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In Kooperation mit ausgewählten privaten Konzernen sollen die Finanzströme der EU-Bürger bis ins Detail digital erfasst werden – Die Möglichkeiten des Machtmissbrauchs erscheinen fast uferlos
Von den Medien weitestgehend unbeachtet, strebt die EU-Kommission nach immer stärkerer Überwachung der Europäer. So plant sie nun beispielsweise die Einführung der sogenannten Elektronischen Brieftasche für die europäische digitale Identität (EUid-Wallet) – zu speichern auf dem Smartphone eines jeden Einzelnen von uns. Diese solle „die digitale Identifizierung von Bürgern ... beim Zugang zu öffentlichen und privaten Diensten in ganz Europa revolutionieren“, wobei vorgesehen ist, die EUid-Wallet bis zum Jahre 2030 flächendeckend und verbindlich einzuführen.
Dafür investiert die EU 90 Millionen Euro in vier Pilotprojekte, in deren Rahmen staatliche Stellen mit privaten Partnern kooperieren. Zu den Letzteren zählen die Telekommunikationsunternehmen Deutsche Telekom, Vodafone und O₂-Telefonica, die Banken ING-Diba und Intesa, der Kreditkartenanbieter Visa, die Fluglinien Condor und Finnair, die IT-Dienstleister Datev und Amadeus, die Schweizerische Bundesbahn, die Technologiekonzerne Siemens und Thales sowie der Deutsche Sparkassen- und Giroverband.
Im Rahmen der angelaufenen Pilotprojekte „Potential“, „EU Digital Identity Wallet“, „NOBID“ und „DC4EU“ erfolgt die Erprobung von elf Anwendungsfällen für die digitalen Funktionen der EUid-Wallet. Dabei geht es um den Zugang zu staatlichen Verwaltungsdiensten und Sozialversicherungsleistungen, die Bereitstellung von Reisepässen und Visa sowie Führerscheinen, medizinischen Rezepten und Bildungsnachweisen beziehungsweise Nachweisen beruflicher Identitäten, die rechtsverbindliche Unterzeichnung von Verträgen, die Registrierung von SIM-Karten für Mobilfunknetze und die Eröffnung von Bankkonten oder die Ermöglichung von Online-Zahlungen. So soll beispielsweise der Reisepass in Zukunft aus einem Konvolut von Personenstammdaten und biometrischen Daten des EU-Bürgers bestehen, das auf zentralen Servern gespeichert ist, wobei staatliche Zertifikate die Echtheit der Daten bestätigen, welche bei Bedarf via Smartphone ausgelesen werden.
Von der Kontrolle zur Gängelung
Wie ernst es der Europäischen Kommission mit ihrem Vorhaben ist, zeigen nicht nur die genannten Pilotprojekte, sondern auch die Vorlage des Entwurfs zur „Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste (eIDAS 2.0)“. In diesem wurde zunächst sogar gefordert, die EUid-Wallet mit einer lebenslang gültigen persönlichen Identifikationsnummer zu verbinden, worauf die EU-Kommission dann aber im Juni nach Interventionen des Europäischen Parlaments verzichtet hat. Dahingegen blieb es bei der ebenso umstrittenen Regelung, dass die elektronischen Brieftaschen für die digitale Identität nicht nur von staatlichen Institutionen ausgegeben werden dürfen, sondern auch von privaten Unternehmen mit dem Status eines „qualifizierten Vertrauensdiensteanbieters“.
