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Kämpferin an vorderster Front gegen die Korruption oder selbst korrupt? EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola
Foto: imago/agefotostockKämpferin an vorderster Front gegen die Korruption oder selbst korrupt? EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola

EUROPÄISCHE ENTWICKLUNGEN Während das linke Lager vor allem mit einem Korruptionsskandal für Aufsehen sorgt, könnte es im rechten im nächsten Jahr zu neuen Bündnissen kommen

Brüssel entpuppt sich erneut als Korruptionsparadies

Millionen-Schmiergelder bei Razzien gefunden, vier Verdächtige in Haft und immer neue Vorwürfe gegen EU-Parlamentarier

Robert Mühlbauer
19.02.2023

Das Europaparlament steht seit einigen Wochen unter Schock. Einen solchen Skandal, der das Vertrauen in die Institution zutiefst erschüttert, hat es noch nie gegeben. An der Spitze des Parlaments gab es eklatante Korruption. Seit den Razzien im Dezember kommen immer neue Enthüllungen und Vorwürfe ans Licht. Schon sechs Personen sitzen in U-Haft. Erst holten die Ermittler Eva Kaili, die dann eilig abgesetzte griechische Vizepräsidentin des EU-Parlaments, ihren Lebensgefährten Francesco Giorgi, den italienischen Ex-Abgeordneten Pier Antonio Panzeri sowie einen hohen Gewerkschaftsfunktionär. Vorige Woche verhaftete die Polizei den belgischen Sozialisten Marc Tarabella und den italienischen EU-Abgeordneten Andrea Cozzolino, den sie in Neapel aufspürte. Das alles hat Brüssel ins Mark getroffen.

Nach Ansicht der belgischen Ermittler haben die Genannten sich vom Golfstaat Katar und von Marokko bestechen lassen, um in deren Sinne die europäische Politik zu beeinflussen. Ganze Koffer voll mit Bündeln von mutmaßlichem Schmiergeld, insgesamt eineinhalb Millionen Euro, wurden bei Kaili und Panzeri beschlagnahmt. Büros im Parlament sowie weitere Wohn- und Geschäftsräume wurden durchsucht. Die Polizei ermittelt wegen der Bildung einer kriminellen Organisation – und das mitten im „Herzen der europäischen Demokratie“, wie die Brüsseler Abgeordneten gerne selbst gesehen werden möchten.

Rückfall hinter Nationalparlamente

Nun ist das Wehklagen groß unter den EU-Parlamentariern. Sie fürchten, dass EU-kritische Kräfte den Skandal ausschlachten und politisch für sich nutzen können. Der Chef der liberalen Fraktion Renew Europe, Stéphane Séjourné, warnt: „Wenn wir das (den Skandal) nicht vor dem Sommer lösen, dann ist das Futter für extremistische Debatten bei den nächsten Europawahlen.“ Der 37-jährige Franzose muss aber selbst zugeben, dass das EU-Parlament „in Bezug auf Transparenz und Antikorruptionsregeln hinter die nationalen Parlamente zurückgefallen ist“. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte zu dem Korruptionsskandal: „Das Ganze ist wirklich bestürzend und sehr, sehr schmerzhaft.“

Die 44-jährige Kaili, bis zu ihrem Ausschluss am 9. Dezember vergangenen Jahres Mitglied der sozialdemokratischen Partei PASOK, erregte schon länger Aufsehen durch ein Luxusleben. Die Blondine, eine ehemalige TV-Moderatorin, machte in der PASOK Karriere und galt als Vertreterin der „Kaviar-Linken“, die sich in exklusiven Athener Nachtklubs oder auf Yachten im Mittelmeer und der Karibik vergnügen.

Als Schlüsselfigur in der Affäre gilt der italienische Ex-Abgeordnete Panzeri. Der 67-Jährige soll der Kopf des Korruptionsnetzwerks sein. Nach Ansicht der Ermittler hat er mit seiner Organisation „Fight Impunity“ (Bekämpft Straflosigkeit) mindestens eine Million Euro Schmiergelder eingenommen. Nun, in der U-Haft, hat er zugestimmt, als Kronzeuge umfangreiche Aussagen zu machen, um seine Strafe zu reduzieren. Nach Angaben von Kailis Anwalt Michalis Dimitrakopoulos will Panzeri demnächst weitere Abgeordnete aus Frankreich, Belgien und Italien belasten – und erstmals auch welche aus Deutschland. Sollte das stimmen, würde das den EU-Politbetrieb weiter beschädigen. Auffällig ist, dass bisher alle Beschuldigten aus den Reihen der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament (S&D) oder aus Gewerkschaften und linksgerichteten Nichtregierungsorganisationen (NGO) stammen.

