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Britische Regierung

Boris Johnsons dunkelste Stunde

Der britische Premier ist schwer in Bedrängnis, doch die Ermittler blockieren sich gegenseitig

Claudia Hansen
07.02.2022

Nachdem sich die politische Schlinge zuletzt immer fester um Boris Johnsons Hals gezogen hat, scheint er jetzt wieder mehr Luft zu bekommen. Noch vor Kurzem sah es so aus, als drohe ihm unmittelbar ein Misstrauensvotum in der Tory-Fraktion, doch dies ist nun etwas unwahrscheinlicher geworden.

Seit Wochen steht der britische Premierminister wegen der Partygate-Vorwürfe unter Beschuss. Ihm wird vorgeworfen, dass während der Corona-Lockdowns in seinem Regierungssitz Downing Street 10 Gartenfeiern und andere Partys zugelassen und teils sogar selbst besucht zu haben.

Ein Untersuchungsbericht der hohen Beamtin Sue Gray sollte klären, ob Johnson und seine Mitarbeiter gegen Corona-Regeln verstoßen haben. Zusätzlich kündigte die Metropolitan Police an, auch sie werde die Vorkommnisse in Downing Street und Whitehall untersuchen. Plötzlich ergab sich aber aus den beiden Ermittlungen eine Kollision: Die Polizei verlangte, dass Grays Bericht nicht einmal „minimale Hinweise“ über die Partys enthalten dürfe, da dies sonst ihren Ermittlungen vorgreifen würde. Damit wird der wichtigste Teil des Gray-Reports blockiert und fällt keineswegs so hart aus, wie die Opposition und Johnsons Gegner in seiner Partei gehofft hatten.

Ein „gefettetes Schweinchen“

Gray hat in ihrem Bericht, der am Montag endlich veröffentlicht wurde, mehrere klare Rügen verteilt. Einige der Zusammenkünfte in der Downing Street „hätten nicht stattfinden dürfen“. Und „der exzessive Konsum von Alkohol“ sei „an keinem Arbeitsplatz angemessen“. Insgesamt sieht die Beamtin ein Versagen der politischen Führung. Sicherlich keine schmeichelhaften Aussagen über Johnson, doch es hätte schlimmer für ihn kommen können. Erwartbar war, dass Labour und die Liberaldemokraten nach dem Bericht schäumten. Johnson müsse zurücktreten. Mehrere Stunden lang wurde er im Parlament attackiert. Aber Johnson blieb hart, er werde nicht zurücktreten.

Vor Jahren hatte David Cameron, der frühere Premierminister, Boris Johnson einmal als „gefettetes Schweinchen“ bezeichnet, weil „Boris“, wie ihn die meisten nennen, nicht greifbar sei. Er habe die Fähigkeit, sich noch aus der schwierigsten Klemme herauszuwinden. Die „Sunday Times“ zeigte Johnson nun folgerichtig in einer großen Karikatur als fliegendes Ferkelchen, das der Polizei entwischt.

Bislang haben nur wenige Tory-Politiker öffentlich seinen Rücktritt gefordert. Einige Abgeordnete aus dem Norden Englands trafen sich zur „Schweinefleischpasteten-Verschwörung“ – so genannt, weil im Wahlkreis einer Teilnehmerin der traditionelle „Pork Pie“ erfunden wurde. Aber die „Pork Pie Plotters“ verfehlten ihr Ziel, genügend Unterschriften von Abgeordneten gegen Johnson zu mobilisieren. Es müssten 54 Briefe zusammenkommen, um ein internes Misstrauensvotum anzustoßen. Möglich, dass es nach dem Bericht der Polizei noch dazu kommt. Aber selbst wenn die Abstimmung käme, sind sich Johnsons Unterstützer sicher, dass sie eine große Mehrheit hinter sich bekommen werden.

In der Bevölkerung ist Johnsons Ruf aber ziemlich ramponiert. Laut Umfragen ist die Konservative Partei deutlich zurückgefallen und lag zeitweise mehr als zehn Prozentpunkte hinter Labour, der linken Oppositionspartei. Neuere Umfragen deuten an, dass der Rückstand etwas geschrumpft ist.

Rishi Sunak will nachfolgen

Von mehreren Seiten gibt es weiter Druck. Johnsons früherer Chefberater Dominic Cummings will sich rächen und versucht ihn mit weiteren Enthüllungen zu stürzen. Viele Abgeordnete sind entsetzt über den Ansehensverlust, doch sie scheuen noch davor zurück, ihren Parteiführer auszutauschen. Als aussichtsreichster Nachfolger gilt den Buchmachern Finanzminister Rishi Sunak, der parteiintern große Beliebtheit genießt, doch ist unklar, ob er auch eine große Wahlkampagne befeuern könnte.

Auf dem rechten Flügel der Tories halten einige Johnson, den Brexit-Kämpfer, inzwischen für zu links. Das liegt auch an seiner Ehefrau Carrie, die sich für grüne Themen und hohe „Klimaschutzziele“ begeistert. Der vor Kurzem zurückgetretene Brexit-Minister Lord David Frost forderte, Johnson solle in seinem Regierungsteam einmal gründlich aufräumen. Er müsse „die Neo-Sozialisten, die grünen Fanatiker und Woke-Berater“ aus der Nummer 10 rausschmeißen, wenn er überleben wolle. Unmut gibt es in den Tory-Reihen auch darüber, dass Johnson und Sunak an einer Steuererhöhung festhalten, um damit höhere Pflegeausgaben zu finanzieren.

Derweil sucht Johnson sich auf außenpolitischem Terrain zu profilieren und flog kürzlich in die Ukraine, um gegenüber Russland Härte zu demonstrieren. Zudem wird das britische Militär in der Region seine Präsenz deutlich erhöhen.


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Kommentare

Chris Benthe am 07.02.22, 04:37 Uhr

Und wie gehabt kollidieren englisch-britische Interessen mit den deutschen - so sie denn hierzulande eingefordert würden. Letztlich ist Johnson auch nur ein weiterer Kriegstreiber der Transatlantik-Brücke. Seine parteiinternen Kritker, sein Beraterpersonal betreffend, haben durchaus Recht. Wer gedacht hat, Johnson sei ein echter Konservativer von altem Schrot und Korn, täuscht sich gewaltig. Die Durchsetzung des Brexit war sein respektables Paradestück, alles andere steht auf dem Prüfstand. Indes, wir hier in Deutschland haben genug mit unserem eigenen Schlamassel zu tun, und der ist noch viel unappetitlicher.

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