Bismarcks Politik. So war er 1870 Bismarcks Vertrauensmann bei den Verhandlungen zwischen dem Norddeutschen Bund und den süddeutschen Staaten. Der Hannoveraner hat insbesondere im ersten Jahrzehnt nach der Reichsgründung eng mit Bismarck zusammengearbeitet, der ihn wegen seines Pragmatismus schätzte.

Dem Hannoveraner, der erst 1866 Preuße wurde, fehlte die unmittelbare Erfahrung des preußischen Verfassungskonfliktes. Deshalb war er Bismarck gegenüber weitaus positiver eingestellt als seine altpreußischen Parteifreunde. Diese unterschiedlichen historische Vorprägungen innerhalb der Nationalliberalen Partei förderte später die Spaltung der Partei.

Von 1873 bis 1879 war Bennigsen Präsident des Preußischen Abgeordnetenhauses. Ab 1871 führte er als Mitglied des Reichstags des neugegründeten Deutschen Reichs die Fraktion der Nationalliberalen Partei an, die in den ersten Jahren des Deutschen Reichs die stärkste politische Kraft war. Dabei unterstützte er meist den außenpolitischen Kurs der Regierung, während er in der Innenpolitik meist mehr eine Oppositionsrolle einnahm.

Angebliche Ablehnung Wilhelms I.
Der Eiserne Kanzler würdigte in seinen späteren Erinnerungen Bennigsens Bedeutung für das Gelingen der Integration Hannovers in das preußische Staatsgefüge nach der Annexion, auch wenn Kaiser Wilhelm I. die bürgerliche Neigung aus Hannover, der eigenen Krone wenig zugewandt zu sein, wohl eher als Hochverrat bewertet haben mag. „Obwohl die nationalliberale Partei in Hannover und die Wirksamkeit ihres Führers vor und nach 1866 die Verstaatlichung Hannovers wesentlich erleichtert hatte und der Kaiser ebenso wenig wie sein Vater 1805 eine Neigung hatte, diesen Erwerb rückgängig zu machen, so war der fürstliche Instinkt in ihm doch herrschend genug, um solches Verhalten eines hannöverschen Untertanen gegen die welfische Dynastie mit innerlichem Unbehagen zu beurteilen“, so Bismarcks Rückblick.

1877 bot Reichskanzler Bismarck Bennigsen einen Ministerposten an. Dazu kam es jedoch nicht, denn der forderte zwei weitere Ministerposten für seine beiden Parteifreunde Max von Forckenbeck und Franz von Stauffenberg. Doch Bismarck lehnte das Ansinnen ab. Er wollte nur Bennigsen aus dessen Partei heraussprengen, um die Opposition zu schwächen. Verärgert über Bennigsens Verhalten, behauptete Bismarck, Kaiser Wilhelm I. habe alle drei Personen abgelehnt. Bismarck griff Stauffenberg direkt an. Dieser strebe nur aus persönlichen Motiven nach einem Ministeramt. Gegen diesen Vorwurf nahm Bennigsen ihn in Schutz.

1878/79 vollzog Bismarck eine konservative Wende, mit der er die Nationalliberalen spaltete in einen rechten Flügel, der an dem Bündnis mit der Regierung festhielt, und einen linken, der in die Opposition ging. Die Abspaltung einer linken Gruppe, zu der neben Forckenbeck und Stauffenberg auch Eduard Lasker und Ludwig Bamberger gehörten, die sich 1880 als Liberale Vereinigung formierte und 1884 mit der linksliberalen Deutschen Fortschrittspartei zur Deutschen Freisinnigen Partei fusionierte, konnte Bennigsen nicht abwenden. Er legte 1883 zunächst alle Ämter und Mandate im Reichstag sowie im Preußischen Abgeordnetenhaus nieder und wurde bis 1884 Mitglied des Preußischen Staatsrates. 1887 kehrte er für drei Wahlperioden in den Reichstag zurück. Zudem amtierte er von 1888 bis 1897 als Oberpräsident der Provinz Hannover und von 1888 bis 1893 auch noch als Landrat des Kreises Peine.

Bis Ende des Jahres 1897 blieb Bennigsen noch im Staatsdienst, dann trat er in den Ruhestand. Allerdings wirkte er noch bis 1898 für seinen ehemaligen Wahlkreis Otterndorf-Neuhaus im Reichstag. Er starb am 7. August 1902 auf Gut Bennigsen bei Springe.


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