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Großbritannien

Boris-Höhenflug trotz Corona-Krise

Der Londoner Regierungschef ist beliebt, Labour weit abgeschlagen

Claudia Hansen
11.05.2020

Großbritannien ächzt unter dem „Lockdown“. Die wegen der Corona-Epidemie angeordnete Stilllegung des öffentlichen Lebens und der Volkswirtschaft belastet das Land zunehmend. London erschien an manchen Tagen wie eine Geisterstadt. Hinter den Kulissen ringt die Regierung darum, wie eine Lockerung des Notfallregimes aussehen könnte. In der Tory-Partei und in der Wirtschaft machen einflussreiche Stimmen Druck. Premierminister Boris Johnson, der selbst im April mit einer Corona-Erkrankung im Krankenhaus war, hat einem schnellen Exit eine Absage erteilt. Bei einer verfrühten Beendigung der Notmaßnahmen zur Eindämmung des Virus könnte eine neue Welle von Ansteckungen folgen. Am 7. Mai wird ein Überprüfungsbericht der Lockdown-Maßnahmen veröffentlicht – dann dürfen wohl mehr Geschäfte und Betriebe wieder öffnen.

Das Virus hat das Königreich seit Mitte März lahmgelegt, viele Tote gefordert und wie in anderen Ländern die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Krieg ausgelöst. Die zuvor niedrige Arbeitslosigkeit steigt rasant, Millionen Selbstständigen und Unternehmern droht das Geld auszugehen. Alle anderen politischen Streitthemen sind dagegen in den Hintergrund getreten – auch das Ringen um den Brexit, den Großbritannien am 31. Januar formell vollzogen hat.

Mit der Zahl der Toten, die bis Anfang Mai nach der offiziellen Statistik deutlich über 28.000 gestiegen ist, liegt Großbritannien mit Italien und Spanien in der Gruppe der am schwersten betroffenen Länder Europas. Ärzte und Pfleger im unterfinanzierten staatlichen Nationalen Gesundheitsdienst arbeiten bis zur Erschöpfung. Beklagt wird, dass Schutzkleidungen fehlen. Bei der Anzahl der Corona-Tests wurde das Ziel verfehlt. Es hagelt daher viel Kritik an Johnsons Regierung, gerade aus EU-freundlichen, linken Medien wie dem „Guardian“, der weiter am Brexit verzweifelt.

Über die Hälfte für die Tory-Partei

Dennoch bleibt die Zustimmung in der Bevölkerung zum Regierungschef und der Tory-Partei hoch – sie ist in der Corona-Krise deutlich gestiegen. Die Konservativen kommen in aktuellen Umfragen auf gut 50 Prozent, das ist ein starker Anstieg seit ihrem Wahltriumph vom Dezember, als sie die größte Parlamentsmehrheit seit Margaret Thatchers Tagen errangen. Das Ergebnis war ein phänomenaler Sieg für „Boris“, wie viele Briten und Medien den Regierungschef familiär nennen.

Dagegen liegt die linke Labour-Partei in aktuellen Umfragen mit nur 33 Prozent noch unter ihrem katastrophalen Ergebnis vom Dezember, das ihr die geringste Zahl an Parlamentssitzen seit 1935 bescherte. Der neue Labour-Vorsitzende Keir Starmer, der im April auf den marxistischen Linksaußen Jeremy Corbyn folgte, bemüht sich um einen Neuanfang. Er will die ewigen Antisemitismus-Skandale der Partei überwinden und mit einem seriösen, konstruktiven Kurs Wählervertrauen zurückgewinnen und die Partei nicht mehr vor allem mit Gender-Themen und Transsexuellenrechten beschäftigen, wie das der linke Labour-Flügel obsessiv machte. Doch Starmer erreicht nur wenig Aufmerksamkeit in der Corona-Krise. Die von EU-freundlichen Medien hochgelobten, bei der Wahl aber gescheiterten linksliberalen Liberal Democrats sind fast völlig in der Versenkung verschwunden.

Derweil kämpft die Regierung noch an einer anderen, weniger beachteten Front: mit Brüssel. Die Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen zur EU stocken, für ein Freihandelsabkommen legt Brüssel die Latte hoch. Die EU will, dass sich London weiterhin an bisherige EU-Vorgaben und Regulierungen hält und die Urteile des EU-Gerichtshofs anerkennt, obwohl das Land aus der EU ausgetreten ist.

Brexit-Anhänger sehen die Brüsseler Regulierung als Fesselung. Kabinettsminister Michael Gove warnt, die EU müsse endlich verstehen, dass Großbritannien seit dem Brexit ein souveränes Land sei. Johnson hat kategorisch ausgeschlossen, die Brexit-Übergangsfrist noch einmal zu verlängern. „Get Brexit done“ (Bringt den Brexit fertig), lautete das Motto, mit dem er den Wahlsieg errungen hat. In Brüssel wird man sich noch wundern über die Entschlossenheit der Johnson-Regierung.


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