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Hintergrund

Chinas Griff nach Sibirien

Bodo Bost
24.05.2024

Seit Beginn des Ukrainekriegs werden in amtlichen chinesischen Karten die Städte im Amurgebiet mit ihren alten chinesischen Namen beschriftet. Viele russische Blogger fragen sich bereits, ob sich hinter dem Kampf um die Krim nicht eigentlich Chinas Kampf um die Rückgabe von Wladiwostok verbirgt. Während russische Politiker und angesehene Experten über den künftigen Krieg Chinas mit den USA um Taiwan diskutieren, verwandelt die „himmlische“ Führung in Peking Wladiwostok still und leise in ihren „Binnenhafen“.

Alles begann 2020, als Wladiwostok sein 160-jähriges Bestehen feierte. Zu diesem Anlass veröffentlichte die russische Botschaft auf der offiziellen Seite des chinesischen sozialen Netzwerks Weibo eine Notiz: „Wladiwostok wurde 1860 gegründet, als die Russen an diesem Ort einen Seehafen mit dem Namen ‚Wladiwostok' (wörtlich: ‚Herrscher des Ostens') errichteten.“ Die Chinesen reagierten entrüstet und behaupteten, Wladiwostok liege auf dem durch den Vertrag von Peking abgetretenen Gebiet, und Haishenwei sei eine chinesische Stadt, die in Wladiwostok umbenannt worden sei.

Bis zum Baikalsee ...
Immerhin ließ sich China zwei Jahre Zeit mit der Anfertigung einer entsprechenden Karte mit den chinesischen Namen. Auf dieser heißt die Insel Sachalin „Kuedao“, und die Städte Blagoweschtschensk „Hailanpao“, Ussurijsk „Shuangchengzi“, Chabarowsk „Boli“. Am 1 Juni 2023 erklärte die Allgemeine Zollverwaltung Chinas „aus logistischen Gründen“ Wladiwostok zum Transithafen für den innerchinesischen Handel. Von nun an können Ladungen, die von einer chinesischen Provinz in eine andere geschickt werden, ohne Zollverfahren durch Wladiwostok gehen.

Die Chinesen werden Wladiwostok nicht nur für eine kurze Zeit nutzen. Denn seit einigen Jahren verlassen immer mehr russische Unternehmen die Stadt. Chinesen kaufen die billigen Immobilien auf. Es scheint, als ob die Chinesen Wladiwostok noch vor Taiwan wie eine reife Frucht ohne militärische Aktion übernehmen könnten. Über den neuen Status der Stadt wird in russischen Medien Stillschweigen verbreitet.

Schon Mao Zedong sagte ganz offen: „Russland hat sich zu viel Land angeeignet ... Vor mehr als 100 Jahren haben sie das Land östlich des Baikalsees abgeschnitten ... Diese Rechnung ist noch nicht beglichen, wir haben diese Rechnung mit ihnen noch zu begleichen.“ Insgesamt, so Mao, sollte Russland mehr als 1,5 Millionen Quadratkilometer an China zurückgeben.

Auch den Baikalsee betrachten die Chinesen als ihr Eigentum. Längst werden rund um den See chinesische Hotels gebaut und Land aufgekauft. Russland ist infolge des Kriegs gezwungen, Öl an China zu Schleuderpreisen zu verkaufen, dadurch stabilisiert Moskau die am Boden liegende chinesische Wirtschaft und ruiniert sich immer mehr selbst.

... oder gar bis zum Ural
1969 war es noch zum Krieg zwischen der Sowjetunion und China um einige unbewohnte Insel im Grenzfluss Ussuri gekommen, die bereits unter den Zaren erobert worden waren. Russland gab diese Inseln in zwei Verträgen 1991 und 1995 fast unbemerkt an China zurück, aber erst 2005 unter Putin wurde das Abkommen über die Abtretung ratifiziert, was in der russischen Gesellschaft gemischte Reaktionen hervorrief. Anwohner der Grenze berichteten, dass die Chinesen mehrere Jahre vor dem neuen Grenzverlauf etwa dreihundert Kilometer Deiche an ihren Ufern errichtet hatten, um den Amur künstlich in die von ihnen gewünschte Richtung zu lenken und den Kasakewitschew-Kanal zu verflachen, in dessen Fahrwasser die Grenze in diesem Abschnitt verläuft.

„Die chinesische Politik ist ein endloser Pfad der List“, schrieb vor mehr als zweieinhalbtausend Jahren der chinesische Stratege Sun Tzu. In den chinesischen Geschichtslehrbüchern wird sehr oft daran erinnert, dass fast ganz Sibirien, einschließlich Westsibirien bis hin zur Region Tomsk, vorübergehend verlorenes chinesisches Gebiet sei. Chinas territoriale Ansprüche an Russland sind eine sorgfältig durchdachte Strategie. Peking wartet einfach auf „reife Bedingungen“, um das Problem zu chinesischen Bedingungen zu lösen. Putins Feldzug gegen Kiew könnte der erste Schritt dazu sein, dass Russland bald wieder eine rein europäische Macht wird und damit das Reich der Mitte wirklich die Mitte der Erde beherrscht.


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