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Berlin

„Das dankbare Vaterland dem siegreichen Heere“

Vor 150 Jahren wurde mit der Siegessäule das erste Monument der Reichseinigung enthüllt

Manuel Ruoff
31.08.2023

Über drei Jahrzehnte nach der friedlichen Revolution und dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes gibt es noch kein Monument der sogenannten (kleinen) Wiedervereinigung. Hingegen gab es schon weniger als zwei Jahre nach den Einigungskriegen und der Kaiserproklamation im Spiegelsaal von Versailles mit der Siegessäule ein Monument der Reichseinigung. Dieses Tempo war möglich, weil mit den Planungen für das Monument bereits vor der Einigung begonnen worden war. Sinn und Zweck des Denkmals war nämlich anfänglich ein anderer beziehungsweise beschränkterer.

Gleich zweimal wurde er geändert beziehungsweise erweitert, und dreimal wurde der Grundstein gelegt: 1865, 1869 und 1871. Bei der ersten Grundsteinlegung sollte das Bauwerk nur an den Sieg im Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 erinnern. 1869 sollte der Bau auch der Erinnerung an den Deutschen Krieg von 1866 dienen. Erst nach dem letzten Einigungskrieg gegen Frankreich erhielt das Monument schließlich seinen endgültigen Zweck, die deutsche Einigung und die sie ermöglichenden drei Einigungskriege zu würdigen.

Statt „König Wilhelm seinem siegreichen Volke“ lautete die Widmung schließlich: „Das dankbare Vaterland dem siegreichen Heere“. Das war durchaus sinnig, denn gerne wird bei der wohlfeilen Kritik am „deutschen Militarismus“ übersehen oder gar übergangen, dass die Deutschen ihren Soldaten nicht nur die Befreiung von der napoleonischen Fremdherrschaft verdankten, sondern auch die Durchsetzung der nationalen Einheit gegen ausländischen Widerstand.

Die hohen Kosten von 1,8 Millionen Goldmark kamen nicht von ungefähr. Edelste Materialien wurden verwendet. Obernkirchner Sandstein, schwedischer Granit, Marmor aus Carrara sowie Bronze und Gold. Auch der Standort war mit dem Königsplatz, dem heutigen Platz der Republik, exponiert.

Wenige Wochen nach der Beendigung des Deutsch-Dänischen Krieges durch den am 30. Oktober 1864 unterzeichneten Frieden von Wien ordnete der König des siegreichen Preußen, Wilhelm I., den Bau des Denkmals an. Am 18. April des darauffolgenden Jahres erfolgte die erste Grundsteinlegung.

In jenem Frühjahr 1865 hatten die Architekten Johann Heinrich Strack und August Stüler sowie der Bildhauer Friedrich Drake jeweils einen Entwurf eingereicht. Wilhelm entschied sich für eine Säule von Strack und eine Bronzeskulptur von Drake an deren Spitze, die sowohl als die Siegesgöttin Viktoria als auch als die Personifizierung Preußens, die Borussia, interpretiert werden konnte. 

Dieser Auftrag zur Mehrdeutigkeit führte zu einer Frauengestalt mit Flügeln – wie bei einer Göttin – und einem Adlerhelm – wie bei einem Angehörigen der Garde du Corps. Ob Drake die Figur nach dem Bilde seiner Tochter Margarethe schuf oder nach dem der Kronprinzessin Victoria, ist umstritten.

Drei Grundsteinlegungen
Jedenfalls wurde sie auf eine Säule gesetzt, die sich aus drei aufeinandergesetzten Trommeln aus Oberkirchner Sandstein zusammensetzte, für jeden Einigungskrieg eine. Sinnigerweise ist die erste, die unterste, mit erbeuteten Kanonenrohren aus dem ersten, die zweite mit solchen aus dem zweiten und die dritte und oberste mit welchen aus dem dritten der Einigungskriege verziert. Die 60 Kanonenrohre und die sie verbindenden Girlanden sind mit Gold überzogen. Dieses gilt auch für die Frauenfigur an der Spitze, und da zu der Zeit in der beliebten Zeitschrift „Die Gartenlaube“ ein Fortsetzungsroman mit dem Titel „Goldelse“ lief, hatte sie ihren Spitznamen weg.