Parallel zur Einigung zwischen der EU-Kommission und dem EU-Parlament veröffentlichte das Bundesinnenministerium ein Konzept zur nationalen Ausgestaltung der EUid-Wallet in Deutschland. In diesem werden noch weitere potentielle Anwendungsfelder genannt, welche über die Vorgaben aus Brüssel hinausgehen. So sollen auch der Erwerb von personalisierten Veranstaltungstickets, Anmeldungen in Hotels, der Nachweis der Elternschaft, die Speicherung von amtlichen Führungszeugnissen und die Identifizierung anlässlich der Eröffnung von Konten für den E-Mail-Verkehr oder die Nutzung sozialer Medien über die EUid-Wallet laufen. Dabei steht zu erwarten, dass das Ganze dem Schema folgt, welches bereits beim Aufbau der digitalen Infrastruktur im hiesigen Gesundheitswesen zum Einsatz kam. Die Nutzer werden vom Staat durch die Ankündigung von empfindlichen Nachteilen dazu gebracht, entsprechende technische Lösungen bei Privatunternehmen einzukaufen.
Dabei birgt die EUid-Wallet vielerlei Gefahren für die EU-Bürger. Unter anderem wäre es problemlos möglich, digitale Reisedokumente mit flexibel änderbaren Ein- und Ausreiseberechtigungen zu verknüpfen, um die Bewegungsfreiheit von Personen aus politischen Gründen einzuschränken – ganz so wie in der Volksrepublik China heute bereits üblich.
Desgleichen könnten die staatlichen Behörden Bürger künftig mit deutlich geringerem Personal- und Verwaltungsaufwand überwachen und bei Bedarf Sanktionen verhängen. Im Extremfall reicht hierfür dann ein Mausklick aus.
Als weiteres Anwendungsgebiet böte sich die Verhaltenssteuerung zum Erreichen politischer oder wirtschaftlicher Ziele an, wobei auch hier das Vorbild China Pate stünde. Denkbar wäre beispielsweise die Reduzierung der Mobilität der Bürger aus Gründen des „Klimaschutzes“ durch die Deaktivierung von Flugtickets und Hotelbuchungen oder des digitalen Führerscheins nach dem Aufbrauchen der persönlichen „CO₂-Budgets“ – alles Maßnahmen, bei denen es praktisch keine Möglichkeit zur Gegenwehr gäbe.
Der Appetit der Konzerne
Das gilt ebenso beim Geld. Unbotmäßiges Verhalten könnte zur Sperrung von digitalen Konten führen. Die EUid-Wallet wäre also ein scharfes Instrument des Staates, um Oppositionelle von ihren Finanzierungsquellen abzuschneiden oder anderweitig einzuschränken und zu maßregeln, ohne dass dies in der Öffentlichkeit Aufsehen erregt.
Doch damit nicht genug: Es steht zu erwarten, dass die wenigen großen Privatunternehmen, welche an der EUid-Wallet beteiligt sind, sich zu einem Oligopol zusammenschließen, um einerseits hohe Gewinnmargen zu erzielen und andererseits den Gesetzgeber unter Druck zu setzen, Regelungen zu schaffen, welche ihnen den Zugang zu weiteren Geschäftsfeldern eröffnen. Das dürfte vor allem in den Fällen passieren, in denen die zentralen Geheimnisse des digitalen Know-hows bei den Konzernen verbleiben.
Und dann ist da natürlich noch der Datenschutz. In der Vergangenheit hat sich oft genug gezeigt, dass auch die von ihrer vermeintlichen Fachkompetenz überzeugten IT-Riesen und Software-Giganten gravierende Fehler machen können, welche Cyberkriminellen Tür und Tor öffnen. Daher wäre es wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Daten aus den EUid-Wallets in unbefugte Hände geraten.
sitra achra am 19.10.23, 17:43 Uhr
Die Stasi wusste auch fast alles, aber das hat den Untergang des Systems nicht aufgehalten. Der Mensch ist schlauer als die Technologie und die Schräubchen, die sich ihrer im megalomanen Wahn bedienen. Lasst uns diesem Angriff auf unsere Freiheitsrechte mit Gelassenheit entgegensehen. Mein unterbenutztes Smartphone freut sich schon auf neue Apps!
Daniel Deutsch am 17.10.23, 10:20 Uhr
Immer das Beispiel China, das Projekt wurde ohne Ergebnis beendet und die EU ist somit schlimmer als China. In Bologna läuft seit Monaten die Pilotphase.