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Wo stehen die Deutschen nach anderthalb Jahren Corona-Pandemie? Sind wir an der Schwelle zu einer neuen Epoche? Oder erleben wir stattdessen die Rückbesinnung auf Bewährtes? Teil 2 der PAZ-Sommergespräche 2021 zur Lage der Nation
Seit Ausbruch der Corona-Krise war viel von einem „neuen Normal“ die Rede. Von neuen Werten und Normen, die unser Leben nach der Pandemie bestimmen werden. Manch Freude über dieses angeblich „neue Normal“ erwies sich schnell als Wiederaufflackern alter Träume von einer vermeintlich besseren Welt. Die Schriftstellerin und Publizistin Cora Stephan setzt in ihrem aktuellen Buch dagegen das „alte Normal“, dessen tradierte Formen des Zusammenlebens und positives Heimatgefühl sich gerade in der Krise als beständig erweisen.
Frau Stephan, der zentrale Begriff Ihres Buches lautet „Lob des Normalen“. Die Geschichte lehrt, dass über gesellschaftliche Begriffe zumeist dann gesprochen wird, wenn sie nicht mehr selbstverständlich sind. Bezugnehmend auf Ihren Buchtitel deshalb die Frage: Warum sind die Zeiten, in denen wir leben, nicht normal?
Es hat mich misstrauisch gemacht, als während der Panikpandemie unter der Flagge „Corona“ plötzlich von einem „neuen Normal“ die Rede war. Das erinnerte mich an den „neuen Menschen“, von dem in Utopien gern die Rede ist und dessen Herstellung in der Geschichte höchst gewaltsam betrieben wurde. Menschen sind jedoch keine leere Leinwand, auf die man einschreiben kann, was Ideologen sich wünschen. Das alte Normal ist kräftig und hält viel aus. Gerade in den sogenannten „Corona-Zeiten“ hat es sich vielfältig wieder durchgesetzt: Als weit wichtiger als der Zeitgeist mit seinen jeweiligen Sprachmoden erwiesen sich, wie stets in Krisen, die Nächsten – die Familie, die Nachbarschaft. Und obwohl 2015 verkündet wurde, Grenzen könne man gegen Einwanderungswillige nicht schließen, meinte man plötzlich, sich gegen das Virus abschotten zu können – auch das ist archetypisch. In Gefahr neigen Menschen nun mal zum Abschließen und Abschotten.
Wer Normalität lobt, muss eine Vorstellung von ihr haben. Was heißt für Sie „normal“? Sie widmen dieser Frage in Ihrem ersten Kapitel immerhin fast dreißig Seiten.
Es gibt so etwas wie die menschliche Natur, eine „angeborene menschliche Konstitution“ (Steven Pinker), und die ist nicht unendlich formbar. Doch die Sprach- und Identitätslobbys wollen den „Normalos“ einreden, sie befleißigten sich lediglich einer „Normativität“, also irgendwelcher Normen, die wahrscheinlich von weißen toxischen Männern erfunden wurde. Und schwupps – ist der Normalfall der Heterosexualität ein bloßes Konstrukt.
Gewiss gehören zur Normalität auch gesetzte Normen, Regeln, die Menschen sich gesetzt haben, um es miteinander aushalten zu können. Das sind nicht nur Fesseln der freien Individuen, sondern sie dienen auch ihrer Entlastung. Nicht alles muss ausdiskutiert werden, nicht alles steht täglich infrage. Normal ist, was Gewohnheit begründet, was man nicht erklären muss, was Orientierung schafft, worauf man sich schlicht verlassen kann. Das ist für Menschen von existentieller Bedeutung, die keine Zeit für elaborierte Gesellschaftstheorien haben, weil sie arbeiten müssen. Am entspanntesten dürfte eine Gesellschaft sein, in der sich die Mehrheit darüber einig ist, was als normal durchgeht, was man akzeptiert und was man gerade noch tolerabel findet.
Ihr zweites Kapitel heißt „Krieg der Geschlechter“. Wo verlaufen in diesem Krieg die Fronten, und wer sind die „Kriegsparteien“?
Die Fronten verlaufen nun schon seit Jahrzehnten zwischen Feministinnen und dem Rest der Menschheit. Der altböse Feind ist natürlich der Mann, insbesondere der toxische weiße Mann, der offenbar nur als Unterdrücker und Vergewaltiger denkbar ist, während alle Frauen ein potentielles Opfer sind. Doch auch die Frauen kriegen ihr Fett weg – wenn sie nicht die gleichen Lebensziele haben wie Politikerinnen und Karrierefrauen, die glauben, ein Aufsichtsratsposten oder ein Bundestagsmandat sei für jede Frau das höchste der Gefühle. Was auf der Strecke bleibt: Der Pakt zwischen Mann und Frau, auch als Ehe und Familie, in der beide selbst darüber entscheiden, wie sie leben wollen – nicht der Staat oder Frauenbewegte.
