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Der Spion im eigenen Telefon

Neueste Ausspähprogramme können Mobilfunkgeräte selbst aus der Ferne komplett auskundschaften. Auch Regierungen wie die deutsche interessieren sich für die hochbrisante Software

Wolfgang Kaufmann
23.06.2024

Im Jahre 1998 avancierte Oberst Tal Dilian zum Chef der sagenumwobenen Einheit 81 des israelischen Militärgeheimdienstes Aman. In dieser Eigenschaft koordinierte er die Entwicklung modernster Spionagetechnologien. Allerdings trat Dilian 2002 zurück, weil der Vorwurf im Raum stand, er habe sich in seiner Dienststellung persönlich bereichert. Anschließend gründete der ehemalige Offizier die Firma Aliada, welche Überwachungstechnik verkaufte. 2018 übernahm Aliada das junge nordmazedonische Unternehmen Cytrox, um dessen Spionagesoftware Predator (Raubtier) zu vermarkten.

Predator ist ein sogenanntes Spyware-Programm, das restlos alles abgreifen kann, was sich auf den Mobiltelefonen der Zielpersonen befindet – und zwar teilweise ohne jedes Zutun derselben. Denn die Ausgespähten müssen oft nicht einmal mehr auf präparierte Links in ihren Nachrichten klicken, um die Geräte unwissentlich mit Viren und Trojanern zu verseuchen. Stattdessen erfolgen die Angriffe über eine direkte Beeinflussung der Betriebssysteme der Mobiltelefone aus der Ferne.

Opfer dieser Spionagesoftware wurden in der Vergangenheit bereits Oppositionspolitiker in Griechenland und Ägypten. Da Predator noch in zahlreiche weitere Länder wie den Sudan, die Mongolei, Kasachstan, Indonesien, Vietnam und Angola sowie auch die Bundesrepublik, Österreich und die Schweiz ging, steht zu vermuten, dass die Dunkelziffer bei den Betroffenen überaus hoch liegt. So lautete auch die Einschätzung eines Recherchenetzwerks, das Nachforschungen über Predator und ähnliche Programme sowie deren Anbieter anstellte und dem das deutsche Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, die französische Internetzeitung „Mediapart“, „NRC Handelsblad“ aus den Niederlanden, „Politiken“ aus Dänemark und „The Washington Post“ sowie Amnesty International angehörten. Dieser Verbund lieferte zugleich Antworten auf die Frage, woher Dilian das Geld für die Übernahme von Cytrox hatte.

Auch deutsche Hände im Spiel
Eine wichtige Rolle spielte dabei die Firma Davidson Technology Growth Debt im brandenburgischen Zossen, die als Risikokapitalgeber fungierte und Dilians Aliada einen Millionenkredit zur Verfügung stellte. In den hierfür verwendeten Fonds hatten auch mehrere deutsche Unternehmer und Immobilienmogule sowie der ehemalige Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabteilung der Telekom, Heinrich Arnold, investiert.

Parallel zu seiner Übernahme des Predator-Entwicklers Cytrox schmiedete Dilian ein Konsortium europäischer Überwachungsfirmen namens Intellexa Alliance, das die Sicherheitsbehörden mit fortgeschrittener elektronischer Spionagetechnik beliefern sollte. Wichtigster Partner Dilians war dabei der Franzose Stéphane Salies. Dessen Unternehmen Amesys hatte früher sowohl den französischen Auslandsgeheimdienst DGSE als auch den Repressionsapparat des libyschen Diktators Muammar al-Gaddafi ausgestattet.

Als Letzteres publik wurde, löste Salies Amesys auf und gründete Nexa Technologies SAS und die Advanced Middle East Systems (AMES). Nexa übernahm dabei den weiteren Vertrieb des Amesys-Spionageprogramms Eagle unter dem Namen Cerebro. Und auch hier fanden sich deutsche Geschäftspartner, allen voran die Plath Corporation aus Hamburg, zu deren Kunden die Bundeswehr und die Bundesnetzagentur gehörten und deren geschäftsführender Gesellschafter Nico Scharfe in der SPD-Szene der Hansestadt vernetzt ist. Das Unternehmen kaufte sich mit jeweils 30 Prozent bei Nexa und AMES ein und verfügt seither über zwei Sitze im Nexa-Aufsichtsrat.

„Ein Deal aus der Hölle“
In der Folgezeit verhökerten Salies' Firmen ihre Produkte an Staaten wie Österreich, Jordanien, Ägypten, Singapur, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate sowie Frankreich und Monaco. Allerdings waren Cerebro und Co. den immer besseren Verschlüsselungssystemen der Anbieter von Mobiltelefon-Software nicht gewachsen, weshalb man sich innerhalb der Intellexa Alliance zunehmend auf das effizientere Predator-Programm konzentrierte. Denn die Sicherheitsbehörden in aller Welt und damit letztlich auch den westlichen Demokratien verlangten die jeweils modernste Abhör- und Spionageausrüstung – und bekamen diese offensichtlich auch sehr oft. Für die liberale niederländische Europaabgeordnete Sophie in 't Veld sind die Geschäfte mit Cytrox, Nexa, AMES und weiteren Firmen der Intellexa Alliance „ein Deal aus der Hölle“.

Das hinderte die deutsche Regierung allerdings nicht daran, bei dem Konsortium zu kaufen. Nach Dokumenten, die dem „Spiegel“ vorliegen, erwarb die dem Bundesinnenministerium unterstehende Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS) bei mindestens zwei Gelegenheiten Überwachungstechnik von Nexa. Auf diesbezügliche Rückfragen erklärte das Ministerium, man könne hierzu keine Angaben machen, ohne „die Ermittlungsfähigkeit der Sicherheitsbehörden ... zu gefährden“. Ähnlich schmallippig fielen die Antworten der Vorstandsetage des Rüstungsunternehmens Hensoldt AG in Taufkirchen aus, das zu 25 Prozent der Bundesrepublik Deutschland gehört: Man habe eine Zeit lang vertrauliche Verhandlungen mit der Intellexa Alliance geführt, aber mehr sei nicht passiert.

Aufschlussreich ist darüber hinaus die Haltung der Bundesregierung in Bezug auf die Anti-Spyware-Erklärung vom April 2023, in der elf westliche Staaten angekündigt hatten, gegen den Wildwuchs bei der Verbreitung von digitalen Angriffswaffen wie der Predator-Software vorzugehen. Deutschland verzichtete auf die Unterzeichnung des Dokuments, obwohl es im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung heißt, dass der Einsatz von Überwachungssoftware durch staatliche Behörden zu unterbleiben habe, „solange der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung nicht sichergestellt ist“, womit sich das Abhören von Mobiltelefonen logischerweise verbietet.

Insofern sind die Bemühungen von in 't Veld, Initiativen auf EU-Ebene ins Leben zu rufen, um „diesen Überwachungsalbtraum“ zu stoppen, durchaus angebracht. Ob diese dann freilich auch zum gewünschten Erfolg führen, bleibt abzuwarten.


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