Am Fuße der die „Goldelse“ tragenden Säule befindet sich eine Säulenhalle, bei der sich Strack offenkundig von Karl Friedrich Schinkels „Großer Neugierde“ inspirieren ließ, einer 1835 im Schlosspark Glienicke als Teepavillon errichteten Rotunde mit Ausblick auf die Glienicker Brücke, den Jungfernsee und die Berliner Vorstadt von Potsdam. Das Glasmosaik der Säulenhalle wurde von der venezianischen Glasmanufaktur Antonio Salviati nach Zeichnungen von Anton von Werner ausgeführt. 

Das Programm des Rundbildes lautete „Rückwirkung des Kampfes gegen Frankreich auf die deutsche Einigung und die Schaffung des Deutschen Kaiserreiches“ und stammte vom Kaiser und König selbst. Interessante Details sprechen dabei für Bescheidenheit sowie Größe im Sieg. Einen in den Staub geworfenen Napoleon III. wollte Wilhelm ebenso wenig dargestellt sehen wie sich selbst auf dem Thron. An seiner Statt nimmt deshalb die Personifizierung der deutschen Nation, Germania, die ihr gereichte Kaiserkrone vor dem Thron entgegen.

Den mit poliertem, rotem, schwedischem Granit verkleideten Sockel zieren vier Reliefdarstellungen aus der Bronze in den Einigungskriegen eroberter Geschützrohre. Alexander Calandrelli thematisierte den Deutsch-Dänischen Krieg mit dem Sieg bei den Düppeler Schanzen, Moritz Schulz den deutschen Bruderkrieg mit der Entscheidungsschlacht bei Königgrätz, Karl Keil den Deutsch-Französischen Krieg mit der Schlacht bei Sedan, der Kapitulation des Kaisers der Franzosen und dem Einzug der siegreichen Truppen in Paris sowie Albert Wulf schließlich die Rückkehr Wilhelms mit dessen Kanzler und Ministerpräsidenten Otto von Bismarck, seinem Generalstabschef Helmuth von Moltke, seinem Kriegsminister Albrecht von Roon und seinen Truppen in seine Hauptstadt nach der siegreichen Beendigung des letzten Einigungskrieges.

Die Widmung fehlt noch immer
Bis zum zweiten Jahrestag des Sieges in der Sedanschlacht war die Siegessäule zwar noch nicht ganz fertig – so fehlte noch das Glasmosaik – doch angesichts seines Symbolgehaltes wurde am Sedantag als Einweihungstermin festgehalten. Mit einem Aufwand, der ihren Kosten und ihrer politischen Bedeutung als erstem Monument der Reichseinigung angemessenen war, wurde die Siegessäule am Morgen des 2. September 1873 eingeweiht. Neben dem Kaiser nahmen auch der Kanzler und der Kronprinz des Deutschen Reiches an der Zeremonie teil.

Aus künstlerischer Sicht ist das Denkmal nicht unumstritten. Reinhard Alings, Autor des Buches „Die Berliner Siegessäule“, billigt ihm nur eine „vergleichsweise geringe künstlerische Bedeutung“ zu. Auch wurde die 8,3 Meter hohe Bronzeskulptur in Relation zur damaligen Gesamthöhe von 50,66 Metern als zu groß empfunden. Dem letztgenannten Kritikpunkt trugen die Nationalsozialisten durch eine Verlängerung der Säule um eine vierte Trommel Rechnung. Da für vier Trommeln die Beutekanonen eines vierten Einigungskrieges fehlten, muss sich die oberste Trommel seitdem mit vergoldeten Girlanden als Ersatz begnügen. 