Die ewige Attacke auf die „reaktionäre“ Kleinfamilie verweist im Grunde Frauen an den Staat, der sie auffängt, wenn sie als Alleinerziehende unterzugehen drohen. Dabei ist Ehe heutzutage geradezu subversiv, wie man an ihrer Beliebtheit auch bei Homosexuellen sieht. Sie kann eine starke Gegenmacht sein, ein schützender Privatbereich, in den niemand, nicht Staat, nicht Kirche, hineinregieren kann. So sollte das auch bleiben.
Einen großen Raum in Ihrem Buch nimmt – nicht nur in dem entsprechenden Kapitel – der Begriff „Heimat“ ein. Ein Wort, das jahrzehntelang in gewissen meinungsbildenden Kreisen vor allem für Spießertum stand, für Gestrigkeit und Weltfremdheit. Warum ist Heimat wieder so wichtig?
Ich bin ein großer Fan der Arbeiten von David Goodhart, eines eher linken britischen Autors, der sich die Mühe gemacht hat, einmal zu untersuchen, wer denn nun alles kosmopolitisch-weltoffen um den Globus reist und wer (verhockt und verstockt, wie unterstellt wird) verwurzelt ist – die „Anywheres“ und die „Somewheres“. Und siehe da: Die „Somewheres“ sind nicht nur in der Mehrheit, sie halten auch den Laden am Laufen. Corona hat gezeigt, dass in Krisenzeiten jene im Vorteil sind, die für sich selbst sorgen können: die Verwurzelten, die einen Ort haben, den man auch Heimat nennen kann. Die Aversion gegen diesen Begriff verstehe ich nur auf historischem Hintergrund: Es ist die Abwehr des Traumas des Heimatverlustes, den unsere Eltern und Großeltern erlebt haben.
Gleichwohl wurde der Zeitgeist der Globalisierung bislang eher geprägt von den „Anywheres“, denjenigen also, die überall zuhause sind und somit nirgends so richtig ganz. Ist deren Zeit vorbei? Oder pendelt sich auch die Globalisierung gerade in einem „Normalzustand“ ein?
Die Corona-Krise hat uns gelehrt, dass „Just in time“ in einer globalen Krise nicht funktioniert, dass eine gewisse Vorratshaltung nicht nur für Privathaushalte eine gute Sache ist, sondern auch – ganz aktuell – für die Autoindustrie, der plötzlich wichtige Bauteile fehlen. Und wie in jeder Krise geht es der Landbevölkerung besser als den Metropolenmenschen, was die Versorgung mit frischer Luft und Lebensmitteln betrifft. Manch abenteuerlich gesinnter Publizist wagt es plötzlich, sich dem verstockten Landvolk auszusetzen, und stellt fest: Die sind eigentlich alle ganz in Ordnung ... Bezeichnend ist der „Run“ aufs Land, den der Zwang zum und die Entdeckung des Homeoffice ausgelöst hat. Insofern hat die Krise natürlich etwas verändert: Die neue Normalität sieht verdammt so aus wie jene alte, in der Wohnen und Arbeit noch nicht getrennt waren.
Wird auch manchem „Weltbürger“ nun bewusst, dass es irgendwo einen Ort geben muss, der nicht beliebig ist?
Gewiss. Was nützt es einem, der alle Flughäfen der Welt kennt, wenn man sie nicht mehr anfliegen kann? Und was bleibt vom Zauber der weltläufigen Stadt, wenn ihre Fußgängerzonen veröden und Restaurants und Kneipen schließen müssen? Sollten die Bürger irgendwann (hoffentlich bald) erkennen, dass sämtliche „Maßnahmen“ der Regierung nichts gegen das Virus ausrichten, sondern vielmehr gegen die Freiheit der Menschen gerichtet sind, gesellig zu sein und sich zu bewegen, sind diejenigen im Vorteil, die örtlich gut vernetzt sind und wissen, wie man das Leben an der Obrigkeit vorbei organisiert.
Unter der Überschrift „Das eigene und das Fremde“ widmen Sie sich unter anderem den Träumen von einer multikulturellen Gesellschaft und den Folgen der Willkommenskultur seit 2015 und schreiben unter anderem: „Auf Seiten vieler Linker hat die Figur des Flüchtlings den einst kniefällig verehrten Proletarier ersetzt.“
Ja, die brauchen halt immer irgendein revolutionäres Subjekt. Da ist es völlig egal, woraus sich das zusammensetzt. Schließlich haben Linke wie Grüne viele Jahre lang vom „Sieg im Volkskrieg“ geschwärmt, ohne sich daran zu stören, dass die Legitimation der Krieger nicht etwa auf einer Willenserklärung des „Volks“ beruhte, sondern ausschließlich auf ihren Gewehrläufen. Der „Flüchtling“ als Figur ist nicht weniger widersprüchlich. Und „no borders“? Wie stellt man sich das vor?
