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Mit hoher Wahrscheinlichkeit stellt nach der nächsten Parlamentswahl Labour den Premier
Inzwischen steht Katze Larry, der „Chief Mouser“ in der Downing Street 10, für mehr Kontinuität als die Premierminister. Schon vier Regierungschefs hat der Kater überlebt. Nach David Cameron und Theresa May kam Mitte 2019 Boris Johnson, der drei Jahre später über die Partygate-Affäre und andere Skandale stolperte. Anfang September zog Liz Truss als neue britische Premierministerin ein, nachdem sie im Mitgliederentscheid gewonnen hatte. „In Liz we Truss“ hatte die Parteibasis vertrauensselig gejubelt. Doch nur 44 Tage später musste Truss das Handtuch werfen. Sie stürzte über einen waghalsigen Kurs mit schuldenfinanzierten Steuersenkungen, der Zweifel an den britischen Staatsfinanzen weckte. Die Anleiherenditen stiegen, weil Investoren ein höheres Risiko sahen. Das verteuerte aber auch Hypotheken für normale Häuserkäufer.
Mit einer Mischung aus Ärger, Verwunderung und Entsetzen verfolgten die Briten, was ihre neue Regierung anstellte. Truss musste Finanzminister Kwasi Kwarteng, den ersten Schwarzen in diesem Amt, nach nur gut einem Monat abberufen und durch Jeremy Hunt ersetzen, schon der fünfte Schatzkanzler in nur drei Jahren. Hunt hat praktisch die gesamte Steuersenkungsagenda von Truss mit einem Federstrich wieder annulliert.
Der Rückhalt für Truss in der Fraktion schwand immer mehr. Nur mit brachialem Druck konnte sie eine Abstimmung über Fracking für sich entscheiden. Innenministerin Suella Braverman musste den Hut nehmen, weil sie eine private Mailadresse für Regierungspost verwendet hatte. Schließlich sah Truss ein, dass es für ihr politisches Überleben nicht mehr reichte.
Über zwölf Jahre an der Regierung
Ihre Nachfolge wurde nun schneller als erwartet geklärt, wobei auch hier wieder chaotische Szenen drohten. Zwei alte Bekannte – Ex-Finanzminister Rishi Sunak und Boris Johnson – bewarben sich. Johnson glaubte, er könnte bei den Mitgliedern die Nase vorne haben, obwohl viele Parteigranden eindringlich vor einem Comeback des gestürzten Ex-Premiers warnten. Die Partei drohe zu zerbrechen, hieß es. Sie würde in der Wählergunst noch mehr abstürzen. In den turbulenten Truss-Wochen fiel die Tory-Partei tatsächlich wie ein Stein in Umfragen bis auf wenig über 20 Prozent, während Labour im Höhenflug über 55 Prozent gelangte.
Dieser gewaltige Rückstand würde die Tories bei der nächsten Parlamentswahl regelrecht auslöschen, denn beim Mehrheitswahlsystem würden sie den Großteil ihrer Sitze verlieren. Die nächste Wahl steht Ende 2024 oder Anfang 2025 an, das ist nur noch verzweifelt wenig Zeit für eine Aufholjagd.
Ob diese mit Johnson möglich wäre, bezweifeln viele. Einerseits hat der unkonventionelle blonde Wuschelkopf und gute Redner noch einige Fans und war erwiesenermaßen ein starker Wahlkämpfer. Johnson schaffte 2019 einen Erdrutschsieg gegen die Labour-Partei, die damals noch vom dubiosen Linksradikalen Jeremy Corbyn geführt wurde.
Seine Freunde sagen, Johnson habe ungeachtet mancher Eskapaden die „großen Dinge“ doch richtig hingekriegt – er habe den Brexit über die Bühne gebracht, in der Corona-Krise nach einer schnellen Impfkampagne das Ende der Lockdowns durchgesetzt und sich im Ukrainekrieg kraftvoll positioniert.
Erschöpft, zerstritten und ziellos
Andererseits hat Johnsons politischer Glanz inzwischen doch extreme Kratzer erlitten. Auch viele frühere Freunde haben sich von ihm abgewandt. Der Chef des konservativen Magazins „The Spectator“, Fraser Nelson, schreibt, Johnson habe „bitter enttäuscht“ und statt konservativer Politik nur hohe Ausgaben und hohe Steuern geliefert.
Sunak polarisiert weniger, doch auch er schleppt ein schweres Erbe mit sich. Die hohen Steuern tragen ihm viele in der Partei nach. Sunak wollte die Steuern erst kurz vor der nächsten Wahl wieder senken. Mit dem neuen Kurs von Jeremy Hunt ist diese ganze Planung durcheinandergeraten. Der 42-jährige Sunak, Sohn von indischen Einwanderern, der als Investmentbanker und Ehemann einer Milliardärstochter reich geworden ist, gilt zwar als seriös, doch fehlt es ihm an Charisma. Auch wenn er nun im zweiten Anlauf in die Downing Street kommt, bliebe eine zerrissene Partei und Fraktion eine denkbar schlechte Ausgangslage, um einen neuen, ruhigeren Kurs einzuschlagen.
Seit mehr als zwölf Jahren regieren die Konservativen nun das Land und wirken jetzt erschöpft, zerstritten und orientierungslos. Truss trat wie eine Thatcher-Kopie an und scheiterte. Sunak will als seriöse Alternative zum Partymenschen Boris Johnson erscheinen, doch ob das reicht? Während die Tories sich gegenseitig zerfleischt haben, wird Labour zum lachenden Profiteur.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird Labour-Chef Keir Starmer nach der nächsten Wahl Premierminister. Er steht für eine gemäßigte Linke, nachdem er die linksradikalen Vertreter des ehemaligen Corbyn-Flügels in den Hintergrund geschoben hat, die aber noch immer in der zweiten und dritten Reihe der Partei lauern. Großbritannien stehen wohl weitere unruhige Jahre bevor.
Kersti Wolnow am 04.11.22, 13:23 Uhr
Als ich von dessen Wahl hörte, sagte ich genau das: Jetzt werden die Kolonisten von ihren ehemaligen Sklaven regiert. Macht das die Engländer endlich wach oder schlafen sie weiter wie die Amis nach Obama?
Anton Kosel am 01.11.22, 17:48 Uhr
Die Tomies haben genau wie die Amis faktisch nur ein Zwei-Parteien-System, wir haben wenigstens ein Drei-Parteien-System (Einheitspartei SPDCDUGRÜNFDP, AfD und SED).
Tjitze Dijkstra am 01.11.22, 11:45 Uhr
Könnte es sein dass diese Chaos gewollt ist und nur ein Kasperletheater aufgeführt wird?
Das "Volk" möchte ein Brexit (52%), aber die Politiker (Lab, LibDem, Tory) nicht. Mittels diese selbstgebastelte Chaos bekommen die "Remoaners" den Rückkehr in den EU.
Denn das "Volk" kann nur wählen zwischen 3 Parteien die alle pro-EU sind. Nur die Tories können das nicht so direkt sagen. Dafür muss das nächste Mal Labour wieder die Mehrheit bekommen.
sitra achra am 31.10.22, 12:09 Uhr
Jede Demokratie dreht sich irgendwann im Kreis. Die Schlappen lösen die Lappen ab. Es lohnt sich keinesfalls, zur Wahl zu gehen. Reine Zeitverschwendung.