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Landespolitik

CDU schwenkt auf Grünen-Kurs

Berlins Unionschef Kai Wegner galt als Hoffnungsträger der Konservativen – Nun ganz andere Töne

Hermann Müller
04.08.2023

Im Berliner Wahlkampf punktete Kai Wegner als CDU-Spitzenkandidat mit klassischen Unions-Themen wie Innere Sicherheit, Wirtschaft und Immigration. Inzwischen Regierender Bürgermeister, setzt Wegner nun allerdings politische Akzente, die auf die Stammwähler der CDU eher verstörend wirken dürften. Die linksgrüne „taz“ befand sogar, „mit Kai Wegner wird die Berliner CDU wieder zur liberalen Großstadtpartei“.

Tatsächlich greift der 50-Jährige an der Spitze des schwarz-roten Senats immer wieder Themen auf, die geradewegs von den Grünen stammen könnten. Auf dem Christopher Street Day forderte Wegner etwa unlängst eine Änderung des Grundgesetzes. „Meine feste Zusage für diesen Berliner Senat ist: Wir wollen den Artikel 3 des Grundgesetzes ändern. Da muss die sexuelle Identität mit rein. Das ist mein Versprechen“, so Wegner, als er am 22. Juli als erster Regierender Bürgermeister der CDU gemeinsam mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) den Berliner Christopher Street Day eröffnete. Wegner griff mit seinem Vorstoß eine Forderung auf, die seit langer Zeit innerhalb der sogenannten queeren Community kursiert.

„Sondervermögen“ fürs Klima
Ins Bild der „liberalen Großstadtpartei“ passt die Reaktion der CDU-geführten Senatsverkehrsverwaltung auf einen Vorstoß aus dem Bezirk Friedrichshain- Kreuzberg. Die dortige Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann (Grüne) will als „klares, sichtbares Statement für eine vielfältige Gesellschaft“ erreichen, dass an Fußgängerampeln künftig neben Ampelmännchen auch gleichgeschlechtliche Ampelpärchen gezeigt werden. „Friedrichshain- Kreuzberg ist ein bunter Bezirk.

Wir stehen für Offenheit, Toleranz und Vielfalt ein“, so die Grüne-Bezirksbürgermeisterin an die Adresse der zuständigen Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU). Die Sprecherin der Verkehrsverwaltung sicherte inzwischen tatsächlich zu: „Wir werden das wohlwollend prüfen mit Blick auf das nächste Jahr.“

Noch vor der parlamentarischen Sommerpause brachte der schwarz-rote Senat ein „Sondervermögen Klimaschutz, Resilienz und Transformation“ auf den Weg. Erklärtes Ziel des Senats ist es, mit diesem Projekt die Umsetzung sogenannter Klimaziele zu beschleunigen.

Ungeachtet des Begriffs „Sondervermögen“ handelt es sich um fünf Milliarden Euro an neuen Krediten. Unter Umgehung der Schuldenbremse nimmt das Land die Schulden außerhalb des regulären Haushalts auf. Zusätzlich zum bereits existierenden Schuldenberg wachsen die roten Zahlen damit noch einmal in erheblichem Umfang.

Finanzsenator Stefan Evers (CDU) führte zur Begründung für die neuen Schulden an: „Die erforderlichen Investitionen sind so hoch, dass sie im Rahmen eines normalen Haushalts nicht darstellbar sind.“ Daher meint Evers: „Wir brauchen ein zusätzliches Kraftpaket.“ Auch SPD-Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey sprach von „dringenden Milliarden-Investitionen auf dem Weg Berlins zu einer klimaneutralen Metropole“.

Keineswegs sicher ist, dass es nur bei einer Kreditaufnahme von fünf Milliarden Euro bleibt. Sollte sich Ende 2026 herausstellen, dass der Geldbedarf noch höher ausfällt, will der schwarz-rote Senat ein weiteres Fünf-Milliarden-Paket auf den Weg bringen.

Von Merz deutlich abgerückt
Kommentatoren ist inzwischen auch aufgefallen, dass Wegner nicht mehr unbedingt zu den Unterstützern von CDU-Chef Friedrich Merz gezählt werden kann. Als es um den Parteivorsitz in der CDU ging, stellte sich Wegner noch klar hinter Merz. Auch wurde Wegners Wahlsieg in Berlin als Stärkung für Merz gewertet. Immerhin waren es klassische Kernthemen der Union, mit denen Wegner für die CDU den Wahlsieg in Berlin eingefahren und die SPD auf Rang zwei verwiesen hatte.

Als Merz unlängst in einem Interview mit Blick auf die AfD sagte, auf kommunaler Ebene müsse man nach Wegen suchen, „wie man gemeinsam die Stadt, das Land, den Landkreis gestaltet“, gehörte der Berliner CDU-Chef nunmehr allerdings zu denjenigen, die Merz besonders schnell und besonders scharf kritisierten. Auf Twitter verkündete er: „Die AfD kennt nur Dagegen und Spaltung. Wo soll es da ZUSAMMENarbeit geben?“ Wegner legte sich auch gleich noch für die Ewigkeit fest: „Das kann niemals ein Partner für die CDU werden, egal, auf welcher Ebene.“

Die linke „taz“ kommt da regelrecht ins Schwärmen und meint, Wegners „moderene Großstadtpartei“ sei schließlich genau die Vision, „von der einst Eberhard Diepgen träumte und der Monika Grütters ihr Gesicht lieh“.


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Kommentare

Harald Reich am 27.08.23, 14:30 Uhr

Wundert sich da jemand, daß die Berliner CDU unter Kai Wegner VOR der Wahl neokonservative Versprechen abgibt, die NACH der Wahl selbstverständlich gebrochen werden? Wie war das damals, als Helmut Kohl zum erstenmal Bundeskanzler wurde? Er hatte die Wahl gewonnen mit dem Versprechen eine neokonservative Wende in Deutschland einzuführen, nach der sich die Deutschen nach dem Linkskurs eines Willy Brand und Helmut Schmidt sehnten. NACH der Wahl ließ Helmut Kohl all diese konservativen Versprechungen stillschweigend in der Schubladenversenkung verschwinden.
Seitdem hatte ich nie mehr die CDU/CSU gewählt, denn ein rückgratloserer Haufen ist nicht denkbar.
Und vorhin las ich, daß Merz in Aussicht gestellt habe nach einer Wahl alle AKW's wieder anzuwerfen und viele oder alle linksgrünen Wärmewendegesetze wieder zurückzunehmen. Und so weiter.
Dreimal kurz gelacht.
Nachdem Merz immer wieder in der Schleimspur der GRÜNE sich sühlt und er ohne Notwendigkeit jede Koalition mit der AfD ablehnt - die dasselbe will wie von Merz oben in Aussicht gestellt wurde - wird er nach einer etwa gewonnenen Wahl mit den GRÜNEN koalieren, um dann hinterher zu verkünden, daß die Koalitionsbedingungen mit den GRÜNEN ein Wiederanwerfen der AKW's "leider" nicht zulassen würden.
Wer den CDU-Parteikarrieristen auch nur ein Wort glaubt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen.

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