Bei einer derart unkontrollierten Massenemigration, wie sie seit 2015 nicht mehr abreißt, muss man doch damit rechnen, dass nicht nur gesetzestreue Menschen zu uns kommen, die die Regeln unseres Zusammenlebens achten – ganz zu schweigen vom Respekt für das Leben, etwa von Frauen (ich denke dabei nicht nur an Würzburg).
Ich bin auch immer wieder erstaunt, wie es vielen gelingt, völlig zu verdrängen, was ein Nationalstaat wie die Bundesrepublik Deutschland bedeutet: Er ist der Rahmen für Rechts- und Sozialstaat und seine Basis ist in der Tat das „Normale“ – im Sinne eines Einverständnisses der Staatsbürger über die wesentlichen Grundlagen des Zusammenlebens. Dieses Einverständnis aber gibt es mit vielen der Migranten nicht, ganz abgesehen davon, dass ihre Alimentierung die Grenzen des Sozialstaats sprengt.
Die Willkommenskultur ist ganz wesentlich mit der Person der Bundeskanzlerin verbunden, deren Amtszeit in wenigen Wochen endet. Sie selbst haben Angela Merkel vor Jahren ein ganzes Buch gewidmet und sie darin als „Irrtum“ bezeichnet. Wie bewerten Sie heute die Ära Merkel – und was war Ihr Irrtum?
Mein Irrtum? Dass ich 2005 zu ihrer Wahl aufgerufen hatte. Das habe ich spätestens 2010 bereut, als Merkel mit ihrer „Eurorettung“ das Budgetrecht des Parlaments faktisch außer Kraft setzte. Und das ging dann immer so weiter: Der Reaktorunfall in Fukushima wurde dazu benutzt, um grünenfreundlich aus der Atomkraft auszusteigen, zugunsten einer nicht nur teuren, sondern auch noch völlig nutzlosen „Energiewende“ mit Windkraft und Sonnenenergie. Als ob sie die Axt an den Industriestandort Deutschland legen wollte. Ihr Hang zum Totalitären ist seit Langem sichtbar – während der Panikpandemie aber hat er sich noch um einiges gesteigert. Schon denkt ihre Gefolgschaft laut darüber nach, wie man die Zwangsmaßnahmen in „Corona-Zeiten“ auch auf andere hehre Ziele ausdehnen kann. „Klimaschutz“ nennt sich das dann in unübertroffener Hybris.
Übrigens: Eine Bundeskanzlerin ist nicht dazu berufen, die Welt zu retten, sondern den Interessen der Staatsbürger zu dienen. Was das betrifft, ist ihre Bilanz katastrophal.
Zu guter Letzt eine persönliche Frage: Was unternimmt Cora Stephan für sich persönlich, um „normal“ zu bleiben?
Ich setze darauf, dass sich die Vernünftigen in diesem Land durchsetzen, auch wenn es derzeit nicht danach aussieht. Ich habe das Glück, in einer Umgebung auf dem Land zu leben, wo die Vernunft dominiert. Dort halte ich es täglich mit Voltaires „Candide“: „Il faut cultiver le jardin.“ Trotz aller Verzweiflung über das Regiment der Unvernunft kommt es darauf an, seinen Garten zu bestellen.
Das Interview führte René Nehring.
Cora Stephan
Lob des Normalen. Vom Glück des Bewährten
FinanzBuch Verlag
Hardcover, 240 Seiten
ISBN: 978-3-95972-400-5
16,99 Euro
• Dr. Cora Stephan ist Publizistin und Schriftstellerin. Zu ihren Büchern gehören die Romane „Ab heute heiße ich Margo“ (2017) und „Margos Töchter“ (2020, beide Kiepenheuer und Witsch).
sitra achra am 20.07.21, 12:06 Uhr
Cora, mon amour!
Ich hoffe, dass diesen verbrecherischen Autokraten und ihrer gesamten Sippschaft in nicht allzu ferner Zeit der Prozess gemacht wird und sie sich nicht aus ihrer Verantwortung für ihre Untaten davonstehlen können. Das gilt insbesondere für die mittlere und die höhere Funtionsebene. Ebenso erwarte ich, dass die Geschichtschreibung sich dieser "Entartung" des menschlichen Geistes intensiv in der Art der emsigen Aufarbeitung der jüngsten deutschen Geschichte annimmt. No mercy for the criminals!
Die sollen meinetwegen auch noch mit 96 Jahren vor ein Tribunal gestellt werden! Menschheitsverbrechen verjähren nicht.