16.04.2025

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Einige der prähistorischen Zeichen müssen erst noch entschlüsselt werden: Eine Besucherin vor den Felsmalereien in Kolumbien
Bild: picture alliance/AAEinige der prähistorischen Zeichen müssen erst noch entschlüsselt werden: Eine Besucherin vor den Felsmalereien in Kolumbien

Urwald

Das Eldorado der ersten Künstler

Prähistorische Felszeichnungen in Kolumbien – Forscher entdeckten Freilichtmalereien, die über 12.000 Jahre alt sein könnten

Wolfgang Kaufmann
15.04.2025

In Kolumbien herrschte ab 1964 Bürgerkrieg zwischen den Streitkräften der Regierung und der linksradikalen Guerilla-Bewegung Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – Ejército del Pueblo (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens – Volksarmee, FARC-EP). Dieser endete am 22. Juni 2016 mit dem Abschluss eines Friedensvertrages. Dadurch wurde es nun auch wieder möglich, Wissenschaftler in das dünn besiedelte Departamento del Guaviare an der Nahtstelle zwischen den Anden und dem Amazonas-Becken zu entsenden.

Hier liegen unter anderem das Naturschutzgebiet Reserva Forestal Protectora Nacional La Lindosa und der seit 2018 auf der UNESCO-Welterbeliste stehende Nationalpark Chiribiquete. In diesem gibt es zahlreiche prähistorische Felszeichnungen, welche jedoch deutlich weniger spektakulär daherkommen als der gewaltige Bilderreigen, den die Archäologen José Iriarte, Mark Robinson, Gaspar Morcote-Ríos und Jeison Lenis Chaparro-Cárdenas von der britischen University of Exeter beziehungsweise der Universidad Nacional de Colombia in Bogotá vor wenigen Jahren entdeckten und einige Zeit geheim hielten.

In einem vom Instituto Colombiano de Antropología e Historia ausgewiesenen und fast 900 Hektar großen Schutzgebiet innerhalb der Serranía de La Lindosa stießen die Forscher zwischen dem Río Guaviare und dem Río Inírida auf mehrere zehntausend Felsmalereien von überwältigendem Detailreichtum. Die Abbildungen erstrecken sich über eine Länge von 13 Kilometern durch die Zonen Cerro Azul, Angosturas, Limocillos und Cerro Montoya.

Manche der Darstellungen wurden so hoch über dem Boden angebracht, dass Iriarte und dessen Kollegen sie nur mit Drohnen oder dem Einsatz von alpinistischen Methoden erkunden konnten. Ihre Schöpfer haben wahrscheinlich hölzerne Gerüste benutzt oder sich von oben an Lianen in die glatten Sandsteinwände abgeseilt. Die Bilder zeigen vor allem Menschen, Tiere und Pflanzen – dazu kommen geometrische Muster und zahllose Handabdrücke.

Besonderes Aufsehen erregten dabei die äußerst naturalistischen Abbildungen von Kreaturen, welche während der letzten, vor rund 11.700 Jahren zu Ende gehenden Eiszeit auf dem südamerikanischen Kontinent gelebt haben und inzwischen sämtlich ausgestorben sind. Hierzu zählen unter anderem Gomphotherien, also gewaltige elefantenähnliche Säuger, die 28 Millionen Jahre lang die Erde besiedelten, tonnenschwere Riesenfaultiere von der Größe eines Autos, archaische Wildpferde und kamelartige Wesen, aus denen sich später die Lamas entwickelten. Deshalb bezeichneten Iriarte und die zur Identifizierung der diversen Tierarten herangezogene Evolutionsbiologin Ella Al-Shamahi vom University College London die Felsgruppe auch als „Sixtinische Kapelle der Urzeit“.

Allerdings bezweifeln manche Wissenschaftler wie die Anthropologin Judith Trujillo Tellez von der Universidad de los Andes in Bogotá das hohe Alter der Darstellungen und gehen von einer Entstehung vor wenigen hundert Jahren aus. In diesem Zusammenhang verweisen sie auf einige Szenen, in denen offensichtlich Europäer zu sehen sind.

Und tatsächlich waren die deutschen Konquistadoren Georg Hohermuth von Speyer und Philipp von Hutten dem Ruf des sagenhaften Goldlandes Eldorado gefolgt, nachdem Kaiser Karl V. sich entschieden hatte, Klein-Venedig, ein Territorium auf dem Gebiet des heutigen Venezuela, an die Augsburger Welser-Gesellschaft zu verpfänden, um seine horrenden Schulden in Höhe von rund 150.000 Gulden zu tilgen. Dabei drangen die Eroberer zwischen 1535 und 1538 auch in die Serranía de La Lindosa vor, wo sie auf die dortigen Ureinwohner trafen. Andererseits sind viele Felsbilder in der Region aber deutlich älter als 500 Jahre.

Wetterbeständige Ocker-Farbe
Aller Wahrscheinlichkeit nach hielten die bislang noch keinem konkreten Volk zugeordneten Schöpfer der Kunstwerke über viele Jahrtausende an dem Brauch fest, den heimischen Sandstein zuerst mit Feuer zu glätten und dann mit Bildern zu verzieren. Einen unwiderlegbaren Beweis hierfür fand die britisch-kolumbianische Forschergruppe bei Ausgrabungen unterhalb der bemalten Felswände. Dort entdeckte sie Reste der verwendeten Farben in Sedimentschichten, deren Alter auf rund 12.600 Jahre datiert werden konnte. Und tatsächlich begann die Besiedlung des amerikanischen Doppelkontinents bereits vor 18.000 Jahren, als der Meeresspiegel 125 Meter tiefer lag als heute und die bis zu 50 Kilometer breite Beringia-Landbrücke Nordsibirien mit Alaska verband, bevor sie vor 11.000 Jahren wieder im Ozean versank. Des Weiteren weiß man mittlerweile auch, dass die Einwanderer relativ schnell, nämlich innerhalb von nur 4000 Jahren, bis nach Südamerika vordrangen, welches die letzte Region auf der Erde darstellt, in der sich der Mensch auf Dauer niederließ.

Ebenso konnte die Gruppe um Iriarte noch ein weiteres Argument jener Zweifler entkräften, welche das hohe Alter der Felsbilder in Frage stellen, indem sie auf deren außergewöhnlich guten Zustand verweisen und mutmaßen, dass die Farbe durch den Regen und die ultraviolette Strahlung innerhalb von einigen wenigen Jahrhunderten verblasst sein müsste. Nach Angaben der vier Wissenschaftler wurde für die Bemalung der Felsen zumeist natürlich vorkommender Ocker verwendet, der Brauneisenstein enthält und dadurch sowohl absolut lichtecht als auch äußerst wetterbeständig ist.

Außerdem platzierten die Ureinwohner die Zeichnungen bevorzugt an geschützten Stellen unter Überhängen. Das erklärt die lange Haltbarkeit des faszinierenden Panoptikums der eiszeitlichen Mega-Fauna Südamerikas, für deren Aussterben die Künstler wohl übrigens nicht verantwortlich zeichneten, weil ihre Siedlungsplätze nahezu frei von tierischen Knochenresten sind. Absolute Gewissheit hinsichtlich des Alters der am frühesten entstandenen Felsbilder wird es erst geben, wenn sich in den anorganischen Farbpigmenten auch einige Reste von organischem Material finden, was eine weitgehend exakte Datierung mit der Radiokohlenstoffmethode ermöglichen würde.


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