Die Verlängerung der Säule ging mit einer Verlegung einher. Albert Speer wollte den unweit des symbolträchtigen Brandenburger Tores gelegenen Königsplatz zur Verherrlichung des Dritten Reiches nutzen. Deshalb wurden die Siegessäule wie auch die unweit aufgestellten Denkmäler Bismarcks, Moltkes und Roons zum Großen Stern verlegt, der nun als „Platz der Erinnerung an das Zweite Reich“ diente. Am 19. April 1939, einen Tag vor Adolf Hitlers 50. Geburtstag, wurde die Umsetzung abgeschlossen.

Den wenige Monate später beginnenden Zweiten Weltkrieg überstand die Siegessäule, abgesehen von ein paar Einschusslöchern, weitgehend unbeschadet. Dass ungeachtet des künstlerischen Wertes nicht nur ihre Erbauer, sondern auch deren Gegner dem Denkmal große Bedeutung beimaßen, zeigte das Verhalten der französischen Besatzungsmacht. 

Ebenso wie die SED wollte sie es zerstören. Der Plan scheiterte zwar, doch wenigstens etwas konnten die französischen Sieger ihr Mütchen an der Siegessäule kühlen. Die Bronzeplatten am Sockel wurden demontiert. Mit Ausnahme jener über den Deutschen Krieg wurden die Platten wie einst die Quadriga auf dem Brandenburger Tor als Kriegsbeute nach Paris verbracht. Des Weiteren setzten sich die Franzosen bei den anderen Siegern mit ihrem Wunsch durch, über der Siegessäule ihre Trikolore hissen zu dürfen, ein Recht, von dem sie bis zum Ende der Berlin-Blockade 1948 Gebrauch machten.

Als „Geste der Versöhnung“ gab die Fünfte Republik bis zur 750-Jahr-Feier Berlins 1987 die in ihrem Besitz befindlichen drei Platten zurück. Zusammen mit der in Berlin verbliebenen vierten kehrten diese an ihren ursprünglichen Ort am Sockel zurück. Die ebenfalls nach dem Zweiten Weltkrieg entfernte Widmung „Das dankbare Vaterland dem siegreichen Heere“ fehlt hingegen bis heute.


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Kommentare

Peter Faethe am 02.09.23, 20:28 Uhr

Die französischen "Befreier" hatte vor, die Siegessäule zu sprengen - der Magistrat konnte das durch kluge Obstruktion verhindern.
Die Rückgabe der beschlagnahmten Platten geschah bereits 1982 als Folge der Veröffentlichung des Buches "Berlin - von der Frontstadt zur Brücke Europas".

Kersti Wolnow am 01.09.23, 11:45 Uhr

„Das dankbare Vaterland dem siegreichen Heere“ fehlt hingegen bis heute.

Klar, die Neobolschewisten halten nichts von Vaterländern, genausowenig von Muttersprache.
Völker werden vermischt und die Sprache aller wird ein vereinfachtes, also amerikanisiertes Oxfordenglisch. Das muß für die gemeinen Trampel überall auf der Welt reichen.

Chris Benthe am 31.08.23, 14:53 Uhr

Anhand solcher wunderbaren Berichte erkennt man, wie sehr man in Deutschland noch lernen muss, das Vaterland zu lieben. Was anderen Nationen selbstverständlich, ist hierzuland noch immer furchtbarer Krampf. Wir werden lernen, wenn auch - wieder einmal - aus Elend und Not.

Gregor Scharf am 31.08.23, 14:39 Uhr

„Das dankbare Vaterland dem siegreichen Heere“ fehlt hingegen bis heute

Welcher Narr trifft solche Entscheidungen und stellt sich nicht der eigenen Geschichte, sondern versucht diese zu verdrängen, zu übertünchen und verliert somit jeglichen Halt sowie die Bindung zu dem Volk, dem er entstammt und sein Dasein verdankt.
Kein Wunder, dass die Jugend orientierungslos dahintreibt und sich in der virtuellen Welt verliert oder kiffend zudröhnt.

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