Der langjährige Abgeordnete Panzeri (2004–2019) hatte zuletzt den Menschenrechtsausschuss des EU-Parlaments geleitet. Als seine Wiederwahl scheiterte, gründete er flugs die NGO „Fight Impunity“. Nach eigenen Angaben sollte diese Organisation gegen Menschenrechtsverletzungen weltweit kämpfen. Dank seiner guten Beziehungen und Kontakte gelang es Panzeri, zahlreiche Prominente aus dem Brüsseler Betrieb für Konferenzen und als Beiratsmitglieder zu gewinnen. Wie die meisten „Nichtregierungsorganisationen“ in Brüssel erhielt auch „Fight Impunity“ erhebliche Summen aus Regierungstöpfen und EU-Förderprogrammen.

Zusätzlich aber soll die Organisation in großem Stil Geld aus Katar angenommen haben. Das Golfemirat soll damit versucht haben, Abstimmungen des EU-Parlaments in seinem Sinne zu beeinflussen. Vor allem, als es um den beklagenswerten Stand der Menschen- und Arbeitnehmerrechte in Katar ging. Kaili traf sich mehrfach mit Ministern in Doha, im Europaparlament machte sie sich für eine positive Beurteilung Katars stark. Zudem stimmte der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten und Justiz dann dafür, Katarern eine Visa-freie Einreise in die EU zu erlauben. Auch hier hatten Panzeris Kontaktleute ihre Finger im Spiel. Sein Assistent Francesco Giorgi, Lebensgefährte Kailis und Mitgründer der NGO „Fight Impunity“, hat inzwischen gegenüber den Ermittlern umfassend ausgesagt.

EU-geförderte NGO

Der deutsche AfD-Abgeordnete Nicolaus Fest, der im Rechtsausschuss sitzt, sieht sowohl Katar als auch das Geflecht der NGO in Brüssel sehr kritisch. „Die Abstimmung für Katar roch zehn Meilen gegen den Wind“, findet er. „Katar ist einer der Hauptfinanziers des Islamismus der Muslimbruderschaft und islamistischer Terrorbewegungen. Ich fand es unverständlich, dass es für dieses Land Visa-Erleichterungen geben sollte“, sagt der Politiker. Fest spricht von einem „Totalversagen des Parlaments, dass es nicht mehr gegen die Korruption getan hat“.

Aus seiner Sicht liegt indes die Hauptkorruption bei den NGO. „Das sind teilweise echte Geldwaschanlagen.“ Über die Finanzierung von NGO sei es für ausländische Mächte ein Leichtes, politische Entscheidungen zu beeinflussen. Auch in Brüssel selbst gälten diese als heilig und unantastbar. „Sobald das Wort NGO fällt, ist man nicht mehr bereit, für Transparenz zu sorgen.“ Laut dem Statistikportal Statista sind in Brüssel rund 35.000 NGO, Verbände und Stiftungen aktiv. Fest moniert zudem, dass Brüssel jedes Jahr mehrere tausend Auftragsstudien von den NGO erstellen lasse und dafür viel Geld zahle. „Einige kleinere NGOs werden zu 100 Prozent vom Staat finanziert.“

Seitdem der Kaili- und Panzeri-Skandal aufgeflogen ist, geloben die Spitzen des EU-Parlaments Besserung. Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hat einen 14-Punkte-Plan gegen Korruption vorgelegt. Alle 705 Abgeordneten sollen sämtliche Kontakte und Treffen mit Lobbyisten öffentlich dokumentieren. Für Ex-Abgeordnete soll eine Abkühlperiode gelten, bevor sie bezahlte Lobby- oder NGO-Posten übernehmen dürfen. Die sogenannten „Freundschaftsgruppen“ von Parlamentariern mit Drittstaaten sollen aufgelöst werden. Einige Fachleute etwa von Transparency International (TI) bezweifeln, dass diese Maßnahmen ausreichen. Außerdem war Parlamentspräsidentin Metsola vor Kurzem selbst aufgefallen, dass sie zahlreiche Geschenke und Einladungen für Reisen und in Luxushotels nicht korrekt offengelegt hatte.


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Kommentare

Walter Schulz am 19.02.23, 11:55 Uhr

Wen überrascht es, dass in den EU-Gremien Korruption systemimmanent ist? Da ist eher die Frage, warum gerade jetzt ein paar Enthüllungen inszeniert werden, so als hätte man ein paar der wenigen schlimmen Korruptis erwischt und alles andere sei gut? Wovon sollen uns die Inszenierungen ablenken? Wie sagte doch Rockefeller? Nicht in der Politik passiert zufällig ... Also Cui bono? Ist nicht die beharrliche Weigerung des Westens, Waffenstillstandsverhandlungen für die Ukraine anzustoßen, viel schlimmer? Oder die transparente, unvoreingenommene Recherche, wer Nordstream in die Luft gejagt hat? Seymour Hersch hat ja ein paar Hinweise publiziert ... Zurück zur EU: Um die Korruption in dieser Organisation auszumerzen, reicht es wahrscheinlich nicht einmal, Kommissions- und Parlamentspräsident hochzunehmen (wer sollte das auch tun?) ... wahrscheinlich wäre ein Zurück zu de Gaulle's Europa der Vaterländer der sicherste Weg zu Transparenz und Demokratie.

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