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Das Schicksal des Hauses der Räte war nach jahrelangen Diskussionen bereits 2021 besiegelt
Im April des vergangenen Jahres wurde um das Haus der Räte ein Bauzaun aufgestellt, und dahinter ragten Drehkräne hervor. Im Herbst begannen schließlich die Arbeiten für den Rückbau des Gebäudes, der im Sommer 2024 abgeschlossen sein soll. Das nie fertiggestellte Prestigeobjekt der damaligen sowjetischen Führung der Region ist wie ein Bauklotz zusammengesetzt worden und wird jetzt auf die gleiche Weise abgetragen, allerdings von oben nach unten. Zuerst wurden das Dach demontiert und die Fensterrahmen entfernt. Die Hochhaustürme werden stufenweise abgebaut.
Im Laufe der Jahre ist das Haus der Räte zum umstrittensten architektonischen Objekt des Königsberger Gebiets geworden, und es ist weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt. Sein komplexes und unbestimmbares Schicksal interessierte Architekten, Stadtplaner und Journalisten, sowohl in der Russischen Föderation als auch im Ausland. Und obwohl es nur wenige Menschen wagen würden, es als Zierde des Stadtbildes zu bezeichnen, eilen fast alle Touristen, welche die Stadt besuchen, zu diesem bemerkenswerten Gebäude.
Über das Schicksal des Hauses wird schon seit Jahren teils kontrovers diskutiert. 2023 wurden die geplanten Abrissarbeiten erst einmal vertagt. Der Beschluss zum Abriss war im Jahr 2021 gefasst worden. Bis vergangenes Jahr glaubte kaum jemand daran, dass dies tatsächlich geschehen würde. Immerhin war das Haus in den vergangenen 50 Jahren zu einem integralen Symbol der Stadt geworden. Gegenüber der Bauruine begannen viele Bewohner Königsbergs positive und sogar sentimentale Gefühle zu entwickeln.
Der Bau des Gebäudes begann im Jahr 1970 nach dem Entwurf des Architekten Lew Misoschnikow. Ursprünglich waren 28 Stockwerke geplant, und in seinem Inneren sollten das Kaliningrader Regionalkomitee der KPdSU und das Regionale Exekutivkomitee, also die Partei- und Staatsbehörden der Region, untergebracht werden. Als Standort wählte man ein Areal in unmittelbarer Nähe der Ruinen des Königsberger Schlosses, die erst in den späten 1960er Jahren gesprengt und beseitigt worden waren.
Im Stil der sowjetischen Moderne
Zunächst planten die Verantwortlichen, etwas im Geiste der stalinistischen Hochhäuser im Zuckerbäckerstil zu bauen, doch dann entschieden sie sich für ein Gebäude im Stil der sowjetischen Moderne. Aus den ursprünglich geplanten 28 Stockwerken wurde nichts, weil der Boden für ein solch massives Bauwerk nicht fest genug war. Deshalb wurde das Projekt auf21 Stockwerke reduziert, was aber immer noch eine einzigartige Höhe für Königsberg darstellte.
Später gab es Probleme mit der Finanzierung, sodass sich der Zeitplan für die Fertigstellung immer wieder verschob. Zwar waren die Bauarbeiten Mitte der 1980er Jahre abgeschlossen, die Inbetriebnahme war aber erst für 1988 vorgesehen. Wegen der Perestrojka gab es derartige Finanzierungsschwierigkeiten, dass die weiteren Arbeiten ausgesetzt wurden. Teilweise waren in den Etagen schon Ausbauarbeiten durchgeführt worden. Parkettwar verlegt und Tapeten angebracht sowie Heizung und Aufzüge betriebsbereit. Das Haus der Räte war zu 95 Prozent fertig. Das Gebäude hätte bald bezogen werden können.
