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Seine Wortmeldung ließ aufhorchen: Der deutsche Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei Manfred Weber
Foto: imago images/ChromorangeSeine Wortmeldung ließ aufhorchen: Der deutsche Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei Manfred Weber

Parlamentswahlen

Brisante Mitte-Rechts-Koalitionen

In Italien und in Schweden haben dezidiert rechte Parteien gute Chancen auf die Regierungsübernahme

Robert Mühlbauer
11.09.2022

Zwei Wahlen in diesem Monat könnten an einem Tabu rütteln, das besonders in Deutschland hochgehalten wird. Sowohl in Italien als auch in Schweden deutet vieles auf künftige Regierungskoalitionen aus Rechten und bürgerlicher Mitte hin. Wenige Tage vor der Wahl zum Riksdag am 11. September sind die nationalkonservativen Schwedendemokraten (SD) im Höhenflug. Mehrere Umfrageinstitute melden, dass die rechte Partei mit gut 20 Prozent Stimmenanteil zweitstärkste Kraft werden dürfte.

Es gibt ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen rechtem und linkem Lager. Der Wahlkampf wird vor allem durch das Thema Bandenkriminalität geprägt, dies hilft offenbar den Schwedendemokraten. Die regierenden Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Magdalena Andersson liegen zwar auf dem ersten Platz, doch sinken die Werte. Mit nur 27 Prozent in der neuesten Novus-Umfrage könnten die Sozialdemokraten ihr Ergebnis von 2018, das schlechteste seit mehr als hundert Jahren, nochmal unterbieten. Die Grünen, ihr früherer Koalitionspartner, kommen nur auf knapp über fünf Prozent. Daher könnte es für ein Rechts-Bündnis aus Schwedendemokraten, der konservativen Moderaten Sammlungspartei (etwa 19 Prozent) und kleinen bürgerlich-liberalen Parteien knapp reichen.

Für Schweden wäre dies eine kleine Revolution. Aber es würde weit über das skandinavische Land hinaus für Aufsehen sorgen. Von einem Tabubruch ist die Rede. „Rechtsextreme Partei könnte bald mitregieren“, titelte die „Frankfurter Rundschau“ alarmiert. Dabei stellte etwa die „Neue Zürcher Zeitung“ schon vor Monaten fest: „Rechtsnationale Schwedendemokraten werden salonfähig“. Die SD haben sich unter ihrem jugendlich und smart wirkenden Parteichef Jimmie Åkesson gewandelt und gemäßigt. Bei ihrer Gründung 1988 hatten die Schwedendemokraten tatsächlich neonazistische Wurzeln, doch hat Åkesson diese gekappt und Extremisten aus der Partei geworfen. 2010 gelang der Partei erstmals mit knapp sechs Prozent der Sprung in den Stockholmer Reichstag. Sie profilierte sich mit konsequenter Kritik an Missständen wie der Gewalt migrantischer Banden und Drogenhändler, welche die Sozialdemokraten lange leugnen wollten. In diesem Jahr gab es schon wieder mehr als 230 Schießereien in dem Land, das einst als Bullerbü-Idylle gefeiert wurde.

CDU-Schwesterparteien machen mit

Die Schwedendemokraten wurden lange von den anderen Parteien ausgegrenzt, diese zogen einen „Cordon Sanitaire“ (Seuchengürtel) um sie, doch dieser löst sich nun auf. Die Moderaten um Parteichef Ulf Kristersson, immerhin Schwesterpartei der CDU in der Europäischen Volkspartei (EVP), sind zur Zusammenarbeit bereit, wollen Regierungspartei werden. Auf deutsche Verhältnisse übertragen entspräche dies einer Koalition zwischen Union und AfD. Der SD-Europaabgeordnete Charlie Weimer nannte dem Magazin „Euractiv“ gegenüber die schwedischen Wahlen als positives Beispiel „für die breitere Rechte in Europa, was wir erreichen können, wenn wir zusammenarbeiten“. Es würde „vielen Politikern auf dem Kontinent die Augen öffnen“.

