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Politische Kultur

Das entlarvende Schweigen deutscher Journalisten

Im unterschiedlichen Umgang mit den Affären Scholz und Faeser einer- sowie Aiwanger andererseits zeigt sich die fatale Schlagseite der Haltungsmedien

Werner J. Patzelt
14.09.2023

Jeder weiß, dass Eltern ihre Kinder und Lehrer ihre Schüler nicht immer gleich behandeln. Das ist nicht gerecht, doch im Einzelfall nachvollziehbar. Und jeder weiß auch, dass die Medien unsere Politiker und Parteien immer wieder ungleich behandeln. Ursache dafür ist unser parteiergreifender, anwaltschaftlicher Journalismus. Gerecht wäre das aber nur, wenn die Medienlandschaft politisch ausgewogen wäre, also unsere Journalistenschaft nicht – ausweislich mehrerer Umfragen – zu weit über zwei Dritteln den Grünen, Sozialdemokraten oder Linken zuneigte.

Beispiele gefällig? Da führte der jetzige Bundeskanzler Olaf Scholz, als er noch Hamburger Bürgermeister war, etliche Gespräche mit Vertretern einer Bank, deren Geschäfte unseren Staat zuvor um hohe dreistellige Millionenbeträge schädigten. Dabei gab er – nach Aussagen Dritter – nützlichen Rat, wie sich allzu hohe Rückzahlungen ungesetzlicher Gewinne an den Fiskus vermeiden ließen. Dazu vor einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft zweimal vernommen, konnte Scholz sich aber an entsprechende Gespräche oder gar an deren Einzelheiten leider nicht mehr erinnern – und das, obwohl sein Büro doch gewiss Terminvereinbarungen traf, obschon sich aus den Gesprächen dienstlicher Schriftverkehr ergab, und trotz der Tatsache, dass diese Vorgänge nur wenige Jahre zurücklagen.

Schonung für Scholz und Faeser
Gewiss, viele Medien berichteten darüber mehrfach und scharf, ebenso auch zu nachweislich kriminellem Verhalten im Umfeld dieser Vorgänge. Doch merklicher politischer Handlungsdruck wurde seitens von Journalisten nicht aufgebaut. Auch die Berliner Ampelparteien meinten, zu lange läge dies alles zurück, als dass man sich heute noch parlamentarisch damit befassen sollte. Das war, als CDU und CSU das frühere Verhalten des Kanzlers durch einen Bundestagsuntersuchungsausschuss aufklären wollten. Zwar ist die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ein Minderheitenrecht. Doch es ginge, so das dagegengehaltene und medial nicht wirklich bestrittene Argument der Parlamentsmehrheit, den Bundestag schlicht nichts an, was der Kanzler einst als Hamburger Regierungschef tat.

Sehr anders verhielt es sich mit dem, was sich vor dreieinhalb Jahrzehnten auf einem niederbayerischen Gymnasium vollzogen hat. Ein dortiges Flugblatt führte unlängst zu einem medial üppig begleiteten Staatsschauspiel samt Sondersitzung des Bayerischen Landtages. Es wollte sich Bayerns stellvertretender Ministerpräsident Hubert Aiwanger nämlich nicht an alle Einzelheiten unrühmlichen Verhaltens zu Gymnasialzeiten öffentlich erinnern. Anscheinend wiegen nachweisliche Pflichtverletzungen als Spitzenpolitiker viel weniger schwer als vermutliche Geschmacklosigkeiten und Haltungsmängel eines pubertierenden Schuljungen.
Am jeweiligen Tun oder Lassen kann das kaum liegen. Den Unterschied macht, wie sehr tonangebende Leute aus Medien und Politik jemanden beschädigt sehen wollen – und wie geschmiert dabei die politische Kraftübertragung zwischen politischen Gegnern und Kampfjournalisten verläuft.

Das wird auch deutlich beim Vergleich des politischen Schicksals zweier Bundesinnenminister. 1993 kamen beim Zugriff auf vermutliche RAF-Täter ein Terrorist und ein GSG 9-Beamter zu Tode. Dazu führten Unzulänglichkeiten polizeilichen Vorgehens sowie eine Verkettung unglücklicher Umstände. Doch nicht nur für den „Spiegel“ lag eine „Tötung wie eine Exekution“ vor, also die Aktion eines sich bloßstellenden Unrechtsstaates. Welche Politiker waren daran wohl schuld? Geradezu enttäuscht zeigte sich mancher, als der CDU-Bundesinnenminister Seiters einfach zurücktrat, bevor man ihm mit Vorwürfen kommen konnte. Das minderte nämlich sehr den Spaß an hartnäckiger journalistischer Regierungskontrolle.

