29.06.2024

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Vor dem Showdown: Die Spitzen der Ampel
Foto: pa/Michael KappelerVor dem Showdown: Die Spitzen der Ampel

Regierungskrach

Das Bundeskabinett steht vor dem finalen Showdown

Im Haushaltsstreit haben sich insbesondere SPD und FDP derart festgelegt, dass ein Ausweg ohne Gesichtsverlust oder Neuwahlen kaum denkbar erscheint

René Nehring
28.06.2024

Wie lange kann eine Regierung durchhalten, in der die Gemeinsamkeiten sichtbar aufgebraucht sind? Diese Frage stellt sich mit Blick auf die „Ampel“ inzwischen fast täglich.

Hauptstreit- und zunehmend auch Hauptknackpunkt des Bundeskabinetts ist der Haushalt für das kommende Jahr. Während die Liberalen seit Monaten beharrlich auf die Einhaltung der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse pochen, versuchen verschiedene Vertreter von SPD und Grünen ebenso beharrlich, Wege zu finden, mit der sich die Schuldenbremse umgehen ließe.

Der größte Aufreger dieser Tage kam von den Sozialdemokraten. Reichte zunächst die linke Gruppierung Forum DL21 mit Unterstützung der Jusos und der Senioren-Arbeitsgemeinschaft 60 plus ein Mitgliederbegehren beim SPD-Vorstand ein, mit dem die Initiatoren erreichen wollen, dass ihre Partei Kürzungen in den Bereichen Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie, Bildung, „Demokratieförderung“ und Entwicklungszusammenarbeit nicht zustimmt, so fordern inzwischen alle Strömungen der SPD-Bundestagsfraktion entschieden eine Auflockerung der Schuldenbremse. Ein Votum, an dem der aus diesen Reihen stammende Kanzler, der erst vergangenen Sonntag im Sommerinterview mit der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ erklärte hatte, „Wir müssen mit dem Geld auskommen, das wir haben. Daran führt nun mal kein Weg vorbei“, letztlich doch kaum vorbeikommt.

Kein Ausweg ohne Gesichtsverlust
Ebenso entschieden festgelegt haben sich die Freien Demokraten – und zwar dahingehend, dass sie an der Schuldenbremse auf jeden Fall festhalten wollen. So drohten dreißig jüngere FDP-Abgeordnete im Deutschen Bundestag gegenüber der „Bild“-Zeitung, „die Ampel nicht weiter zu unterstützen“, falls die SPD mit ihrer Forderung nach neuen Schulden durchkommen sollte. Auch der Partei-Vize Wolfgang Kubicki, der seit Monaten zu den klarsten Verfechtern der Einhaltung der Schuldenbremse gehört, äußerte sich zum Haushaltsstreit. Gegenüber „FOCUS online“ erklärte er, dass man davon ausgehen könne, „dass nicht nur dreißig Abgeordnete der FDP-Fraktion absolut zur Schuldenbremse stehen, sondern alle 91“. Und weiter: „Das ist im Übrigen geltende Verfassungslage. Wer die Verfassung brechen will, wird das nur ohne uns tun können.“

Damit haben sowohl die Befürworter neuer Schulden als auch deren Gegner verbal dermaßen aufgerüstet, dass ein Zurück ohne Gesichtsverlust nicht mehr möglich erscheint. Konkret heißt das, dass entweder die Liberalen als Verlierer aus dem Haushaltsstreit herausgehen werden oder die Sozialdemokraten. Der einzige Ausweg ohne Gesichtsverlust für beide Seiten wäre, dass es keinen Haushalt gibt – was das Ende der Regierung bedeuten würde.

Doch angesichts der aktuellen Meinungsumfragen und der Ergebnisse der Wahl zum Europäischen Parlament vor drei Wochen kann auch dies für keinen der Ampel-Partner eine echte Option sein. Die Sozialdemokraten stehen auf historischem Tiefstwert, die Liberalen pendeln um die parlamentarische Nulllinie der Fünf-Prozent-Marke herum, und selbst die Grünen, die nach der Regierungsbildung lange Zeit erstaunlich stabil standen, haben zuletzt überall deutlich an Zustimmung eingebüßt.

Die Schwäche der Opposition
Hinzu kommt, dass auch die Opposition derzeit kein Interesse an einem vorzeitigen Gang an die Wahlurnen haben kann. In der Union reißen die Attacken aus dem Kreis der Anhänger der vormaligen Kanzlerin Angela Merkel gegen den Kurs des neuen CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz nicht ab. Zudem ist noch immer unklar, mit welchem Partner die Union auf Bundesebene künftig eine Koalition eingehen will, sodass wiederum weder CDU und CSU noch ihre Wähler wissen, welche Politik sie nach der Wahl bekommen werden.

Auch bei der AfD ist noch immer unklar, wohin sie steuert. Schon, wer den Kurs überhaupt bestimmt – das Vorsitzenden-Duo Alice Weidel/Tino Chrupalla oder der Spitzenkandidat zur Europawahl, Maximilian Krah, im Verbund mit dem thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke – ist nicht erkennbar. Dass, wie Anfang der Woche gemeldet, die AfD-Abgeordneten im Kreistag von Oberspreewald-Lausitz nach den jüngsten Kommunalwahlen von Brandenburg nun eine Fraktion mit der rechtsextremen Partei „Die Heimat“ (vormals NPD) bilden wollen, zeigt zudem, dass zumindest Teile der Partei weiter nach rechts außen marschieren wollen – was wiederum nicht nur Stimmen in bürgerlichen Schichten kosten dürfte (vor allem im einwohnerstärkeren Westen des Landes), sondern auch Bündnisse mit anderen Parteien in weite Ferne rücken lässt. Womit die Deutschen trotz nicht-linker Mehrheiten bei den meisten Wahlen auch künftig eine eher linkslastige Politik bekommen werden.

Interessant ist derzeit die Entwicklung des „Bündnisses Sahra Wagenknecht“ (BSW). Bei der Europawahl mit 6,2 Prozent furios gestartet, steht die neue Partei in bundesweiten Umfragen derzeit bei 8,5 Prozent, im Osten der Republik sogar bei 15 Prozent, womit sie schon bald ein gefragter Partner für künftige Regierungsbildungen sein dürfte. Zumindest äußern sich derzeit Vertreter aus allen Parteien dahingehend, dass sie sich ein Bündnis mit dem BSW vorstellen können. Für die Union hätte die Wagenknecht-Partei immerhin den Vorteil, mit der vitaleren Hälfte der Linkspartei regieren zu können, ohne gegen den eigenen der vormaligen, mehrfach gewendeten SED/PDS/Die Linke gegenüber gefassten Unvereinbarkeitsbeschluss verstoßen zu müssen.

Fakt ist: Der Haushaltsplan für das kommende Jahr soll am 3. Juli im Bundeskabinett verabschiedet werden. Spätestens dann dürften die Deutschen wissen, ob auf die freudig-gelassenen Tage der Fußball-Europameisterschaft im eigenen Lande ein stürmischer Sommer folgt.


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