Für großes Zittern in Brüssel sorgt indes die Wahl in Italien am 25. September, die nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Mario Draghi, des Ex-EZB-Präsidenten, nötig wurde. Umfragen zeigen seit Wochen eine stabile Mehrheit für die Rechtskoalition. Die Fratelli d'Italia (FdI, Brüder Italiens) von Giogia Meloni liegen mit etwa 24 Prozent vorne, gefolgt von der schwächelnden Lega von Matteo Salvini mit aktuell 13 Prozent und Silvio Berlusconis Forza Italia, die zur EVP gehört, mit etwa sieben Prozent. Die linken Parteien sind zerstritten, während die Rechte geeint auftritt. Die 45-jährige ehemalige Jugendministerin Meloni hat ihre „Brüder“ in der Opposition gegen Draghis Corona-Maßnahmen und den Parteienklüngel stark gemacht hat. Gegenüber dem Wahlergebnis von 2018, 4,4 Prozent, dürfte sie ihren Stimmenanteil verfünffachen.

Während im Ausland noch ermüdend diskutiert wird, ob Melonis Partei „postfaschistisch“ zu nennen sei, schadet ihr dies in Italien kaum noch. Sie betont, dass die FdI eine konservativ-patriotische, marktwirtschaftliche Partei seien, die für individuelle Freiheit und die klassische Vater-Mutter-Kind-Familie eintrete. Die Gender-Ideologie lehnt sie entschieden ab. „Ich bin eine Frau, eine Mutter, eine Italienerin, eine Christin. Das werdet ihr mir nicht nehmen“, donnerte sie in einer Rede, die zwei linke DJs lächerlich machen wollten, dabei aber einen Disco-Hit schufen. Die eloquente, zierliche Blondine mit rauchiger Stimme und römischem Akzent kommt bei den Wählern gut an.

Die FdI haben sich klar zur NATO bekannt, sind zwar EU-kritisch aber nicht -feindlich. Traditionell sind die italienischen „Postfaschisten“ Israel-freundlich eingestellt. Angesichts von Russlands Aggression in der Ukraine steht Meloni klar zur Ukraine und unterstützt Waffenlieferungen. Das trug ihr Attacken aus Moskau ein. Alarmiert sind die europäischen Linken, weil Meloni – wie Salvini – mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán befreundet ist und mit ihm gegen unkontrollierte Massenimmigration eintritt.

Schon warnen Sozialdemokraten und Sozialisten wie Udo Bullmann im EU-Parlament vor einer „Orbanisierung“ Italiens. Aufhorchen ließ die Wortmeldung von Manfred Weber (CSU), des EVP-Fraktionsvorsitzenden. Er sagte, er sei „vom Entwurf und dem endgültigen Programm der Mitte-Rechts-Koalition positiv überrascht“ gewesen. Der einflussreiche Unionsmann hat damit grünes Licht für eine Rechtsregierung im EU-Gründungsstaat Italien gegeben. Was in Deutschland verdammt wird, scheint dort durchaus akzeptabel.


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Kommentare

Tom Schroeder am 13.09.22, 18:31 Uhr

DAs kommt davon, wenn man "herum-merkelt". Den Begriff erklaere ich: Der Elefant im Raum bleibt unangetastet, die eigentlichen Probleme werden nicht diskutiert und wenn man es doch will, so ist man ein "Rechter". Jedes TAbu faellt bei zu haeufiger Inanspruchnahme, d.h. es existiert fuer viele keine generelle Abgrenzung nach rechts mehr, denn "die hatten es ja immer gesagt" - stimmt, wenn es regnet und ein Nazi sagt "es regnet", dann scheint fuer Merkels offiziell die Sonne. Fatal, wie man sieht, jetzt nehmen die Problem in SWE ueberhand und man wundert sich ueber das Wahlergebnis - ich nicht! IT ist ein Sonderfall, aber auch da leigen die Gruende aehnlich. Bei uns bekommt man die Kurve auch nicht: Einwanderung ja, aber bedingt an klare Regeln, wer wird gebraucht und wer schadet uns.

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