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MILITÄRISCHE AUFRÜSTUNG Polen ist dabei, sich als stärkster Frontstaat der NATO und als wichtigster Partner der Vereinigten Staaten in Europa zu positionieren, was seine EU-Partner offenbar tolerieren

Bollwerk im Osten Europas

Warschau fordert nukleare Teilhabe – Kauf südkoreanischer und amerikanischer Waffensysteme

Wolfgang Kaufmann
17.04.2023

Als US-Präsident Joe Biden im Februar nach Kiew reiste, landete seine Maschine auf dem Flughafen der polnischen Stadt Rzeszów, von wo aus es per Zug weiterging. Dabei dürfte sich Biden in der 200.000-Einwohner-Ortschaft im Karpatenvorland ein wenig wie zu Hause gefühlt haben, denn hier sind mittlerweile mehrere tausend Angehörige der 82. Luftlandedivision der US Army und zahlreiche weitere Militärpersonen der Vereinigten Staaten stationiert. Das resultiert aus der günstigen strategischen Lage von Rzeszów in nur 90 Kilometern Entfernung zur ukrainischen Grenze.

Darüber hinaus besitzt der Flughafen Rzeszów-Jasionka die zweitlängste Landebahn in ganz Polen, sodass hier auch schwere Transportmaschinen abgefertigt werden können. Zahlreiche Patriot-Luftabwehrsysteme am Rande der Piste unterstreichen die militärische Bedeutung dieses Ortes. Daher mutiert Rzeszów-Jasionka mittlerweile zum „polnischen Ramstein“ sowie zum Drehkreuz für die westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine. So gelangen unter anderem die HIMARS-Raketenwerfer von hier aus an die Front im Osten.

Der Flughafen ist ein Symbol für die wachsende Militärpräsenz der USA in Polen seit Beginn des Ukrainekrieges sowie die zunehmend enger werdende Allianz zwischen Washington und Warschau. Diese ermutigte den polnischen Präsidenten Andrzej Duda inzwischen sogar, um die Stationierung von US-amerikanischen Atomwaffen in seinem Land zu ersuchen, womit eine „nukleare Teilhabe“ der polnischen Streitkräfte verbunden sein könnte.

Polen will aber auch selbst aufrüsten und zukünftig „die stärksten Bodentruppen der NATO in Europa“ besitzen, wie der polnische Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak kürzlich in einem Radio-Interview mitteilte. Denn die Regierung und die Militärführung in Warschau sehen Polen seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 als „Frontstaat“ gegenüber Russland und das mit diesem verbündete Weißrussland. Eine direkte Folge dessen ist das Ende März 2022 einstimmig vom Sejm beschlossene „Gesetz zur Verteidigung des Vaterlandes“. Durch dieses wurde das Budget für die polnischen Streitkräfte auf umgerechnet 18 Milliarden US-Dollar erhöht, was nun drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht. Hierbei noch nicht eingerechnet sind weitere zehn Milliarden Dollar für einen militärischen Sonderfonds.

Polen als Pufferstaat

Mit dem Geld will Warschau vor allem den Kauf von gepanzerten Fahrzeugen finanzieren. Auf der Beschaffungsliste stehen 980 südkoreanische Kampfpanzer vom Typ K2 „Black Panther“, 250 M1-Abrams-Panzer aus den USA und 650 Panzerhaubitzen des südkoreanischen Modells K9 „Thunder“. Dazu kommen mehr als tausend schwimmfähige Schützenpanzerwagen vom Typ Bojowy Wóz Piechoty Borsuk des einheimischen Herstellers Huta Stalowa Wola. Außerdem werden die Luftstreitkräfte 48 leichte Kampfjets des südkoreanischen Typs KAI FA-50, 32 US-amerikanische Tarnkappen-Mehrzweckkampfflugzeuge Lockheed Martin F-35 „Lightning II“ und sechs Luftüberlegenheitsjäger F-22 „Raptor“ desselben Rüstungskonzerns sowie fünf US-Transportmaschinen Lockheed C-130 „Hercules“ erhalten. Ebenso geplant ist eine Verstärkung der polnischen Seestreitkräfte um vier Minensucher der Kormoran-2-Klasse und vier moderne U-Jagd-Hubschrauber.

Des Weiteren schreibt das neue Gesetz vor, die Anzahl der Berufssoldaten in den Streitkräften der Republik Polen von derzeit 110.000 auf 250.000 zu erhöhen. Darüber hinaus wurde auch an die Armee zur Territorialverteidigung gedacht. Hierbei handelt es sich um eine Art freiwillige Landwehr aus „patriotischen Polen“ zur Unterstützung der regulären Truppen im Kriegsfall. Deren Personalbestand soll alsbald auf 50.000 steigen.

Kein anderer europäischer Staat wird jetzt so schnell und massiv aufrüsten wie Polen. Dadurch dürfte das militärische und somit auch politische Gewicht unseres östlichen Nachbarlandes erheblich wachsen, zumal es durch die faktisch bereits existierende Achse Warschau-Washington ebenfalls immer stärkere Rückendeckung erfährt.

Angesichts dessen und eingedenk des Umstandes, dass die polnische Regierung inzwischen wieder lautstark Reparationen von der Bundesrepublik fordert, müsste das in Berlin die Alarmglocken schrillen lassen. Doch offensichtlich sieht man die Lage dort anders, wie der renommierte österreichische Militärexperte Gustav Gressel kürzlich im Interview mit dem Portal „Politico“ feststellte: Die deutsche Bundesregierung betrachte Polen als Pufferstaat und sei dankbar für dessen kostspielige Aufrüstung, welche Russland künftig deutlich stärker abschrecken könne. Dies vermittle „den Eindruck, dass sich die Deutschen da in die nächste Hängematte legen“.


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