Doch die Zeiten änderten sich, das Regionalkomitee der KPdSU war Geschichte, und das Haus der Räte war den für die schwierigen 90er Jahre typischen komplizierten juristischen Metamorphosen unterzogen.
Im Jahr 1995 wurde das ungenutzte Haus privatisiert. Zu diesem Zweck wurde eine gewisse AG „Kultur- und Geschäftszentrum“ gegründet, die das Gebäude bezugsfertig machen sollte. Doch die AG verkaufte das Haus der Räte unter Preis an ein anderes Unternehmen. Das Büro des Bürgermeisters legte bei der Staatsanwaltschaft Beschwerde ein, woraufhin die Behörden versuchten, die Transaktion für ungültig zu erklären. Es folgten zahlreiche Gerichtsverfahren, die Eigentümer wechselten, sodass die regionalen Behörden es 2019 in Besitz nahmen.
Obwohl das Haus der Räte rund
30 Jahre lang leer stand, hatten sich die Stadtbewohner daran gewöhnt. Mal nannten sie es scherzhaft „Roboterkopf“, mal „Ungeheuer“ oder „Ohren“. 2005 wurde das Haus der Räte anlässlich der 750-Jahr-Feier Königsbergs blau angestrichen und erhielt so ein freundlicheres Aussehen. Und für die Fußballweltmeisterschaft 2018 wurden die an das Gebäude angrenzenden neunstöckigen Gebäude in der gleichen Farbe gestrichen, um ein Gefühl einheitlicher architektonischer Strukturen zu schaffen. Während der Fußball-WM wurde auf dem Parkplatz in der Nähe des Architektur-Monsters eine Fanzone mit einer Leinwand und Tribünen eingerichtet.
Auf dem Platz vor dem Haus wurden im Sommer Feste und Picknicks veranstaltet. Früher wurden hier die Stadtfeste gefeiert mit einer riesigen Bühne, auf der Künstler auftraten. Am Schlossteich, der sich direkt gegenüber dem Gebäude befindet, wurden Feuerwerke gezündet.
Königsberger Schloss wird nicht wiedererrichtet
Im Laufe der Jahre gab es zahlreiche internationale Architekturwettbewerbe, um Ideen für eine Nutzung und Entwicklung der Bauruine zu gewinnen. Es gab darunter auch Pläne, das Haus der Räte mit dem wiedererrichteten Königsberger Schloss zu einer architektonischen Einheit zu verbinden. Im Jahr 2017 erklärte Gouverneur Anton Alichanow jedoch, dass er keine Möglichkeit sehe, das Schloss in irgendeiner Form wiederaufzubauen.
Was anstelle des abgerissenen Hauses der Räte entstehen soll, steht noch in den Sternen. Alichanow zufolge könnten hier ein Regierungssitz sowie ein Kultur- und Geschäftszentrum eingerichtet werden, ähnlich den Plänen der Parteiführung aus der Sowjetzeit. Wie der Gouverneur sagte, wurden anderthalb Jahre lang Investoren gesucht, die helfen würden, das Haus der Sowjets zu erhalten, aber es stellte sich heraus, dass „niemand es braucht“.
Die Geschichte dieses Gebäudes ist kompliziert. Viele Jahre lang gab es alle möglichen Wettbewerbe, Debatten und Gespräche darüber, was mit ihm geschehen soll. Bislang sehen die Pläne eher abstrakt aus. Laut Alichanow entsteht ein riesiges freies Gelände: das des verschwundenen Königsberger Schlosses, das des Hauses der Räte und das der Springbrunnen – Dutzende Hektar im Stadtzentrum. „Ich möchte mindestens die Hälfte dieses Gebiets in einen Park verwandeln und es zu einem schönen Ort für die Bürger machen. Lassen Sie uns Schritt für Schritt vorgehen: Zuerst geben wir das Gebiet frei, dann schauen wir es uns bewusst an, erstellen ein Projekt. Und wir werden es verwirklichen“, versicherte Alichanow.