Ein nicht skandalisierter Skandal
Doch nicht einmal Vorfreude auf derlei Wirkungstreffer scheint es hinsichtlich des jetzigen, sehr wohl persönlich fehlerhaften Verhaltens der SPD-Bundesinnenministerin zu geben. Durch verleumderisches Raunen des ZDF-Spaßmachers Böhmermann inspiriert zur tatkräftigen Reinigung ihres Verantwortungsbereichs von angeblich unzuverlässigen Russophilen, feuerte sie kurzerhand den Präsidenten des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik. Der fiel zwar weich, weil man ihn in eine ziemlich unwichtige Behörde versetzte, nachdem der dortige Dienstposten – aus offensichtlich nicht allzu sachrationalen Gründen – auf eine präsidiale Besoldungsstufe angehoben worden war. Doch leider fanden sich außer Böhmermanns Anschuldigungen keine Beweise für Dienstpflichtverletzungen, die derlei ministerielle Maßnahmen gerechtfertigt hätten. Obendrein wurde ruchbar, die Innenministerin habe den ihr unterstehenden Verfassungsschutz eingesetzt, um doch noch belastendes Material zu finden, das ihr Handeln gerechtfertigt hätte. Ob derlei Vorgehen sich wohl für einen Rechtsstaat schickt?

Weil diese Vorgänge erst wenige Monate zurückliegen, konnte sich die Ministerin schlecht auf ein überfordertes Gedächtnis berufen, als ein Bundestagsausschuss ihr Verhalten aufklären und politisch bewerten wollte. Also schwänzte sie dessen Sitzungen, indem sie sich krank oder anderweitig unabkömmlich meldete. Sehr fleißig tourt sie zwar als Wahlkämpferin durch Hessen, kümmert sich aber seit Amtsantritt nicht wirklich um die Steuerung jenes Zuwanderungsgeschehens, das unserem Land übel bekommt.

Dass sich solches Verhalten kaum mit einem Amtseid vereinbaren lässt, der gewissenhafte Pflichterfüllung, Gerechtigkeit gegen jedermann und die Abwendung von Schaden vom Volke verlangt, dürfte klar sein. Dennoch bleibt ohne Medienecho, wer Faesers und Scholzens tatsächliche Fehlleistungen für schlimmer hält als Aiwangers vermeintliche Jugendsünden.


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Kommentare

Dr. Dr. Hans-Joachim Kucharski am 18.09.23, 08:31 Uhr

Nicht ahnend, daß die PAZ den von mir im Kommentar angesprochenen Skandal (Vergleich einer uralten Jugendsünde mit „nachweislichen Pflichtverletzungen als Spitzenpolitiker“) in einem neuen Artikel aufgreift, hatte ich den nachfolgenden Kommentar an den Wochenrückblick „Sturm ...“ angehängt; zu letzterem paßt er aber besser. (Der damals bereits bekannte Sachverhalt Faeser wurde darin wegen vergleichsweiser Bedeutungslosigkeit bewußt nicht berücksichtigt, dennoch paßt er zur Kritik.):
Es ist wieder mal nachhaltig und umfangreich zu sehen, wie Aiwangers Jugendsünde und eine vermutliche Beteiligung von Scholz am Cum-Ex-Skandal unterschiedlich behandelt werden. Zu ersterer habe ich gefühlt fünfzig Sendungen und Zeitungsartikel (ohne SZ und Spiegel) gesehen, und die Untersuchung zu letzterer ist zur Friedhofsstille verkommen – nichts mehr ist davon zu hören. Zudem wird ein Verhalten in der Jugendzeit vor 35 Jahren mit einem viel späteren im Amte verglichen. Und was hilft es Aiwanger, sich auf Erinnerungslücken in seiner längst vergangenen Jugendzeit zu berufen, wenn man nur Scholz solche abnimmt und offenbar nur er hinsichtlich weiterer Nachprüfungen davonkommt?
Ist das etwa nicht ausschließlich parteitaktisch zu erklären? Und was können wir daraus, spätestens jetzt, lernen? So funktioniert Politik.

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