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Das Grüne Band am früheren Todesstreifen der innerdeutschen Grenze – Ein europäischer Biotopverbund und Ort politischer Bildung
Einst Todesstreifen, nun ein Ort des Lebens – konkret ein Rückzugsort für bestimmte Tier- und Pflanzenarten. Aber auch der Kommunikation, wenn man an die mit der Geschichte und Gegenwart dieses Streifens verbundene Bildungsarbeit denkt. Das „Grüne Band“ sei eine „einzigartige europäische Erinnerungslandschaft, die Natur und Geschichte verbindet“, wie es der bei der Umwelt- und Naturschutzorganisation BUND für den Bereich „Grünes Band“ zuständige Projektmanager Martin Kuba bei einer Veranstaltung ausdrückte.
Blenden wir einige Jahrzehnte zurück – in die Zeit des Kalten Krieges, der Mauer und des Eisernen Vorhangs. Besonders die damalige Bundesrepublik Deutschland besaß mehr als vier Jahrzehnte eine sehr lange, direkte Grenze zum Warschauer Pakts, konkret zur DDR und zur Tschechoslowakei. Hier wurden die Grenzanlagen breit und mit mehreren Sicherungssystemen ausgebaut, sodass sich diese Naturflächen ganz speziell und meist anders entwickelten als in anderen Regionen.
Oft waren mit dem Bau der Grenzanlagen Zwangsumsiedlungen verbunden. Andererseits konnten sich im sogenannten Niemandsland wertvolle Biotope erhalten, da diese Flächen keiner Nutzung unterlagen.
Erste Kartierungen des Grenzstreifens datieren aus der Mitte der 1970er Jahre, wobei schon damals – im Landkreis Coburg – unter anderem seltene Vogelarten gefunden wurden. In den 1980er Jahren wurden auf DDR-Gebiet zum Beispiel Braunkehlchen entdeckt, was zum gegenseitigen Informationsaustausch führte und die ökologische Bedeutung des Streifens deutlich machte. Vergleichbare Erfahrungen gab es auch im Streckenverlauf der bayerisch-tschechischen Grenze, die aber hinsichtlich der Grenzanlagen sowie weiterer Aspekte etwas anders strukturiert ist.
Sehr schnell nach dem Mauerfall und der Grenzöffnung zur Tschechoslowakei war bereits am 9. Dezember 1989 die Geburtsstunde des Grünen Bandes durch den BUND in Bayern mit der einstimmig verabschiedeten Resolution „Grünes Band“. In dieser wird gefordert, wertvolle Habitate und Biotope dauerhaft in diesem europäischen Grenzstreifen als ökologisches Rückgrat Europas zu sichern. Die Aktivitäten nahmen in den 1990er Jahren zu, weitere Länder und Regionen traten bei, sodass die gesamte Strecke des Grünen Bandes 12.500 Kilometer, acht biogeographische Regionen und 24 Staaten umfasst.
Vor allem Bildungsarbeit war nun angesagt sowie die Gewinnung von Unterstützern aus der Gesellschaft. Neben der Artenvielfalt galt es, auch Relikte dieser Region wie Grenzsicherungsanlagen oder verschwundene Dörfer als Erinnerungsstücke an diese Zeit zu sichern. Für die Waldbirkenmaus sind zum Beispiel Flächen des Grünen Bandes einer von drei noch möglichen Lebensräumen. Der Laubfrosch findet hier ebenso eine Heimat wie viele Pflanzen wie das Breitblättrige Knabenkraut, der Gelbe Frauenschuh oder Arnika. Mitunter gab es auf diesen Flächen den Einsatz von Pestiziden, wodurch manche Areale fast wie eine „Mondlandschaft“ aussehen, aber sich auch Nischen für bestimmte Pflanzen, Bäume und Vögel entwickeln konnten.
Den deutsch-deutschen Aspekt des Grünen Bandes und der politischen Bildung drückt insbesondere die Stiftung und die Gedenkstätte „Point Alpha“ aus, die an der früheren deutsch-deutschen Grenze beziehungsweise im jetzigen Grünen Band liegt. Während des Kalten Krieges war Point Alpha der am weitesten im Westen gelegene Punkt der Grenze zwischen Ost und West. Da man vorrangig hier kriegerische Aktionen erwartete, waren auf beiden Seiten die Grenzanlagen stark ausgebaut. Heute befindet sich Point Alpha im hessisch-thüringischen Grenzraum mit den Gemeinden Rasdorf (nordöstlich von Fulda) und Geisa (Sitz von Point Alpha). Die Stätte sieht sich als Mahn-, Gedenk- und Begegnungsort an der ehemaligen innerdeutschen Grenze, als Ort der Erinnerung und des Blicks in die Zukunft.
Auch wissenschaftliche Aufarbeitung steht im Fokus, insgesamt soll es ein anschaulicher, authentischer Lernort sein und der Archivierung dienen. Im Haus auf der Grenze gibt es eine Dauerausstellung (Kalter Krieg, Grenzregime, Bundesgrenzschutz, Zoll beziehungsweise DDR-Grenztruppen, Regionalgeschichte, Vertreibungen, Zwangskollektivierungen in der Landwirtschaft, persönliche Schicksale, Flucht). Weitere Elemente sind der Kolonnenweg, die Mustergrenze in den drei Ausbaustufen (Sperranlagen und Schlagbaum von 1952, Ausbaustufe ab Beginn der 1960er Jahre, Ausbaustufe ab Anfang der 1970er Jahre – noch original existent), ein ehemaliges US-Camp (Teile des Großgeräts, Fahrzeuge, Militärgeschichte, Zusammenleben der US-Soldaten mit westdeutschen Bürgern), der Wiesenfelder Turm (DDR-Turm) und der Weg der Hoffnung (14 Skulpturen, angelehnt an die Passion Jesu mit Hinweisen auf die kommunistische Gewaltherrschaft). Ein guter Teil dieses früheren Areals ist heute frei passierbar, im Point Alpha gibt es inzwischen eine Sonderausstellung zum Thema „Grünes Band“, ebenso eine über das Biosphärenreservat Rhön.
Speziell im Grenzraum von Oberpfälzer Wald und Böhmerwald greift die Erinnerungskultur – konkret die Freilegung, so weit möglich, ehemaliger, untergegangener Siedlungen. Das bekannteste und größte Ausgrabungsprojekt ist Grafenried [Lučina]. Hier dachte man zuerst nur an die Kirche, die das tschechoslowakischen Militär in den 1970er Jahren vernichtet hat. Bald gewann ein weiteres Gebäude, die Brauerei, an Bedeutung. Auch Überreste von dieser wurden freigelegt, sogar Bruchstücke alter Bierflaschen gefunden.
Es folgten das Pfarrhaus, der Friedhof, das Schloss (spätere Nutzung als Schule) und das Wirtshaus. Neben diesem „Aushängeschild“ gibt es viele weitere gelungene Freilegungen, aber auch weniger gute Beispiele. Oft verzögern oder behindern ungelöste Fragen in verschiedenen Bereichen die Arbeiten.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Das Grüne Band hat seit über 33 Jahren eine völkerverbindende Wirkung und leistet grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Erwähnt sei abschließend noch das seit August 2018 und noch bis Dezember 2024 laufende Projekt „Grenzüberschreitende Renaturierung von Mooren zur Unterstützung der Artenvielfalt und des Wasserhaushalts im Böhmerwald und im Bayerischen Wald“.
Buchtipp Ines Godazgar: „Grenzschicksale: Als das Grüne Band noch grau war“, Verlag Janos Stekovics, Dößel 2023,
592 Seiten, 32 Euro